SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2005, Seite 14

Buchtipp

Imperialismustheorien. Historische Grundlagen für eine aktuelle Kritik (Hg. S.Bollinger), Wien: Promedia, 2004, 184 Seiten, 12,90 Euro

Weitgehend unstrittig ist der Imperialismusbegriff im heutigen wissenschaftlichen Diskurs für die Zeit zwischen den 1870er Jahren bis 1914—17/18, das Zeitalter des klassischen Imperialismus. Die Zeit danach wird im Allgemeinen als eine Überwindung des klassischen Imperialismus interpretiert, als Zeit eines verschleierten Imperialismus. In den Jahren 1945—1989 sei dann, nach der Lehrmeinung dieses Mainstreams, ein Nachimperialismus dominant geworden, der durch das Ende der Kolonialreiche und eine friedliche zwischenstaatliche Konkurrenz gekennzeichnet war.
Die zuletzt erwähnten Theorien Lügen strafend, ist mit Ende des Ostblocks ein Zustand eingetreten, der manche Beobachter nicht nur an die verworrene Lage auf dem Balkan von 1914 erinnert — die Rückkehr des offenen Imperialismus. Tagtäglich beweisen die Machthaber in den Metropolen, dass für sie Friedensfähigkeit des Kapitalismus nur in einer historischen Ausnahmesituation des möglichen gegenseitigen Vernichtens der Konkurrenzsystem funktionierte. Neben den eigentlich militärisch aktiven Imperialisten in den USA entwickelt sich dabei auch in Deutschland und Frankreich mehr und mehr das Bedürfnis, die sich wandelnde Welt nach eigenem Gusto umzugestalten. Die beiden Staaten sind daher Motoren einer Entwicklung, die die EU und den Euro-Imperialismus als supranationale Struktur möglich machen könnte, indem sie die militärischen Potenziale zur »humanitären« Intervention ausbaut.
Für die Linke ergibt sich aus dieser Entwicklung die zwingende Notwendigkeit, ihr theoretisches Instrumentarium auf die Höhe der Epoche zu bringen. Ein erster Schritt in dieser Richtung soll der erste Band einer »Edition Linke Klassiker« im engagierten Wiener Promedia-Verlag sein — ein Reader mit Texten von N.I.Bucharin, Rudolf Hilferding, John A. Hobson, Karl Kautsky, W.I.Lenin und Rosa Luxemburg. Der Band soll den mit diesen prominenten Namen verbundenen Erkenntnisstand in der Imperialismusdiskussion in leicht verständlicher Form einem von den Kontroversen innerhalb der Neuen Linken nach 1968 weitgehend unbeeinflussten Publikum präsentieren.
Die beschönigend »Globalisierung« genannte Verheerung der Welt bis in die letzten Winkel und Ecken hinein, macht jedoch ein Fortschreiten über diesen Erkenntnisstand hinaus unabdingbar. Dazu liefert der Herausgeber Stefan Bollinger in seinem Vorwort ebenfalls Denkanstöße, indem er nicht nur abstrakt auf die Notwendigkeit einer Unterscheidung zwischen dem ökonomisch bestimmenden Monopolkapitalismus und dem politisch agierenden Imperialismus verweist, sondern diese Differenz konkret mit einem Zitat des US- Politologen Zbigniew Brzezinski über die »Professionalisierung« der Machtansprüche der Supermacht USA untermauert:
»Amerika steht in den vier entscheidenden Domänen globaler Macht unangefochten dar: seine weltweite Militärpräsenz hat nicht ihresgleichen, wirtschaftlich gesehen bleibt es die Lokomotive weltweiten Wachstums, selbst wenn Japan und Deutschland in einigen Bereichen eine Herausforderung darstellen mögen; es hält seinen technischen Vorsprung in den bahnbrechenden Innovationsbereichen, und seine Kultur findet trotz einiger Mißgriffe nach wie vor weltweit, vor allem bei der Jugend, unübertroffenen Anklang.«

Fritz Keller

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