SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2004, Seite 12

Internationale Antikriegskonferenz in Beirut

Wiedersehen in Fallujah?

Aus 54 Ländern Asiens, Afrikas, Lateinamerikas und Europas kamen die 220 Delegierten, die sich vom 17. bis 19.September in Beirut zu einer Konferenz unter dem Titel »Wie geht‘s weiter mit der Antikriegsbewegung« eingefunden haben. Im Mittelpunkt der Gespräche und Diskussionen standen die Auseinandersetzungen um die Lage im Irak und in Palästina, war es doch das erste Mal, dass Vertreter westlicher und fernöstlicher Bewegungen mit Sprechern des Widerstands aus dem Nahen und Mittleren Osten zusammentrafen.
Den Auftakt dieser Konferenz, die von der thailändischen NGO »Focus on the Global South« unter Leitung des international bekannten Globalisierungskritikers Walden Bello veranstaltet wurde, bildete ein Besuch im libanesischen Flüchtlingslager Sabra und Shatila, wo vor genau 22 Jahren auf Anordnung Ariel Sharons Hunderte Palästinenser massakriert worden waren. »Inzwischen ist der Libanon zum Symbol einer islamischen Befreiung geworden, um die es heute auch im Irak und in Palästina geht«, erklärte der libanesische Anthropologe Mohsen Saleh unter Berufung auf die Werte, die die schiitische Hizbollah-Bewegung damals motivierte.
Dass es gerade die politisch-religiös fundamentierten Konzepte von »Befreiung« und »Selbstbestimmungsrecht der Völker« sind, die heute die USA und Israel dazu veranlassen, eine »Islamophobie« als Rechtfertigslehre für ihre Interventionstruppen im Irak und in Palästina weltweit zu verbreiten, gab den Anlass für stundenlange Diskussionen zwischen den Delegierten westlicher Antikriegsbewegungen und den zahlreichen Vertretern des arabischen Widerstands.
Insbesondere über die Geiselnahmen im Irak entspann sich eine äußerst hitzige Debatte. Die irakische Delegation, unter denen sich auch (namentlich nicht genannt werden wollende) Vertreter Al- Sadrs und der Aufständischen in Fallujah befanden, vertraten die Meinung, dass es sich bei den Geiseln in den allermeisten Fällen um Männer und Frauen handelte, die den »Kriegstreibern« in der einen oder anderen Weise zuarbeiteten.
Der Einwand der italienischen und französischen Konferenzteilnehmer, dass die Gefangennahme von Journalisten und Mitarbeitern humanitärer Organisationen sowohl den irakischen als auch den westlichen Antikriegsbewegungen schade, wurde von den Irakern zunächst mit dem sehr emotial vorgetragenen Argument entkräftet, sie hätten eben angesichts der Gräueltaten das Recht, Widerstand zu leisten. Erst als eine Vertreterin der Opposition in Afghanistan sagte, dass von der afghanischen Bevölkerung die arabischen, unter dem Namen Al Qaeda bekannten Netzwerke »genauso wie die USA« als ausländische Besatzungsmacht empfunden würden, entfuhr es einem Scheich aus Bagdad: »Naja, es gibt ja auch wirkliche Terroristen.«
Im Allgemeinen verdichtete sich der (nicht immer offen zugegebene) Eindruck, dass der irakische Widerstand zwar durch den gemeinsamen Kampf gegen die (ziemlich weit definierte) Besatzungsmacht irgendwie verbunden ist, aber über keine gemeinsame Organisationsstruktur verfügt.
Deshalb tauchte bei den irakischen Delegierten immer wieder der Ruf nach einer politischen »Einheitsfront« auf, eine Forderung, die auch die Delegierten aus anderen Teilen der Welt unterstützen wollten. Es wurde sogar über die Abhaltung einer internationalen Konferenz im Irak selbst diskutiert, die gleichzeitig mit einer nationalen Versammlung der oppositionellen Kräfte des Irak stattfinden könnte. Den Sicherheitsbedenken kam der Vertreter des Widerstands in Fallujah mit der bestimmt vorgetragenen Bemerkung zuvor: »Ich garantiere eure persönliche Sicherheit.«
In der gemeinsamen Abschlusserklärung unterstützten die Teilnehmenden der Konferenz der weltweiten Antikriegsbewegungen einhellig »das Recht der Völker des Irak und Palästinas auf Widerstand gegen die Besatzung« und forderten den sofortigen Abbruch der »Apartheidmauer«. Ebenso kündigten sie eine »Anti-Apartheid-Kampagne zur diplomatischen, politischen und ökonomischen Isolierung Israels« unter Einschluss eines weltweiten Boykotts israelischer Produkte sowie weltweite Mobilisierungen gegen Krieg und Besatzung im Irak und Palästina an.
Es war dies das zweite Mal nach den weltweiten Demonstrationen am 15. Februar 2003, an denen sich an die 30 Millionen Menschen beteiligt hatten, dass sich die Antikriegsbewegungen trafen. Unmittelbar nach dem Irakkrieg hatten sich Vertreter dieser Bewegungen in der indonesischen Hauptstadt Jakarta getroffen und internationale »Tribunale gegen Bush und Blair« sowie eine Kampagne gegen die US-Militärbasen initiiert.
Auch durch die Abstimmung ihrer Aktivitäten auf die Sozialforen (vor allem auf den WSF in Mumbai und Porto Alegre un dem ESF vom 14. bis 17. Oktober in London) ist jetzt ein Prozess in Gang gekommen, der — unabhängig vom Ausgang der Wahlen in den USA — die Aktivitäten der Antikriegsbewegung mit denen des Widerstands in den betroffenen Kriegsregionen weltweit koordiniert.

Leo Gabriel

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang