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Auf seiner ersten Afrikareise, zu der ihn eine hundertköpfige Delegation
begleitete, erklärte Bundespräsident Köhler mutig, er würde für die Sache des
Kontinents kämpfen. Doch dürfe sich Afrika nicht auf das »Glück von außen«
verlassen. Er scheute sich auch nicht, Korruption und Apathie zu kritisieren. In Berlin sagte er gar, er
ließe sich nicht mehr weismachen, dass die Konflikte nach Afrika »von außen« hinein
getragen würden.
Er ließ dort sogar durchblicken, dass
auch Benins Präsident Kérékou keine sauberen Hände habe, sondern in Autoschiebereien
verwickelt sei, oder sie zumindest billige.
Wäre aber das Auftreten des deutschen
Präsidenten als Lehrmeister Afrikas nicht glaubwürdiger gewesen, wenn er zugleich erklärt
hätte, warum die Verpflichtung der Staats und Regierungschefs auf dem Gipfeltreffen in Rom 1996,
die Zahl der unter Hunger oder Fehlernährung Leidenden bis 2015 zu halbieren, hohles Geschwätz
geblieben ist? Afrika ist der einzige Kontinent, auf dem die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse
pro Kopf in den vergangenen 25 Jahren zurückgegangen ist. Die Auslandshilfe pro Kopf ist zwischen 1983
und 1999 von 43 Dollar auf nur noch 30 Dollar gesenkt worden.
Jacques Brouf, der Generaldirektor der UN-
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation, beklagte, dass man häufig auf Gleichgültigkeit
stoße, wenn man auf die ökonomischen Vorteile verweise, die sich aus der Beseitigung des Hungers
ergäben. Dabei sei der Kampf gegen den Hunger nicht nur ein moralischer und ethischer Imperativ,
sondern auch eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Unterernährung schwächt die körperlichen
und kognitiven Fähigkeiten, begünstigt die Ausbreitung von Krankheiten und führt zu hohen
Produktionseinbußen.
Nach einer Studie der
Welternährungsorganisation, die für 110 Länder die Entwicklung im Zeitraum von 1960 bis 1999
untersuchte, hätte das jährliche Pro-Kopf-Einkommen in der südlichen Sahara im Jahr 1980
zwischen 1000 und 3500 Dollar liegen können, wenn es dort keine Unterernährung gäbe. Heute
liegt es bei nur 800 Dollar. Welch enormen Nutzen es Produzenten und Dienstleistungsunternehmen bringen
würde, wenn 200 Millionen Hungernde Konsumenten sein könnten, ist leicht einzusehen.
Die immer wiederkehrenden Hungersnöte
würden aber nicht nur durch Dürreperioden verursacht. Die bewaffneten Konflikte, die das
subsaharische Afrika zwischen 1970 und 1997 erlebte, haben der Landwirtschaft Verluste von
schätzungsweise 52 Milliarden Dollar zugefügt, das entspricht etwa 75% der gesamten staatlichen
Entwicklungshilfe, die in diesem Zeitraum geleistet wurde.
Die Wunden, die Afrika in der Periode der
Kolonisierung geschlagen wurden, sind noch keineswegs verheilt. Es sind neue in der Periode der
Globalisierung hinzu gekommen. Moralprediger wie der deutsche Bundespräsident
können deshalb nur dann Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn ihre Moral im Hinblick auf Afrika
unfehlbar wäre. Genau das aber trifft heute keineswegs zu.X2
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