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Seit den Protesten gegen das WTO-Treffen in Seattle 1999 gibt es das
Phänomen der »Antiglobalisierungsbewegung«. In Europa waren bisher die Proteste gegen den
G8-Gipfel in Genua 2001 und das Europäische Sozialforum in Florenz 2002 Höhepunkte der Bewegung.
Diese beiden Ereignisse stehen auch im Mittelpunkt des Buches von Andretta, della Porta, Mosca und Reiter.
Es geht den Autorinnen und Autoren aber nicht um die Darstellung bestimmter Ereignisse, sondern um die
soziale und politische Zusammensetzung der »Bewegung der Bewegungen«. Dabei wird anhand des Genoa
Social Forum (GSF), das die Proteste 2001 in Genua organisierte, die Zusammensetzung der Bewegung
analysiert.
Dabei geht es um das Verhältnis neuer
Akteure wie Attac oder den sozialen Zentren zu den Parteien der traditionellen Linken und den
Gewerkschaften. Auch die Frage, wie sich Gruppen der Friedensbewegung und NGOs in globalisierungskritische
Netzwerke einfügen, ist Gegenstand des Buches. Ein weiteres Thema ist das Verhältnis von
Bündnissen wie dem GSF zu linksradikalen Gruppen.
Die Interaktionen zwischen den verschiedenen
Akteuren wird sehr akribisch beschrieben. Denn die Zusammenarbeit zwischen eher hierarchisch aufgebauten
Parteien und Gewerkschaften, professionellen NGOs, basisdemokratischen Organisationen wie Attac und
ebenfalls basisdemokratischen Initiativen wie den Sozialen Zentren, die einer eher linksradikalen Tradition
entstammen, ist alles andere als unproblematisch. Den Sozialen Zentren in Italien ist ein eigenes Kapitel
gewidmet. Es zeigt sich dabei, dass es keine führende Organisation gibt. Die Bewegung funktioniert
tatsächlich als Netzwerk, wobei sich die mitarbeitenden Organisationen und Zusammenhänge auch
verändern und öffnen müssen.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Erforschung
der sozialen Herkunft der Aktivistinnen und Aktivisten. Dabei wird klar, dass die »Bewegung für
eine Globalisierung von unten« weder im klassischen Sinne proletarisch ist wie die alte
Arbeiterbewegung noch von einer rebellierenden Mittelstandsjugend geprägt ist wie die APO der 60er
oder die »Neuen sozialen Bewegungen« der 70er und 80er Jahre. Vielmehr ist das Erscheinungsbild
auch hier vielfältig, wobei viele trotz hohem Bildungsstand in prekären Verhältnissen leben.
Es dominiert bei den Demonstrationsteilnehmerinnen und -teinehmern aber die jüngere Generation.
Ein spezielles Kapitel ist der Frage gewidmet,
wie es zu der Eskalation staatlicher Gewalt bei den Anti-Gipfel-Protesten in Genua 2001 kommen konnte.
Dabei entgehen die Autorinnen und Autoren zwar nicht der Gefahr, »böse« und »gute«
Demonstrantinnen und Demonstranten zu unterscheiden, aber sie bieten doch einen interessanten Einblick in
die Strukturen der italienischen Polizeikräfte. Dabei wird die These aufgestellt, dass eine Ursache
der Eskalation die unterbliebene Modernisierung der italienischen Polizei in den letzten 20 Jahren gewesen
sei.
Alles in allem bietet das Buch einen
interessanten Blick auf die »Antiglobalisierungsbewegung«, der jenseits von Mystifikationen einen
streng sozialwissenschaftlichen Ansatz verfolgt und dem/der LeserIn reichhaltiges statistisches Material an
die Hand gibt.
Andreas Bodden
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