SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2005, Seite 1

Es geht auch anders

Dem Nachbarland Frankreich geht es nicht anders als uns. Im letzten Jahr versprach Premierminister Jean-Pierre Raffarin, die Erwerbslosenquote im Jahr 2005 auf 9% zurückzufahren; Ende Januar stieg sie auf 10% und steigt weiter. Für dieses Jahr rechnete er mit einem Wirtschaftswachstum von 2,5%, die Vorhersagen wurden aber jetzt schon auf 1,9% heruntergesetzt. Dafür steigen auf beiden Seiten des Rheins die Gewinne der Konzerne auf obszöne Weise. Die an der Börse notierten Unternehmen legten im Durchschnitt 10% zu, die Großbank Crédit Agricole belegt dabei den ersten Platz mit einem Plus von 93,2%. Die Unternehmer aber wollen Personal abbauen — Deutschland dient dabei als Vorbild. Die Arbeitszeit soll verlängert werden. Löhne und Gehälter sollen die Inflation nicht mehr ausgleichen — nicht im öffentlichen Dienst und nicht in der Privatindustrie.
So kumulieren sich die Themen und Forderungen. Alle Gewerkschaften haben am 10.März zum nationalen Streik- und Aktionstag aufgerufen. Ganz Frankreich war auf den Beinen: vorneweg Schülerinnen, Schüler und Studierende, Lehrer und Dozentinnen, Verwaltungsbeamte, und natürlich die kampfstarken Sektoren Post, Bahn, Metro, Telekom. Anders als im Winter 1995 waren diesmal auch geschlossen die Beschäftigten der Privatindustrie dabei. Im öffentlichen Dienst und in der Automobilindustrie gab es Streiks. Vor allem junge Arbeiter und Angestellte protestieren gegen die zunehmende Flexibilisierung der Arbeit; sie bekommen Unterstützung von den Auszubildenden, die sich gegen die Privatisierung der Bildung wehren. An den Demonstrationen in 150 Städten nahmen über eine Million Menschen teil.
Solche Mobilisierungen beweisen nicht nur, dass eine neue Generation dabei ist, in den sozialen Kampf einzutreten. Sie zeigen auch, dass der Arm der Mächtigen nur so weit reicht, wie die Lohnabhängigen es zulassen. Es ist nicht so schwierig, die Herren das Fürchten zu lehren, man muss nur den Mut dazu haben und zusammenstehen. Auch die Franzosen müssen ihn aufbringen, und ihre Gewerkschaften haben einen Organisationsgrad von gerade einmal 8%. Sie haben aber auch Bürgerstolz und Zivilcourage. Bei uns hingegen herrschen immer noch Kleinmut und Untertänigkeit, wo Trotz und Kampf angesagt wären.

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang