SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2004, Seite 8

Anmerkungen zum Thema Opel

Zugeständnisse vorprogrammiert

Als vor fünf Jahren die »Standorte«-Gruppe bei Opel zum Thema »Outsourcing und Alternativen« ein Diskussionspapier vorlegte, war das Thema wie in diesem Jahr: Was tun gegen die ständige Arbeitsplatzvernichtung?
Damals 1999 arbeiteten bei Opel in Bochum noch 14200 Beschäftigte, sieben Jahre früher waren es 19200 gewesen! Schon damals zitierten die Kollegen in ihren Flugblättern die Betriebräte, die im Aufsichtsrat saßen: »Bis 2004 soll die Zahl auf 7000 oder 8000 herunter gefahren werden.« Dass es noch rund 9000 sind, ist also kein Verdienst von GM.
Aber die Zahlen belegen auch: Die aktuelle Entwicklung ist weder neu noch plötzlich aufgrund von »Managementfehlern« entstanden. Die Pläne der Automobilunternehmen sind von langer Hand vorbereitet, sie richten sich nach der Entwicklung von Produktivität und Profit, und Arbeitsplatzvernichtung findet ständig statt. Alle Versuche etwa von Harald Schartau und anderen, die Pläne von GM in dieser Richtung schönzureden — als ob sie mit einem anderen, fähigeren Management vermeidbar wären — müssen angesichts der Tatsachen ins Leere laufen. Dass auch Linke sich an diesem Argument abarbeiten, macht es weder richtiger, noch stärkt es die Opel-Kollegen in der Perspektive des Kampfes.
Neu dieses Jahr ist eher die konzertierte Aktion aller großen Hersteller, angefangen bei Daimler-Benz, die ihre Belegschaft zu Zugeständnissen erpressten, obwohl steigende Gewinne angekündigt (und den gewerkschaftlichen Verhandlungsführern bekannt) waren, über VW, wo der bekannte Arbeitsdirektor Peter Hartz für die Forderung nach 30% Senkung der gesamten Lohnkosten steht, bis hin zu Opel, wo die Verhandlungen über Standorte und Belegschaften, Zugeständnisse und Löhne noch andauern. Sie steht im Zusammenhang mit einer politischen Offensive der herrschende Klasse, die eine grundlegende Änderung der bisherigen sozialstaatlich abgefederten Verhältnisse will, um in der Perspektive den Anteil der Gewinne zulasten der Beschäftigten auszubauen.
Der von der Regierung unterstützte Systemwechsel in den Sozialversicherungen und die Mobilisierung der Öffentlichkeit in den letzten Wochen gegen die Hartz-IV-Gesetze hat allerdings den betroffenen Opel-Kollegen ihre Aussichten krasser als früher vor Augen geführt und nicht unerheblich dazu beigetragen, dass Wut und Empörung in Bochum zum Arbeitskampf führten.
Fragen bleiben an alle Beteiligten, vor allem auch an die IG Metall, deren zweiter Vorsitzender Berthold Huber jüngst erneut die betriebsnahe Tarifpolitik der Metallgewerkschaft lobte. In den letzten zwei Jahren gab es weit über 500 Einzelvereinbarungen mit Betrieben! Die Arbeitszeitflexibilisierung reicht meistens von 30 bis 40 Wochenstunden — ohne Mehrarbeitszuschläge. Huber sagte auch den Kampf für Arbeitszeitverkürzung ab — das sei nicht erreichbar (Frankfurter Rundschau, 11.11.2004).
So steht vor allem die Frage, wieso es einer der stärksten Gewerkschaften der Welt nicht gelingen kann, nach jahrelanger Arbeit wenigstens in Europa einen Verbund der betroffenen Betriebe herzustellen, der gemeinsame Aktionen (und nicht nur symbolische!) ermöglicht, basierend auf der Erkenntnis auch der Belegschaften aus den osteuropäischen Ländern, dass die Verlagerung von Arbeitsplätzen sie genauso betrifft. Oder auch basierend auf den Erfahrungen der Thatcher-Zeit in England, als die Gewerkschaften weitgehend zerschlagen wurde. Das Menetekel an der Wand — und die richtige Reaktion der Bochumer Belegschaft — wurde auf der Kundgebung in Bochum in keiner Weise für die Stärkung des Kampfes genutzt.
Soweit Belegschaftsvertreter anderer Betriebe und anderer Gewerkschaften da waren, knüpfte man zu Recht an die kämpferischen Traditionen des Reviers von Rheinhausen bis zu den 97er Bergbauaktionen an, auch an kämpferische Erfahrungen der Opel- Belegschaft selber. So wichtig und richtig es war, der Belegschaft insgesamt einen Tag nach der Kundgebung eine Urabstimmung zur Frage des Arbeitskampfs zu ermöglichen: allein dass die Fragestellung das Ende des Kampfes mit Verhandlungen verband und nur zu beidem gleichzeitig ein »Ja« oder »Nein« ermöglichte, zeigt, wie wenig die IG Metall sich und ihren Mitgliedern zutraut, wie weit ihre Zugeständnisse vorprogrammiert sind. Hier kann eine noch so kämpferische Belegschaft allein nicht genug ausrichten.

Rolf Euler

Die Autorenschaft für diesen Artikel wurde in der Druckausgabe leider versehentlich falsch mit W.Schaumberg angegeben. Wir bedauern dies.



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