SoZSozialistische Zeitung |
Jhkjh »Ein Film über Ernesto Guevara, bevor er ›Che‹
wurde.« So charakterisiert Ches Sohn Camilo den Film von Walter Salles. Und in der Tat zeigt der Film,
der nach Ches Motorradtagebüchern und den Tagebüchern seines Freundes Alberto Granado gedreht
wurde, einen unkonventionellen aber auch relativ unpolitischen jungen Mann aus der argentinischen
Mittelschicht. Sein Motiv scheint zunächst einmal Abenteuerlust zu sein. Er will den amerikanischen
Kontinent kennen lernen, da er bis dahin nicht aus Argentinien herausgekommen ist. Ein Jahr zuvor hatte er
dieses Land mit einem Fahrrad mit Hilfsmotor bereist, jetzt will er auch die anderen Länder
Lateinamerikas und Nordamerika besuchen.
Sein Antrieb scheint dabei der von vielen
jungen Leuten zu sein: Einfach mal ausbrechen aus dem bürgerlichen Trott und der Enge, einmal Vagabund
sein. Das ist meistens mit allerhand romantischen Vorstellungen verbunden. Auf ihrer Reise begegnen Alberto
Granado und Ernesto Guevara dann Menschen, die zum Umherziehen gezwungen werden und das gar nicht
romantisch finden.
So wurde Ernesto bereits auf seiner ersten
Reise von einem Landstreicher gefragt: »All diese Kraft vergeuden sie nutzlos?« So beschreibt es
Taibo in seiner Che-Biografie. Im Film von Salles kommt dieser Aspekt des Unverständnisses der
Angehörigen der Unterschichten gegenüber dem scheinbaren Spleen des Mittelstandskindes nicht vor.
Hier steht eher der Lerneffekt im Mittelpunkt. Beschrieben werden die Begegnungen mit Minenarbeitern in
Chile und indianischen Bäuerinnen und Bauern in Peru.
Ernesto Guevara sieht die Ungerechtigkeit und
empört sich darüber. Diese Empörung ist noch nicht sehr reflektiert, sondern eher emotional.
Zum Schluss arbeitet er in einer Leprastation im peruanischen Teil des Amazonasgebiets. Er bewährt
sich dort als engagierter Mediziner, der die Achtung und Zuneigung der Kranken gewinnt. Auch seine Neigung
zu großen sportlichen Anstrengungen trotz durch Asthma stark eingeschränkter Gesundheit ist Thema
des Films. Es wird gezeigt, wie er den an dieser Stelle vier Kilometer breiten Amazonas durchschwimmt, ein
angeblich verbürgtes Ereignis.
Der Film hat auch die Tagebücher von
Granado zur Grundlage, um so der Bildung von Heldenlegenden zu entgehen. Tatsächlich ist im Film kein
besonders politischer Guevara zu sehen. Zum Schluss bringt er einen Trinkspruch auf das vereinigte
Lateinamerika aus. Das ist alles.
Sein Biograf Taibo schreibt, dass der junge
Guevara nur losen Kontakte zur KP-Jugend an der Universität hatte. In Guevaras Tagebuch von dieser
Reise findet sich ein interessanter Eintrag nach einer Begegnung mit einem chilenischen Arbeiter und KP-
Mitglied: »Unabhängig davon, ob er nun gut oder schlecht … ist, war der Wurm des
Kommunismus … nichts weiter als der natürliche Wunsch nach etwas Besserem.« »Der Wurm
des Kommunismus« aus der Feder des späteren Vorkämpfers nicht nur der kubanischen Revolution
mutet schon eigenartig an. Guevara ist hier tatsächlich am Beginn seines Weges, ein Lernender, eben
Ernesto Guevara, bevor er Che wurde.
Ob der Film den Mythos Che nun verstärkt
oder uns eher den Menschen Che näher bringt, der gewissermaßen als guter Kumpel von nebenan
geschildert wird, sei einmal dahin gestellt. Sehenswert ist der Film schon allein wegen der guten Leistung
der Hauptdarsteller und der schönen Landschaftsaufnahmen.
Andreas Bodden
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04