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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2004, Seite 6

Tollkühne Behauptungen des Managements

GM will Blut sehen

Der Vorwurf, Opel habe wegen Managementfehlern Probleme, greift viel zu kurz. Die Konzerne führen ihren Krieg um Höchstprofite auf Kosten der Beschäftigten.
Die Analysten argumentieren schlüssig im Dreisatz: Erstens würde es keine Krise in der internationalen Autoindustrie, jedoch Managementfehler bei General Motors (GM) in Europa geben. Zweitens mache GM im Autogeschäft und insbesondere in Europa Verluste. Drittens führe kein Weg an einem massenhaften Belegschaftsabbau in Europa vorbei.
Richtig ist, dass 2004 weltweit mit 52 Millionen Einheiten deutlich mehr Autos abgesetzt werden als 2003. 2005 sollen es 54 Millionen sein. Doch der Markt wird enger und die Konkurrenz heftiger. In den letzten 15 Jahren verloren rund ein Dutzend Automarken ihre Unabhängigkeit: Saab, Subaru, Isuzu und Daewoo sind Teil von GM; Volvo, Jaguar, Land Rover und Mazda bei Ford, Alfa und Lancia in Fiat integriert, Nissan bei Renault, Kia bei Hyundai. Mehrere Autohersteller sind kaum überlebensfähig, so Mitsubishi, Fiat und Rover.
Die wenigen echten Wachstumsmärkte — etwa China und Osteuropa — sind heftig umkämpft. Dort entstehen gewaltige Überkapazitäten, die spätestens 2006 den weltweiten Automarkt überschwemmen. Wenn sich bei GM im Augenblick Krisentendenzen zeigen, dann ist dies eine unmaßgebliche Momentaufnahme. Zeitweilig stand Ford schlechter da als GM/Opel.
Vor einem halben Jahr meldete DaimlerChrysler das Desaster bei Mitsubishi. Die Aussage, daß es vor allem Fehler bei GM in Europa gibt, ist tollkühn. Auf dem US-Markt muß GM derzeit im Durchschnitt 6000 Dollar Rabatt auf die offiziellen Listenpreise geben, um überhaupt noch Pkw abzusetzen.
Die zweite Behauptung, GM mache Verluste und dies vor allem in Europa, ist windig. Tatsächlich wies der Weltkonzern 2003 einen offiziellen Profit von 3,822 Milliarden US-Dollar aus. Gegenüber 2002 gab es eine Steigerung um 120,2% (Fortune, 26.7.). Im dritten Quartal 2004 gab es im GM-Konzern einen Nettogewinn von 440 Millionen US-Dollar. Dass dieser nach GM-Angaben überwiegend auf die GM-Banktochter zurückzuführen ist, sagt nichts. Es liegt auf der Hand, dass, wer 6000 US-Dollar Rabatt je Pkw gewährt, im operativen Autogeschäft schlecht aussieht. Wenn er diese Pkw dann auf Kredit in den Markt pumpt, macht er den Gewinn eben mit der eigenen Banktochter.
Die Behauptung, es würden Verluste in Europa gemacht, ist ebenso fragwürdig. Noch im Januar 2004 wies der damalige Vorstandschef der Adam Opel AG, Carl-Peter Forster, auf folgenden Umstand hin: Der seinerzeit ausgewiesene operative Verlust von 400 Millionen Euro bei Opel sei vor allem darauf zurückzuführen, dass ein Großteil der Entwicklungskosten der GM-Europa-Pkw, die weltweit für GM verkauft würden, in Europa und vor allem bei Opel verbucht werden, dass jedoch die Gewinne aus den Verkäufen solcher Pkw (z.B. in Asien) oft nicht Opel bzw. GM Europa zugute kämen.
Die Schlussfolgerung schließlich, es müsse in Europa zu einem radikalen Belegschaftsabbau und gegebenenfalls zu einer Werkschließung kommen, überzeugt zumindest aus Beschäftigtensicht nicht. Ist es nicht so, dass alle Autohersteller derzeit so verfahren (siehe DaimlerChrysler und VW)? Dass die Ford Werke AG in Köln derzeit in eine GmbH umgewandelt werden, um in Zukunft über »mehr Flexibilität« (bei Erpressung der Beschäftigten) zu verfügen? Dass nach einem erfolgreichen Angriff auf GM/Opel doch noch die Belegschaft bei Saab in Schweden unter Druck gesetzt werden kann?
Und warum der Angriff auf Opel in Bochum? Immerhin ist das dortige Werk derzeit zu 100% ausgelastet, Eisenach und Luton (Großbritannien) z.B. nur zu gut 70%, Rüsselsheim zu 58%. Übt das GM- Management Rache dafür, dass die Bochumer Belegschaft maßgeblich daran beteiligt war, Ausgliederungen und Lohnsenkungen zu verhindern, die im Jahr 2000 geplant waren?
Es gibt keinen Grund zu glauben, irgendwann sei Schluss mit den Erpressungen und den Spaltungsversuchen. Im Gegenteil. Das GM-Management in Detroit will Blut sehen. Und wer Blut geleckt und Profite eingestrichen hat, der ist erst auf den Appetit gekommen.
Es ist schon so, wie der langjährige Aktivist bei Opel Bochum, Wolfgang Schaumberg, schrieb: »Die tiefere Ursache liegt im bestehenden Wirtschaftssystem begründet, das auf Profit und Konkurrenz basiert. Man arbeitet nicht, um Bedürfnisse zu befriedigen, sondern um Profitzwänge zu erfüllen.«
Der Teufelskreis von Erpressung, Sozialabbau, verstärkter Arbeitshetze und Werksschließungen wird nur unterbrochen werden, wenn es zu einer gemeinsamen Gegenwehr — bei den Belegschaften von GM/Opel/Saab, VW und denjenigen von anderen Autoherstellern — kommt.

Winfried Wolf, Aus: Junge Welt, 19.10.2004.

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