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Ein Schwangerschaftsabbruch ist nach §218 StGB (immer noch)
grundsätzlich strafbar. Der strafrechtliche Tatbestand nach §218a ist lediglich nach der
(Pflicht-)Beratungsregel nicht gegeben. Nicht rechtswidrig ist ein Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer
medizinischen oder kriminologischen Indikation. Eine verpflichtende Beratung ist nicht vorgesehen.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts
wurden im Jahre 2003 insgesamt 128030 Schwangerschaftsabbrüche gemeldet. 2004 waren es 129600. Das
bedeutet eine Zunahme um 1,3%. 2044 Abtreibungen wurden 2003 zwischen der 13. und 23.Woche vorgenommen. In
217 der gemeldeten Fälle kam es zu einem Schwangerschaftsabbruch nach der 23.Woche. Sie machen
0,10,2% aller Fälle aus. Bei diesen Zahlen sind zudem die Abbrüche erfasst, die wegen einer
schweren Erkrankung der Mutter oder nach einer Vergewaltigung durchgeführt werden.
Diese »Fälle« nimmt die CDU/CSU
als Ausgangspunkt für eine Gesetzesinitiative, um den §218 StGB zu verschärfen. Ziel ist es
angeblich, die Zahl sog. Spätabtreibungen wegen einer zu erwartenden Behinderung des Kindes zu
verringern. Dazu fordern die Unionsparteien eine umfassende psychosoziale und medizinische Pflichtberatung
der Schwangeren. Damit wird der Eindruck erweckt, bislang würden Spätabtreibungen ohne jegliche
Beratung durchgeführt.
Der Anspruch von Frauen auf ärztliche
Beratung im Verlauf einer Risikoschwangerschaft ist jedoch nach §2 des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes bereits gegeben. Fachärzte können nach Pränataldiagnostik
mit negativem Befund durch den kontinuierlichen persönlichen Kontakt mit der schwangeren Frau auf
ihren Wunsch eine qualifizierte medizinische Indikation ausstellen. Eine Zweitdiagnose ist
gewährleistet durch die Fachärztin, die den Schwangerschaftsabbruch durchführt.
Ob die Voraussetzungen für eine
medizinische Indikation im Zusammenhang mit einer Behinderung des ungeborenen Kindes vorliegen, soll nach
Ansicht der Unionsfraktion ein »interdisziplinär besetztes Kollegium« aus Gynäkologen,
Pädiatern, Psychologen und Humangenetikern entscheiden.
Dass diese von einem
pränataldiagnostischen Befund ausgehend auf die Gefährdung des Gesundheitszustandes der Mutter
schließen können, erscheint fragwürdig. Eine Kommissionsanhörung würde eine nicht
zumutbare Drittbewertung durch ein unbekanntes Gutachtergremium darstellen und widerspricht fachlichen
Standards eines von Vertrauen geprägten qualifizierten Beratungsgesprächs. Das wissen (nicht nur)
Beraterinnen aus langjähriger Beratungspraxis.
Die Gesetzesinitiative der CDU/CSU-Fraktion
dient nicht nur einer strafrechtlichen Verschärfung der Anforderungen an die medizinische Indikation,
sondern auch der Aushebelung des geltenden §218 StGB. Arbeiterwohlfahrt, DRK und Pro familia lehnen
dies in einem gemeinsamen »Eckpunktepapier« grundsätzlich ab.
In dem Antrag der CDU/CSU ist zudem der
Versuch zu sehen, die Probleme, die sich aus der angewandten Pränataldiagnostik in der
Schwangerenvorsorge ergeben, auf die schwangeren Frauen und die Konfliktberaterinnen zu verlagern.
Untersuchungen vor der Geburt abzulehnen ist für viele Schwangere nicht leicht, denn sie werden
seitens der Ärzte inzwischen als Regeluntersuchungen durchgeführt. Auch wenn immer wieder
behauptet wird, die Pränataldiagnostik sei keine Selektion, so ist sie es eben doch, weil sie an den
genetischen Krankheiten so gut wie nichts ändern kann.
Es gibt kein Recht auf ein »gesundes
Kind«, aber dennoch scheint es so, als ob nur ein »gesundes Kind« gut für unsere
Gesellschaft sei. Aber was ist denn ein gesundes Kind? Ist Pränataldiagnostik ein geeignetes
Verfahren, dafür Standards zu liefern? Mit dem umfassenden Angebot vorgeburtlicher Diagnostik
verknüpft sich zunehmend die Vorstellung, Behinderungen seien vermeidbar und daher auch zu vermeiden.
Die wenigsten Behinderungen sind jedoch vorgeburtlich verursacht.
Frauen müssen auch verständlich
darüber informiert werden, dass sie das Recht haben, Nein zu pränataldiagnostischen
Untersuchungen zu sagen. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, Lebensbedingungen zu schaffen, die Menschen
mit Behinderungen und deren Bezugspersonen nicht in ihrer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben behindern.
Davon sind wir (leider) weit entfernt.
Wir sollten alles tun, dass der
öffentliche Druck konservativer Kreise nicht dazu führt, dass der 1992 mühevoll
durchgesetzte Kompromiss, der mit der »Fristenlösung« verabschiedet wurde, nun auch noch
ausgehöhlt wird. Die Forderung nach der ersatzlosen Streichung des §218, für die
Feministinnen und Gewerkschafterinnen in den 70er Jahren massenweise demonstrierten, darf nicht von der
Agenda genommen werden.
Gisela Notz
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