SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2005, Seite 22

Tagungsbericht:

Krise der Kerle

Mitte November trafen sich, unter dem Dach der Berliner Heinrich-Böll- Stiftung und organisiert vom stiftungsunabhängigen Netzwerk »Forum Männer in Theorie und Praxis der Geschlechterverhältnisse« (»www.forum-maenner.de«), rund 50 Männer und Frauen zu einer Fachtagung über »Männer und Arbeit«.
Den Einstieg ins Thema gewährten streitbare Thesen von Stephan Höyng und Ralf Puchert (beide »Dissens e.V.«, Berlin): Das männliche Normalarbeitsverhältnis (Vollzeit, angestellt, unbefristet) sei europaweit minoritär geworden, jedoch das momentan hegemoniale Männlichkeitsmodell geblieben, mit den Kapital-Männern als Hegemon darin. Ihre zentrale Orientierung ist die — für Linke brisante — skandinavische Familienpolitik, welche aktiv Väter in die Kindererziehung bzw. Frauen in die Erwerbstätigkeit einbezieht, aber das Kapitalverhältnis unangetastet lässt.
Im Anschluss hieran setzte sich der Kölner Journalist und Autor Thomas Gesterkamp mit der »Krise der Kerle« im Kontext der Hartzgesetze auseinander und entwickelte die Prognose, die Erwerbslosigkeit könnte zu einem überwiegend männlichen Problem werden (v.a. für alte, migrantische und randständige Männer). Erwerbslose Männer erlebten nunmehr, da ihr Einkommen nicht mehr für die Familie reiche, soziale Situationen der Unsicherheit, die Frauen bereits seit langem vertraut seien.
Politisches Highlight der Tagung war das Plädoyer des Bremer Arbeitswissenschaftlers Helmut Spitzley für die 32-Stunden-Woche, allerdings ohne vollen Lohnausgleich. Kindererziehung sei jenseits des Lohns als gesellschaftliche Aufgabe zu fassen und zu finanzieren. Mit sichtlicher Enttäuschung vermerkte er, dass der Offene Brief »Väter gegen länger« (gegen Arbeitszeitverlängerung, vgl. SoZ 10/04) zwar viele prominente Unterschriften, aber wenig Resonanz gefunden habe.
Anneli Rüling und Karsten Kassner vom Forschungsprojekt »Geschlechterdemokratie in der Erwerbs- und Familienarbeit« erörterten abschließend die strukturellen Gründe für die faktische Kontinuität geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung trotz nachweisbaren Wandels der Einstellungen hierzu, wobei sie den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen die Hauptverantwortung hierfür zusprechen und nicht die Individuen beschuldigen.
Dem Einwurf, es bedürfe zu diesem Zweck einer außerparlamentarischen männer-, frauen- und geschlechterpolitischen Bewegung im Schulterschluss mit den sozialen Bewegungen, erwiderte die Referentin, eines ihrer Ergebnisse sei eben, dass es eine solche private und nicht explizit politische Bewegung jenseits der Bewegung gebe. Die Frage sei: Wie komme ich an diese Leute heran? Leider fand der Vorschlag, sich auf dem Ersten Sozialforum in Deutschland im Juli 2005 zum Thema Männerpolitik einzubringen, einstweilen kein ausreichendes Echo.

Klaus Drechsel

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