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Als 20-Jähriger verließ Manfred Lubowitz als begeisteter
Jazzmusiker Südafrika. In London gründete er zusammen mit seinem Freund Mike Hugg 1961 ein
Jazzquartett. Doch davon konnte kein Mensch leben. R&B war angesagt und so orientierten sich die beiden
um, und 1962 wird als Geburtsjahr der neuen Band Manfred Mann angegeben. Eine R&B-Band, in der Manfred
am Keyboard stand. Unbestrittener Star dieser Band war der spätere Schauspieler Paul Jones. Die
Coverversionen der Songs »Do Wah Diddy« und »Pretty Flamingo« von The Exciters brachte
die Band an die Spitze der britischen Charts. Eine Erfolgsgeschichte begann, die Musikerlegenden wie Klaus
Vormann, Jack Bruce, Chris Thompson, Barbara Thompson und jetzt auch Thomas D. mitschrieben.
Die 1971 gegründete Manfred Manns
Earthband tourt in unterschiedlicher Besetzung bis heute durch die Lande. Im Gepäck haben Manfred Mann
(Keyboards), Mick Rogers (Gitarren), Noel McCalla (Gesang), Steve Kinch (Bass) und Geoff Dunn (Schlagzeug)
auch Manfred Manns neue Soloplatte, doch im Capitol in Paderborn spielten sie am 8.12. nur ein Stück
aus dieser CD. Das Publikum weiß zum größten Teil nichts von dieser Scheibe und will vor
allem die Gassenhauer aus den 70ern hören. Die Band weiß das, und die Spielfreude, mit der sie
die Wünsche des Publikums zufrieden stellen, ist mehr als erstaunlich. Die Herausforderung im Capitol
zu Paderborn kann auch größer kaum sein. Ostwestfalen tanzen nicht, sagte einmal ein Zugereister,
und doch ist an diesem Abend Bewegung im Publikum. Von der neuen Platte wird »Mars« gespielt.
Sicherlich eines der Stücke, die auf der neuen CD am meisten an den typischen Synthiesound der
Earthband aus früheren Jahren erinnert. Aber live wie auch auf der CD beweist die Band ihren
ungeheuren Schatz an Zitaten und ihre unübertreffliche Art, diese Zitate einfließen zu lassen. In
»Mars« fließt an diesem Abend Edwin Starrs Frage/Antwort ein: »War what is it
good for? Absolut nothing.« Später werden noch »Smoke on the water« und ein
Weihnachtslied in Bob Dylans »Mighty Quinn« eingebaut. Auf der CD werden Tschaikowski oder eine
russische Oster-Ouverture gleichzeitig Ausgangspunkt einzelner Lieder und Zitatenschatz.
Diese Art Musikgeschichte im Pop präsent
zu halten, verleiht der Musik von Manfred Mann eine immer neue Frische, obwohl das Gefühl, dies alles
schon einmal gehört zu haben, nie ganz verschwindet. Dazu kommen allerdings auch Musikerkolleginnen
und -kollegen, die auf diesem Niveau mitspielen können. Mick Rogers, seit 1971 immer wieder mit
Manfred Mann auf der Bühne und im Studio braucht sicherlich kaum eine Probe, um wieder dabei zu sein.
Wie er den alten Hit »Pretty Flamingo« solo auf der Gitarre dekonstruiert, deckt nicht nur die
Jazzwurzeln auf, sondern verbindet handwerkliches Können mit künstlerischer Interpretation, wie
man es selten geboten bekommt.
Aber auch die anderen Musiker lassen den alten
Aristoteles (»Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile«) noch einmal die Runde machen. Da
wird deutlich warum das Wagnis, Jam Sessions auf CD herauszubringen, in dieser Runde kein zu großes
Risiko bedeutet. Auch wenn einige sagen mögen: Hätte er die Platte bis 2006 noch entwickelt,
wäre sie ein echter Knaller geworden. Das Risiko, einige Stücke spontan einzuspielen und sie dann
nur noch am Mischpult zu bearbeiten und mit Samples zu versehen, hat sich gelohnt. Schade, dass dabei
Stücke, so bspw. das herausragende »Marche Slave«, das Tschaikowski-Fragmente verarbeitet,
einfach zu kurz geraten. Doch die Stilvielfalt ist so groß, wie es von einem guten Popalbum 2004 zu
erwarten ist. Ein Hit wird nicht dabei sein. Sicherlich sind Stücke wie »Down in Mexico«
radiotauglich, aber der Genuss der Produktion erschließt sich nicht über einmaliges Hören.
So unterschiedlich Studioproduktion und
Livekonzert auch sind: Beide lohnen sich. Das was in den 70ern einmal Progressive Rock genannt wurde, kommt
live noch mit voller Wucht, die verspielte humorvolle Offenheit Manfred Manns kommt im Studio zu ihrem
Recht. Es bleibt spannend wie sich das Ganze 2006 anhören wird und ob Mann ein paar Mini Moogs vor dem
Aussterben hat retten können.
Thomas Schroedter
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