SoZSozialistische Zeitung |
Die derzeit in Berlin zu besichtigende RAF-Ausstellung »Zur Vorstellung
des Terrors«, zusammengestellt von Klaus Biesenbach, Ellen Blumenstein und Felix Ensslin, hat im
Vorfeld zu heftigen Auseinandersetzungen und zahlreichen Versuchen von konservativer Seite geführt,
die Ausstellung zu verhindern. Angeblich würden hier Opfer und Täter auf eine Stufe gestellt und
die RAF legitimiert. Dem Projekt wurden die öffentlichen Fördermitteln entzogen. Es musste
deshalb um ein Jahr verschoben werden und sich durch eine Auktion finanzieren.
Betrachtet man die Ausstellung, versteht man
die Attacken. Denn die Ausstellung zerfällt in zwei Teile. Zum einen muss man ein paar Treppen
hinunter steigen, er liegt damit etwas abseits: er betrifft die Dokumentation. Drei lange Wände sind
mit Zeitungsseiten von Bild, FAZ, Süddeutsche Zeitung, Stern, Bunte, Spiegel u.a. tapeziert, begleitet
von damaligen Fernsehberichten, darunter auch Aktuelle Kamera und Schwarzer Kanal.
Diese Wände lassen auf beklemmende Weise
das damalige Klima noch einmal lebendig werden und machen auch im Abstand von 30 Jahren noch deutlich, auf
welchem Nährboden die RAF gedeihen konnte: das autoritäre Spießertum der
Wirtschaftswunderjahre, die Tabuisierung der Auseinandersetzung mit der Nazizeit in allen
gesellschaftlichen Bereichen, die Erfahrung repressiver Strukturen in Familie, Hochschule, Fürsorge,
Psychiatrie, Strafrecht alles Bereiche, die später Gegenstand der sozialliberalen Reformen
wurden.
Im Keller erfährt man: Die RAF ist nicht
denkbar ohne ihren Widerpart Hanns-Martin Schleyer, Nazi und SS-Mitglied, der hier für den Umgang der
BRD mit der Nazi-Vergangenheit schlechthin steht. Diese Dokumentation, obgleich sie ausschließlich aus
bürgerlichen Quellen schöpft, ist eine geballte Anklage auch gegen die herrschenden
Verhältnisse in der BRD. Sie rückt die RAF in ihren Kontext.
Leider kann man das über den Rest der
Ausstellung nur bedingt sagen. In den oberen Etagen kommen Künstler zu Wort, von denen nur noch wenige
diesen Zusammenhang herstellen. Stattdessen werden Details aus dem Leben der RAF beleuchtet: die
Ausstattung einer konspirativen Wohnung, die Viertel, in denen sie gelegen waren, die Bemerkungen der
Nachbarn, die Musik, die in den Jahren »in« war, die Todesnacht in den Zellen in Stammheim,
u.ä.m. Nett, aber banal. Wenige Ausstellungsstücke fallen hier aus dem Rahmen wie die von
Katharina Sieverding, Gerhard Richter, Hans Feldmann oder Lutz Dammbeck.
Auch die Darstellung der Opfer
ausgiebig Schleyer in verschiedenen Videos konzentriert sich auf den Moment der Entführung und
»vergisst« den Rest ihrer Biografie. Je höher man in den Stockwerken kommt, desto
unpolitischer wird es. Am Schluss, in luftiger Höhe, triumphiert das »abstrakte Denken«, die
Darstellung der »Gewalt an sich«: ein Film über Flugzeugentführungen von Mogadischu bis
zum 11.9. Die RAF als Vorläuferin von Al Qaeda, der Krieg gegen den Terror als allgegenwärtige
Konstante der jüngsten Geschichte.
Über die RAF und die von ihr
ausgeübte Gewalt erklärt dieser Teil der Ausstellung wenig. Er sagt mehr über die
Entpolitisierung der Auseinandersetzung mit ihr. Ein wenig entschuldigen sich die Kuratoren für dieses
Herangehen: »In der Regel wurde die Geschichte der RAF über Massenmedien erfahren. Die
Ausstellung richtet ihren Blick auf diese Erfahrungen«, schreiben sie in der Einleitung zum
Ausstellungskatalog.
Doch weder das Medium Presse noch das Medium
Kunst und ihre Art der Darstellung werden kritisch reflektiert. Stattdessen arbeitet sich manches an der
medialen Selbstdarstellung der RAF ab, und kommt dabei über das »Spiel mit den Medien« nicht
hinaus. Die Entfernung des Zeichens von seiner Bedeutung will ein Markenzeichen der Ausstellung sein.
Größter Stein des Anstoßes war
für die bürgerliche Öffentlichkeit der Raum Die Toten. Er zeigt 92 Fotografien von Menschen,
die zwischen 1967 und 1993 »im Zusammenhang mit dem bundesdeutschen Terrorismus« ihr Leben
gelassen haben. Es ist einer der wenigen Orte, die zu einer qualifizierten kritischen Auseinandersetzung
mit der RAF-Strategie einladen.
Angela Klein
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04