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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2005, Seite 9

Richtungsstreit in der WASG

Katholische Züge

Wie jede neue Partei erlebt auch die »neue Linkspartei« ihre Flügelkämpfe. Und wie die Parteienforscher allgemein wissen, gilt auch bei der WASG: Die linken und rechten Flügel, die Tendenzen und Fraktionen sind einerseits am meisten verhasst, andererseits aber auch der dynamischste Teil der Partei. Um den derzeitigen Richtungsstreit in der neuen Partei Arbeit & soziale Gerechtigkeit — Die Wahlalternative (WASG) einschätzen zu können, lohnt sich ein kleiner Rückblick.

Der Zusammenschluss zur WASG aus zwei unabhängig voneinander gegründeten Initiativen im April letzten Jahres hat offensichtlich wesentliche inhaltliche Fragen nicht geklärt:
♦  Ist die Zielgruppe der WASG begrenzt auf linke Gewerkschafter und enttäuschte SPDler und inhaltlich ausgerichtet auf ein Minimalprogramm gegen Sozialabbau und einige weitere Auswüchse des Neoliberalismus?
♦  Oder umfasst sie als Sammelbecken darüber hinaus viele linke Organisationen und Gruppierungen, die sich ihr anschließen wollen und natürlich in ihrer eigenen Programmatik erheblich weitergehende Vorstellungen der Gegenwehr und des Umbaus der Gesellschaft haben?
Während ein kleiner Teil des Bundesvorstands, darunter Klaus Ernst vom geschäftsführenden Vorstand und Brigitte Halbgebauer, Sprecherin des größten Landesverbandes Nordrhein-Westfalen, die erstere Auffassung vertreten, ist sich der Rest des BV und die große Mehrheit der Mitglieder darin einig, dass nur in einem gemeinsamen Projekt aller Kräfte die Partei die nötige Attraktivität gewinnt und bei den kommenden Wahlen in Nordrhein-Westfalen ein Erfolg möglich ist.
Trotzdem hat Klaus Ernst mit einem Offenen Brief den Weg einer Entscheidungsschlacht nach dem Motto »Die oder ich« eingeschlagen. Er und seine wenigen Unterstützer verlangen ultimativ, dass sich die WASG von Kräften, die seiner Meinung nach zu links sind, trennt. Sein Hauptangriffspunkt ist dabei namentlich die Sozialistische Alternative (SAV). Die macht es ihm auf ihre Art leicht, weil sie nicht als Gruppe von konkreten Einzelmitgliedern mit gleicher Meinung, sondern als offensichtlich von außen agierende und sich vorab abstimmende Kollektivmacht in Erscheinung tritt, die sich zusätzlich noch taktische Fehler, missionarisches Auftreten und klimatische Merkwürdigkeiten erlaubt, die auch bei eigentlich Gleichgesinnten immer wieder Kopfschütteln ernten.
Der Anlauf von Klaus Ernst & Co. ist nach drei Wochen faktisch vertagt worden. Nach vielen Protesten aus der Mitgliedschaft und vor allem einem offiziellen Beschluss des Landesvorstands von Nordrhein-Westfalen wurde im Bundesvorstand ein Beschluss gefasst, der offensichtlich vorrangig dazu dienen sollte, das Gesicht zu wahren. Darin sind ab 2006 Doppelmitgliedschaften mit anderen Parteien oder »parteiähnlichen Gruppen« untersagt. Dass der Beschluss nichts taugt, zeigt sich daran, dass Klaus Ernst und vor allem seine Unterstützer in einzelnen Landesverbänden schon wieder munter gegen die angeblich linken Umtriebe in den eigenen Reihen und gegen die SAV intrigieren.
Der Bundesvorstand hat im Laufe dieser Konflikte insgesamt ein sehr schlechtes Bild abgegeben. Er ist Opfer seiner Haltung geworden, die Partei zentralistisch, wenn nicht bürokratisch, und nach vorgefassten Lehrbuchrezepten aufbauen zu wollen. Diese Haltung ist schon in konfliktfreien Zeiten völlig untauglich, eine Bewegungs- und Widerstandspartei aufzubauen. In Zeiten von Konflikten nimmt dies fast katholische Züge an: Der Vorstand beschäftigt sich über Wochen mit sich selbst und vergräbt sich in Klausuren. Die Aufbruchstimmung, der Wille, jetzt und sofort etwas machen zu wollen und der Sog auf neue Mitglieder wird damit systematisch wegorganisiert.
Entsprechend aufgebracht ist die Mitgliederbasis der WASG. Insbesondere in dem sich unter äußerster Zeitnot auf die Landtagswahlen vorbereitenden Landesverband Nordrhein-Westfalen ist die Stimmung am Kochen, wenn für die simple Anerkennung von Neueintritten drei Wochen benötigt werden, bevor »die Zentrale« sich abgesichert hat, dass auch keine zu linken Kräfte eintreten. Oder wenn für die Absegnung eines Parteilogos gar keine Entscheidung zu Stande kommt.
Der erstgewählte Landesvorstand in NRW hat am eigenen Leib erfahren müssen, was bei solchen Allüren passieren kann: er wurde von den Mitgliedern abgestraft und neu zusammengesetzt. Auch der Bundesvorstand wird sich beim Bundesparteitag im Mai vorsehen müssen. Er sollte zumindest eine schnelle Kurskorrektur unternehmen und den Aufbauwillen und vor allem die Wahlkämpfer zwischen Rhein und Ruhr nicht länger bremsen, sondern bedingungslos unterstützen.

Thies Gleiss

Thies Gleiss ist Mitglied des Landesvorstands NRW der WASG.



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