SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2005, Seite 8

Dem Volke dienen…

Selbstbediener schimpfen auf Selbstbediener

Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind sog. Organe der Selbstverwaltung der Kassenärzte. Ihre Aufgabe ist die Verteilung des Honorarvolumens der gesetzlichen Krankenkassen an die niedergelassenen Kassenärzte — immerhin rund 57 Milliarden Euro jährlich haben sie zu verteilen.
Unter anderem an sich selbst, und das gleich in zweierlei Hinsicht: Die gewählten Vertreter der Kassenärzte dürfen nämlich einerseits ihre Praxis neben ihrer Funktionärstätigkeit weiterführen und befinden andererseits bei letzterer selbst über ihr Gehalt. Und da haben sie im Laufe der Jahre munter zugelangt. Auf rund 250000 Euro jährlich beläuft sich inzwischen ein aus Krankenkassenbeiträgen finanziertes Spitzengehalt in der KBV (Kassenärztliche Bundesvereinigung).
Natürlich war die aktuelle Erhöhung gar nicht so exorbitant, und das Geschrei, das bürgerliche Politiker im Verein mit ihrer Presse derzeit anstimmen, klänge glaubwürdiger, wüsste man nicht, dass es bisher erstens keinerlei Diskussionen über dieses schon vorher verdächtig hohe Gehaltsniveau der Ärztelobbyisten in diesen Selbstverwaltungsorganen gegeben hat und dass zweitens die gleichen Politiker, die sich so erregen, regelmäßig im Bundestag bei den Diäten ebenso schamlos zulangen.
Schröder und Konsorten handeln nach dem Motto: »Haltet den Dieb.« Die einschneidenden Kürzungen der Krankenkassenleistungen im Gefolge der letzten »Gesundheitsreform« wurden den Versicherten mit dem Versprechen einer Beitragssenkung schmackhaft gemacht. Die fand aber bisher nicht statt und nun braucht man einen Schuldigen.
Da kommt der — tatsächlich unverfrorene — Griff der Ärztefunktionäre in die (Kranken-)Kasse gerade recht. Dass bei weiter steigender Arbeitslosigkeit, also sinkenden Einnahmen der Kassen und einem enormen in den letzten Jahren aufgehäuften Schuldenberg eine wesentliche Beitragssenkung ein frommer Wunsch bleiben musste, darauf hatten Krankenkassenfunktionäre (die sich, wie jetzt offenbar geworden aber ebenfalls nicht neu ist, ähnlich großzügig aus den Kassentöpfen bedienen) schon frühzeitig hingewiesen. Den Eindruck erwecken zu wollen, die — unbestrittene — Raffgier der Funktionäre verhindere eine Beitragssenkung, ist ebenso unverschämt wie deren Gehälter.
Die Ärzte wiederum weisen auf die »enorme Verantwortung« hin, die ihre Vertreter bei der Verwaltung dieser riesigen Geldmenge zu tragen hätten. Die könnte man ihnen leicht abnehmen: Im Grunde ist die KBV ebenso wie die regionalen kassenärztlichen Vereinigungen schlicht überflüssig.
In diese Kerbe haut auch der Professor Karl Lauterbach, allerdings ebenfalls nicht gerade aus Liebe zum öffentlich verfassten Gesundheitswesen, denn er hat neben seiner Expertentätigkeit für die Regierung noch einen gut dotierten Job als Mitglied des Aufsichtsrats der privaten Rhön-Kliniken-Kette und macht auch schon mal fürs Taschengeld Werbung für herzschonende Margarine.
Letztendlich sind aber Lichtgestalten wie der ehemalige Vorsitzende des Hausärzteverbandes und neue stellvertretende Vorsitzende der KBV, Ulrich Weigeldt, wahrscheinlich der Meinung, mit ihrer Tätigkeit wieder am Anfang ihrer Laufbahn angekommen zu sein: Eben dieser Weigeldt, der während seines Studiums u.a. durch seine lustigen Ansichten zur anatomischen Präparation auffiel, war, bevor er Papis Praxis in Bremen übernahm, Mitglied der Roten Zellen Kiel ML, einer Studentenorganisation des maoistischen KBW, und möchte wohl in seiner neuen Pfründe nichts anderes tun als in jenen alten Tagen: dem Volke dienen. Nur ist er inzwischen zu der Meinung gelangt, dass dafür ein Facharbeiterlohn nicht angemessen ist. Ein bisschen mehr darf es schon sein. Man lernt ja im Laufe des Lebens dazu.

Ernst A. Kluge

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