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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2004, Seite 20

Die Reise des jungen Che — The Motorcycle Diaries

Argentinien/USA/BRD/UK 2004

Jhkjh »Ein Film über Ernesto Guevara, bevor er ›Che‹ wurde.« So charakterisiert Ches Sohn Camilo den Film von Walter Salles. Und in der Tat zeigt der Film, der nach Ches Motorradtagebüchern und den Tagebüchern seines Freundes Alberto Granado gedreht wurde, einen unkonventionellen aber auch relativ unpolitischen jungen Mann aus der argentinischen Mittelschicht. Sein Motiv scheint zunächst einmal Abenteuerlust zu sein. Er will den amerikanischen Kontinent kennen lernen, da er bis dahin nicht aus Argentinien herausgekommen ist. Ein Jahr zuvor hatte er dieses Land mit einem Fahrrad mit Hilfsmotor bereist, jetzt will er auch die anderen Länder Lateinamerikas und Nordamerika besuchen.
Sein Antrieb scheint dabei der von vielen jungen Leuten zu sein: Einfach mal ausbrechen aus dem bürgerlichen Trott und der Enge, einmal Vagabund sein. Das ist meistens mit allerhand romantischen Vorstellungen verbunden. Auf ihrer Reise begegnen Alberto Granado und Ernesto Guevara dann Menschen, die zum Umherziehen gezwungen werden und das gar nicht romantisch finden.
So wurde Ernesto bereits auf seiner ersten Reise von einem Landstreicher gefragt: »All diese Kraft vergeuden sie nutzlos?« So beschreibt es Taibo in seiner Che-Biografie. Im Film von Salles kommt dieser Aspekt des Unverständnisses der Angehörigen der Unterschichten gegenüber dem scheinbaren Spleen des Mittelstandskindes nicht vor. Hier steht eher der Lerneffekt im Mittelpunkt. Beschrieben werden die Begegnungen mit Minenarbeitern in Chile und indianischen Bäuerinnen und Bauern in Peru.
Ernesto Guevara sieht die Ungerechtigkeit und empört sich darüber. Diese Empörung ist noch nicht sehr reflektiert, sondern eher emotional. Zum Schluss arbeitet er in einer Leprastation im peruanischen Teil des Amazonasgebiets. Er bewährt sich dort als engagierter Mediziner, der die Achtung und Zuneigung der Kranken gewinnt. Auch seine Neigung zu großen sportlichen Anstrengungen trotz durch Asthma stark eingeschränkter Gesundheit ist Thema des Films. Es wird gezeigt, wie er den an dieser Stelle vier Kilometer breiten Amazonas durchschwimmt, ein angeblich verbürgtes Ereignis.
Der Film hat auch die Tagebücher von Granado zur Grundlage, um so der Bildung von Heldenlegenden zu entgehen. Tatsächlich ist im Film kein besonders politischer Guevara zu sehen. Zum Schluss bringt er einen Trinkspruch auf das vereinigte Lateinamerika aus. Das ist alles.
Sein Biograf Taibo schreibt, dass der junge Guevara nur losen Kontakte zur KP-Jugend an der Universität hatte. In Guevaras Tagebuch von dieser Reise findet sich ein interessanter Eintrag nach einer Begegnung mit einem chilenischen Arbeiter und KP- Mitglied: »Unabhängig davon, ob er nun gut oder schlecht … ist, war der Wurm des Kommunismus … nichts weiter als der natürliche Wunsch nach etwas Besserem.« »Der Wurm des Kommunismus« aus der Feder des späteren Vorkämpfers nicht nur der kubanischen Revolution mutet schon eigenartig an. Guevara ist hier tatsächlich am Beginn seines Weges, ein Lernender, eben Ernesto Guevara, bevor er Che wurde.
Ob der Film den Mythos Che nun verstärkt oder uns eher den Menschen Che näher bringt, der gewissermaßen als guter Kumpel von nebenan geschildert wird, sei einmal dahin gestellt. Sehenswert ist der Film schon allein wegen der guten Leistung der Hauptdarsteller und der schönen Landschaftsaufnahmen.

Andreas Bodden

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