SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2005, Seite 21

USA/Spanien 2003, Regie: Oliver Stone

Comandante

Oliver Stone, der Macher von Platoon und JFK hat eine Film über bzw. mit Fidel Castro gemacht. Er führte ein 30-stündiges Gespräch mit dem Staatschef von Kuba, aus dem er einen 99 Minuten langen Dokumentarfilm gemacht hat. 99 Minuten Gespräch, wobei überwiegend Castro im Bild ist. Ab und zu setzt Stone sich auch selber ins Bild. Die Kameraführung ist sehr unruhig. Entweder Castro oder die Kamera oder beide sind in Bewegung. Man sieht von Castro mal die Augenbrauen oder die Hände oder irgend etwas anderes.
Das Problem des Films ist, dass man eigentlich gar nicht weiß, was das alles soll. Warum fragt Stone Castro, ob er schon jemals beim Psychiater war? Weil ein Hollywoodstar sich ein Leben ohne nicht vorstellen kann? Stone kommt jedenfalls aus dem Staunen nicht raus, als er von Castro erfährt, dass dieser noch nie einen aufgesucht hat. Des weiteren die Frage nach Castros Verhältnis zu Frauen, wo Castro trotz Stones Insistieren auf Diskretion besteht. Fast hat man den Eindruck, man wohnt einer Yellow-Press-Reportage bei. Findet man so den Menschen hinter dem Revolutionär?
Wenn das Gespräch ausnahmsweise mal politisch wird, wird Stone recht schnell von Castro abgefertigt. Er erklärt Stone in ein paar Sätzen seine Theorie vom Mord an Kennedy, wofür Stone einen ganzen Film brauchte. Auch die Frage, warum es in Kuba keine Wahlen gibt, kontert Castro souverän damit, dass es in Kuba sehr wohl Wahlen gibt, die liefen nur anders — laut Castro demokratischer — ab als bspw. in den USA. Hier hätte es jetzt eine interessante Diskussion über unterschiedliche Verständnisse von Demokratie geben können, die bleibt aber aus und der Film wieder einmal an der Oberfläche. Andere Fragen, wie die nach politischen Prozessen, die es in Kuba jüngst gab, werden gar nicht erst gestellt. Das ist zwar verständlich, da Stone den zahlreichen Castro-Hassern in den USA nicht noch mehr Munition liefern will, es zeigt aber, dass Stone die Kunst der kritischen Solidarität nicht beherrscht.
In das Gespräch sind immer wieder historische Aufnahmen aus der Zeit der kubanischen Revolution geschnitten. Die sind aber so kurz, dass sie kaum aussagekräftig sind. Ein weiteres Faible von Stone scheint Evita Peron zu sein, von der auch immer wieder historische Aufnahmen zu sehen sind. Der Bezug zu Castro wird zwar nicht klar, der lediglich eine politische Einschätzung des Peronismus verlauten lässt, aber für Stone ist es Anlass genug, Teile des Films mit der unsäglichen Schnulze »Don‘t cry for me, Argentina« zu unterlegen.
Das einzige, was im Film rüberkommt, ist, dass Castro in Kuba immer noch sehr populär ist. Die Herzlichkeit und Begeisterung der Leute, wenn sie Castro begegnen, wirkt echt. Castros Ungezwungenheit im Umgang mit der Bevölkerung auch. Auf Sicherheit und Abschirmung scheint er im Gegensatz zu westlichen Staatsmännern und -frauen mit ihren martialisch geschützten »roten Zonen« keinen Wert zu legen.
In den USA fand der Film keinen Verleih, was sicher dem reaktionären Klima in den USA unter der Regierung von Bush jr. geschuldet ist. Des weiteren drückt sich darin traditioneller Antikommunismus und der Einfluss der exilkubanischen Anti-Castro- Lobby aus. In Europa wird der Film ungekürzt gezeigt. Er zeigt, dass ein von der Zensur verfolgter Film nicht unbedingt gut und aufklärerisch sein muss. Vielleicht erzählt der Film ja tatsächlich mehr über die Obsessionen des Oliver Stone als über den Revolutionär und Staatsmann Fidel Castro, wie in Teilen des bürgerlichen Feuilletons vermutet wurde. Stones Vorliebe für »große Männer«, die auch in seinem neuesten Film »Alexander« wieder zum Ausdruck kommt, scheint auch sein Antrieb für das Interview mit Castro zu sein. Stone interessiert sich für Personen, nicht für Bewegungen, soziale Veränderungen und Emanzipation. Das macht den Film so belanglos. Schade, denn Castro hätte ein wesentlich gehaltvolleres Porträt verdient.

Andreas Bodden

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