SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2005, Seite 4

Das andere Davos

Die Keule der Repression

von ALESSANDRO PELIZZARI, Schweiz

»Das andere Davos«, der jährliche Gegenkongress zum Weltwirtschaftsforum ist dieses Jahr erstmals verboten worden. Das ist eine historisch neue Qualität.
Die Geschichte des Weltsozialforums ist eng verbunden mit den jährlichen Schweizer Mobilisierungen gegen den Weltwirtschaftsgipfel (WEF). Erstmals hatten sich 1999 eine Handvoll Protestierende vor dem Kongresszentrum in Davos eingefunden — mit dabei Leute aus Chiapas, weil der mexikanische Staatspräsident zugegen war. Parallel dazu hatte Attac die Initiative zu einem Gegenkongress (»Das andere Davos«) ergriffen — auf einer Plattform, auf der weltweit soziale Bewegungen, Frauenorganisationen, Basisgewerkschaften usw. eingeladen wurden. Daraus ist dann die Idee eines Weltsozialforums entstanden, das zwei Jahre später erstmals in Porto Alegre statt gefunden hat. Dies ist der symbolische Hintergrund: Die jährliche Mobilisierung ist der konzentrierteste Ausdruck des Kampfs gegen den Neoliberalismus — zumindest in der Schweiz, aber mit starker internationaler Ausstrahlung.
Von Beginn an waren die Mobilisierungen allerdings nicht einfach, von Beginn an waren wir aus denselben Gründen mit massiver Polizeirepression konfrontiert, insbesondere als es darum ging, in Davos selbst zu demonstrieren. Die Geschichte dieser Mobilisierungen erwies sich als jährlich zunehmende Polizei- und Militärpräsenz mit entsprechenden Siegesmeldungen der Regierung, die regelmäßig dafür gesorgt hat, dass wir gar nicht bis Davos selbst, sondern nur in einen Vorort gekommen sind, um dort eingekesselt, zusammengeschlagen und mit Tränengas besprüht zu werden.
Der diesjährige Versuch der Bewegung, bewusst auf diese Art Guerrilla zu verzichten und unter Einbeziehung der Gewerkschaften und anderer Kräfte eine breitere Mobilisierung inklusive einer Großdemonstration in Bern anzustreben, die auch Ausdruck der momentan in der Schweiz herrschenden sozialen Unzufriedenheit und Wut werden sollte, ist jedoch gescheitert. Wir es nicht geschafft, das Bündnis tatsächlich zu verbreitern; die Gewerkschaften und die institutionellen linken Kräfte haben sich dem Protest nicht angeschlossen und sich in der Demovorbereitung auch nicht solidarisch gezeigt.
Das hat nun der Berner »rot- grünen« Stadtregierung die Vorlage für ihre repressive Antwort geliefert, die so nicht erwartet worden ist. Nach dem anfänglichen Verbot, wollte »Rot-Grün« schließlich nur eine Kundgebung in Bern zulassen — was jedoch die totale Bewegungsunfreiheit bedeutet hätte. Das Vorbereitungsbündnis hat daraufhin die Demonstration abgesagt und statt dessen eine Reihe kreativer Aktionen friedlichen zivilen Ungehorsams gegen das Demoverbot und für die ursprünglichen Forderungen beschlossen.
Zugleich wurde allerdings — angeblich aus Sicherheitsgründen — auch der Gegenkongress verboten. Das hat die politische Stimmung schließlich doch noch zum Kippen und die Gewerkschaften auf die Barrikaden gebracht. Die Stadtregierung hat offensichtlich die breite Trägerschaft des »anderen Davos« übersehen. Wenn auch in anderen Räumen, so findet der Gegenkongress nun doch statt.
Diese Vorgänge zeigen uns, dass das politische Klima in der Schweiz schärfer wird und wie tief sich gerade die Gewerkschaften auf einen Diskurs eingelassen haben, der die Globalisierungsgegner in die Schublade der Gewaltbereiten steckt.

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