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Oliver Stone, der Macher von Platoon und JFK hat eine Film über bzw. mit
Fidel Castro gemacht. Er führte ein 30-stündiges Gespräch mit dem Staatschef von Kuba, aus
dem er einen 99 Minuten langen Dokumentarfilm gemacht hat. 99 Minuten Gespräch, wobei überwiegend
Castro im Bild ist. Ab und zu setzt Stone sich auch selber ins Bild. Die Kameraführung ist sehr
unruhig. Entweder Castro oder die Kamera oder beide sind in Bewegung. Man sieht von Castro mal die
Augenbrauen oder die Hände oder irgend etwas anderes.
Das Problem des Films ist, dass man eigentlich
gar nicht weiß, was das alles soll. Warum fragt Stone Castro, ob er schon jemals beim Psychiater war?
Weil ein Hollywoodstar sich ein Leben ohne nicht vorstellen kann? Stone kommt jedenfalls aus dem Staunen
nicht raus, als er von Castro erfährt, dass dieser noch nie einen aufgesucht hat. Des weiteren die
Frage nach Castros Verhältnis zu Frauen, wo Castro trotz Stones Insistieren auf Diskretion besteht.
Fast hat man den Eindruck, man wohnt einer Yellow-Press-Reportage bei. Findet man so den Menschen hinter
dem Revolutionär?
Wenn das Gespräch ausnahmsweise mal
politisch wird, wird Stone recht schnell von Castro abgefertigt. Er erklärt Stone in ein paar
Sätzen seine Theorie vom Mord an Kennedy, wofür Stone einen ganzen Film brauchte. Auch die Frage,
warum es in Kuba keine Wahlen gibt, kontert Castro souverän damit, dass es in Kuba sehr wohl Wahlen
gibt, die liefen nur anders laut Castro demokratischer ab als bspw. in den USA. Hier
hätte es jetzt eine interessante Diskussion über unterschiedliche Verständnisse von
Demokratie geben können, die bleibt aber aus und der Film wieder einmal an der Oberfläche. Andere
Fragen, wie die nach politischen Prozessen, die es in Kuba jüngst gab, werden gar nicht erst gestellt.
Das ist zwar verständlich, da Stone den zahlreichen Castro-Hassern in den USA nicht noch mehr Munition
liefern will, es zeigt aber, dass Stone die Kunst der kritischen Solidarität nicht beherrscht.
In das Gespräch sind immer wieder
historische Aufnahmen aus der Zeit der kubanischen Revolution geschnitten. Die sind aber so kurz, dass sie
kaum aussagekräftig sind. Ein weiteres Faible von Stone scheint Evita Peron zu sein, von der auch
immer wieder historische Aufnahmen zu sehen sind. Der Bezug zu Castro wird zwar nicht klar, der lediglich
eine politische Einschätzung des Peronismus verlauten lässt, aber für Stone ist es Anlass
genug, Teile des Films mit der unsäglichen Schnulze »Dont cry for me, Argentina« zu
unterlegen.
Das einzige, was im Film rüberkommt, ist,
dass Castro in Kuba immer noch sehr populär ist. Die Herzlichkeit und Begeisterung der Leute, wenn sie
Castro begegnen, wirkt echt. Castros Ungezwungenheit im Umgang mit der Bevölkerung auch. Auf
Sicherheit und Abschirmung scheint er im Gegensatz zu westlichen Staatsmännern und -frauen mit ihren
martialisch geschützten »roten Zonen« keinen Wert zu legen.
In den USA fand der Film keinen Verleih, was
sicher dem reaktionären Klima in den USA unter der Regierung von Bush jr. geschuldet ist. Des weiteren
drückt sich darin traditioneller Antikommunismus und der Einfluss der exilkubanischen Anti-Castro-
Lobby aus. In Europa wird der Film ungekürzt gezeigt. Er zeigt, dass ein von der Zensur verfolgter
Film nicht unbedingt gut und aufklärerisch sein muss. Vielleicht erzählt der Film ja
tatsächlich mehr über die Obsessionen des Oliver Stone als über den Revolutionär und
Staatsmann Fidel Castro, wie in Teilen des bürgerlichen Feuilletons vermutet wurde. Stones Vorliebe
für »große Männer«, die auch in seinem neuesten Film »Alexander« wieder
zum Ausdruck kommt, scheint auch sein Antrieb für das Interview mit Castro zu sein. Stone interessiert
sich für Personen, nicht für Bewegungen, soziale Veränderungen und Emanzipation. Das macht
den Film so belanglos. Schade, denn Castro hätte ein wesentlich gehaltvolleres Porträt verdient.
Andreas Bodden
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