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Die bürgerliche Presse sonnt sich nach dem schwierigen Tag in Dresden im
Gefühl, gegenüber den Nazis die »Macht der Bilder« behauptet zu haben. Um die Welt ging vor
allem das Bild von mehreren zehntausend Menschen, die sich am 13.Februar um 10 Uhr nachts, der Uhrzeit zu der
die Bombardierung der Stadt vor 60 Jahren begann, auf dem Theaterplatz vor der Semperoper mit Kerzen
versammelten.
Der Konsens der politischen Eliten zum 60.Jahrestag lautet: Wir feiern mit den Alliierten den Sieg
über Nazi-Deutschland, weil wir mit diesem Deutschland nichts (mehr) zu tun haben. Alle im Bundestag
vertretenen Parteien betonen, über das Gedenken an die Opfer der Bombennacht dürfe nicht vergessen
werden, dass der Krieg von Deutschland ausgegangen sei, bevor er in Deutschland ankam. Das Trauern um die Toten
von Dresden schließe das Trauern um die Toten von Auschwitz ein.
Das war auch der Tenor des Protestmarschs
»GehDenken« am Sonntag nachmittag, zu dem Gewerkschaften, Parteien, Stadtverwaltung und Kirchen
aufgerufen hatten und dem 800010.000 Menschen gefolgt sein sollen. Beim Gedenken am Abend im Kerzenschein
waren Transparente ausdrücklich nicht zugelassen, über die Trauer kam man da nicht hinaus.
Ein Ansatz, Naziaufmärsche zu verhindern, ist
das nicht. Wie gewohnt hat die Stadt auch an diesem Tag das Demonstrationsrecht für Nazis verteidigt. Ihre
Demo konnte ungestört verlaufen, etwa 5000 Nazis wurden von 4000 Polizisten geschützt. Eine kleine,
ausschließlich auf friedlichen Protest orientierte Gruppe von Antifaschisten wollte das nicht hinnehmen
und hatte bei der Polizei angemeldet, in einem gewissen Abstand hinter der Nazi-Demo her laufen zu wollen
mit eigenen Transparenten und Flugblättern.
Diese Gruppe stützte sich auf die Erfahrungen
aus den Montagsdemonstrationen. Da war dem Aktionsbündnis gegen Sozialraub und den Euromärschen, die
die Montagsdemos angemeldet hatten, verwehrt worden, Nazis, die sich jeden Montag an das Ende der
Demonstrationen anhängten, an der Teilnahme zu hindern. Die Stadtverwaltung drohte damit, die
Demonstrationen vollständig zu untersagen, wenn den Nazis ihr »Demonstrationsrecht« verweigert
würde.
Diese Argumentation, meinten die Antifas,
müsste auch umgekehrt gelten, wenn sie denn Bestand haben sollte. Da hatten sie sich geirrt. Die Polizei
verhielt sich ihrem Ansinnen gegenüber zunächst reserviert und setzte durch, dass sie ihre
Transparentstöcke entfernten. Später kam der Polizeichef und verkündete, die Veranstalter (also
die Nazis) hätten was dagegen, dass Linke hinter ihnen laufen. Darauf folgte für die Antifas, die
sich die ganze Zeit ausschließlich friedlich verhalten hatten, ein Platzverweis, der sich fast auf die
gesamte Innenstadt erstreckte, und zwar für den Zeitraum von 11 bis 24 Uhr, sodass die Antifas auch abends
an der Gedenkveranstaltung nicht mehr teilnehmen konnten.
In der nachgelieferten schriftlichen
Begründung behauptete die Polizei: »Durch Ihr Handeln störten Sie in erheblichem Maße die
Durchführung der von der Landeshauptstadt Dresden genehmigten Veranstaltungen sowie das in diesem
Zusammenhang Tätigwerden der beauftragten Sicherheits- und Ordnungskräfte … Ein besonders
hohes Maß an Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit für die Gedenkveranstaltungen ergibt
sich daraus, dass deren Charakter des stillen Gedenkens bereits durch verbale Auseinandersetzungen empfindlich
gestört würde. Die von Ihnen ausgehende Störung ist der Würde des hohen Gedenktags
abträglich und wird von der Bevölkerung Dresdens als eine unverträgliche Beeinträchtigung
des an diesem Tag besonders intensiven und schmerzlichen Gedenkens an die Zerstörung ihrer Stadt empfunden
werden. Der Stellenwert des hohen Gedenktags gebietet einen umfassenden Schutz der von der Landeshauptstadt
Dresden genehmigten Aufzüge und Gedenkveranstaltungen.«
Die Nazis konnten auf ihrer Kundgebung
ungestört amerikanische Bomberpiloten mit SS-Aufsehern in Konzentrationslagern vergleichen. Der NPD-
Abgeordnete Holger Apfel hielt fast genau dieselbe Rede, die am 21.Januar 2004 für den Eklat im
sächsischen Landtag gesorgt hatte. Das war für die Landeshauptstadt »schutzwürdig«.
Angela Klein
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