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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2005, Seite 4

Mein Gott Walter

Kommentar von Thies Gleiss

Wir Verantwortlichen dieser Kolumne, wir vom Deng-Xiaoping-Institut für Widerspruchsforschung, werden immer heftiger gedrängt, endlich mal wieder den Propheten der Linken eins auszuwischen. Oder auch zwei. Aber solange sich das Niveau der linken Spitzenleute nicht merklich über das erhebt, was der angebliche Führer der neuen Linkspartei in Deutschland, Klaus Ernst, in seinem offenen Brief gegen die Sozialisten in seiner so gern als »Sozialstaatspartei« festgeschrieben gesehenen »Wahlalternative« — wenn linke Politik im Mechanismus einer Alt- Taste des Computers verharrt, kommen solch tautologische Wörter zur Welt — erklimmt, solange setzen wir unseren Boykott fort. Damit ihr es wisst!
Wir beschäftigen uns viel lieber mit dem nach dem Abgang von Michael Rogowski neu in unsere erste Liga aufgestiegenen »Chefideologen« der Deutschen Bank, Norbert Walter. Wir haben schon letzten Monat bekannt gegeben, dass er sich eigens auf seinen Rosinante gesetzt hat, um den aktuellen Sozialismus in Westdeutschland zu bekämpfen. Der weiß als Mitglied im Zentralkomitee (sic!) der deutschen Katholiken, dass »wenn die geistige Armut um sich greift, erzeugt das schlussendlich auch materielle Not«.
Deshalb ruft er als ZK-Mitglied auch gern nach dem Staat: »Wenn jemand eine Leistung im Sinne des Marktes nicht erbringen kann, verwirkt er damit nicht sein Recht auf menschenwürdiges Leben. Aber hier ist nicht nur der Betrieb in der Verantwortung, sondern auch Familie und Staat.« Vor kurzem hat Walter das deutsche Dorf mit der wohl schönsten Sau aufgeschreckt: Es solle eine Nettoarbeitszeit eingeführt und von den Unternehmern nur noch bezahlt werden, Zigaretten- und Pinkelpausen müssen davon abgezogen werden. Time out!
All diese Dinge sind — mit ein bisschen Suche — auf der eigenen Homepage »Walters Web Winkel« (www, so originell sind Chefbanker) zu finden. Es gibt dort auch das Bekenntnis zur »optimalen Führungsgröße«, nämlich elf Leute. Dabei hat sich der Norbert natürlich nicht am Elferrat, sondern — welch Zufall- am elfköpfigen Executive Committee der Deutschen Bank orientiert. Seine Begründung könnte aber auch für das Gegenteil sprechen: »Jesus hatte 12 Jünger — und davon war einer schon zu viel.«
Der Chefideologe des Finanzkapitals hält nicht viel von den Deutschen: »Für die Deutschen, die im Brutkasten des Sozialstaats sozialisiert wurden, wird es eine Weile dauern, bis sie sich an das neue Klima gewöhnt haben.« Zu dem neuen Klima kommen wir gleich, zuvor wollen wir das waltersche Gejammer nicht verschweigen: »Wir haben zu viele Quack-Talkshows, zu viele Dröhndiskos und zu viele Wohnzimmer, in denen sich alle vom Fernsehen berieseln lassen.« Diese Kritik hält den katholischen Quacksalber nicht davon ab, nicht nur mehrmals wöchentlich in irgendeiner Sendung aufzutauchen und loszuplappern, sondern er führt noch eigenartig Buch darüber: »Jedes 14.Mal, wo ein Angestellter der Deutschen Bank in den Medien erwähnt wird, ist es Norbert Walter.« Jedes 14.Mal…
Eines der letzten medialen Großauftritte gewährte Herr Walter einer Magdeburger Zeitung mit dem wunderschönen Namen Volksstimme. Darin wird deutlich, dass es mit dem Ruf nach Menschenwürde durch den Staat nicht weit her ist: »Wir können uns ein Wohngeld, wie wir es haben, nicht mehr leisten. Wir können uns Renten auf dem heutigen Niveau nicht mehr leisten.« »Es geht nicht um mehr Sozialismus, sondern um ein wettbewerbsfähiges System.« Und angesichts der Billiglöhne aus Osteuropa, muss das deutsche Volk lernen, »dass manche von uns — wegen des intensiven Wettbewerbs mit Mittel- und Osteuropa — nicht so viel verdienen werden, wie sie in Deutschland zum Überleben brauchen. Dann kann es sein, dass zwei oder drei Mitglieder einer Familie arbeiten müssen, damit es zum Leben reicht … Wir haben in Deutschland die Vorstellung entwickelt, es sei Pflicht eines Unternehmers, einem Beschäftigten einen Familienlohn zu zahlen. Das geht wirtschaftlich nicht.« Die Lohnpolitik muss verändert werden, aber »sie zu korrigieren, ohne Sozialpolitik zu korrigieren, ist nicht realistisch … Wir müssen den Deutschen zumuten, ihr Sozialleistungsniveau abzusenken oder die Bedingungen, an die der Erhalt dieser Leistungen geknüpft ist, zu verschärfen. Dies kann ein Arbeitsgebot für jemanden sein, der leistungsfähig ist … Wegen der für ein Arbeitsgebot erforderlichen Bürokratie und der Kenntnis der Kosten der Administration bin ich für ein niedrigeres Niveau bei den Sozialleistungen.«
Wie sagte Wirtschaftspsychologe Paul Babiak in seiner Studie über die Beklopptheitsrate unter Spitzenleuten des Kapitals noch? »Unter Managern ist der Anteil von Personen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung besonders hoch.«

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