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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar 2005, Seite 22

Kolumne Thies Gleiss

Unabhängigkeit Innen und Außen

Wir haben fast ein Jubiläum vergessen. Im Oktober 1974 gaben der Generalsekretär der »Kommunistischen Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten«, Ernst Aust, und der Generalsekretär der »Marxistisch-Leninistischen Partei der Niederlande«, Chris Petersen, eine gemeinsame Erklärung ab: »Beide Parteien erklären, dass sie unablässig die Zerstörung der kapitalistischen Gesellschaftsform anstreben und sich dabei gegenseitig unterstützen werden. Diese Unterstützung soll ein Schritt auf den Weg zum weiteren Wachsen der internationalen Verbundenheit aller Marxisten-Leninisten und ihrer Parteien in der ganzen Welt bilden.«
Was hätte aus diesem Bündnis werden können. Doch wie wir wissen, kam es ganz anders. Die KPD/ML fiel dreizehn Jahre später komplett in Feindeshand und vereinigte sich nach einer turbulenten Schlussphase der Parteigeschichte, die in solch grandiosen Beschlüssen mündete wie z.B., dass die Werkzeuge im Parteiemblem, Hammer, Sichel und Gewehr, in »keinem logischen Verhältnis zueinander« stünden, ausgerechnet mit den Trotzkisten der Gruppe Internationale Marxisten.
Jetzt hat sich herausgestellt, dass der damalige Partner, Chris Petersen, eigentlich Pieter Boevé heißt und Mathematiklehrer sowie Mitarbeiter des niederländischen Geheimdienstes BVD war. Er wurde 1955 für den Geheimdienst rekrutiert und erhielt Ende der 60er Jahre den Auftrag, eine maoistische Sekte, die MLPN, zu gründen, um die offizielle KP der Niederlande zu destabilisieren und um die sich organisierende »Neue Linke« zu verwirren und Einblick in das Treiben der Maoisten zu erhalten.
In den jetzt veröffentlichten Memoiren des Geheimdienstoffiziers Frits Hoekstra wird diese Geschichte im Detail wiedergegeben. Die Operation erhielt den Namen »Projekt Mongol« und wurde an die Freunde vom amerikanischen Dienst CIA mittels Kopien weiter geleitet. Bei der CIA hieß die Sache »Operation Roter Hering«. Die Fischköppe aus Holland schufen eine Partei, die ein reines Täuschungsmanöver war und innerhalb der maoistischen Szene so erfolgreich war, dass sie offiziell von Peking anerkannt und finanziell aufgepäppelt wurde. Die Heiligsprechung durch die VR China war in damaliger Zeit die höchste anzustrebende Weihe unter den diversen ML-Sekten Europas.
Das zentrale Funktionärswesen der MLPN soll aus Spitzeln bestanden haben und die Mitglieder, die glaubten, sie würden sich einer echten kommunistischen Partei anschließen, ahnten offensichtlich nichts. Auch die großen Brüder in Peking und im Albanien von Enver Hoxha waren sehr zufrieden mit dem Generalsekretär, luden ihn häufiger als alle anderen Führer der maoistischen Kleinparteien Europas zu sich ein, sodass als Nebeneffekt auch chinesische Interna an die westlichen Geheimdienste bekannt wurden.
Man kann sicher davon ausgehen, dass die Geschichte so stimmt. Und wenn nicht, so ist es die bedauernswerte Eigenschaft aller maoistischen Sekten gewesen, dass es genauso sein könnte. Ihr groteskes Sektenleben und religiöse Parteiideologie ist bis in heutige Zeiten bei den verbliebenen Gruppen so wirr und wirklichkeitsfremd, dass sie alle einschließlich der KPD/ML, MLPD und wie die anderen Sekten auch in Deutschland hießen oder noch heißen, gut und gerne auch Kreationen im Rahmen der Destabilisierungsbemühungen der Geheimdienste sein könnten. Der Wunsch der Sektierer, eine ausgesprochene Unberührbarkeit und äußere Unabhängigkeit zu erzielen, schlägt auf diese Weise in das genaue Gegenteil um. Die Dialektik lässt auch ihre spinnerten Schüler im Banne des Maoismus nicht in Ruhe.
Dass es auch Probleme mit innerer Unabhängigkeit geben kann, hat zur gleichen Zeit ein anderer Sektenpriester offenbart. Der CDU- »Sozialexperte« Hermann-Josef Arentz musste jetzt auf diverse seiner politischen Ämter verzichten, weil bekannt wurde, dass er jahrelang ein Gehalt des Energiekonzerns RWE bezog. 60000 Euro Jahresgehalt plus ein »Deputat in Form von 7500 Kilowattstunden kostenlosen Stroms« erhielt der Mann für Nichtstun. Er erschien schlicht nicht an seinem Arbeitsplatz. Die Begründung von Hermann-Josef ist frappierend: Als Abgeordneter benötige er eine hohe »innere Unabhängigkeit«, die nur bei entsprechender finanzieller Ausstattung möglich sei. Und sein Landtagsmandat reichte dabei nicht aus. Wir schlagen für die Operationen des Herrn Arentz den Namen »Toter Hering« vor.

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