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Entgegen allen bisherigen Absichten ihrer Führung wird die
französische CGT beim Referendum über die EU-Verfassung im Frühsommer nun doch zum Nein
aufrufen.
Im Februar hatte das Comité confédéral national (CCN) das strategische
Beschlüsse fassende »Parlament« des Gewerkschaftsverbands in diesem Sinne
entschieden. 78 Teilnehmende stimmten für ein Nein, 18 für den Verzicht auf eine Empfehlung, 17
enthielten sich. Das ergibt eine 82%ige und damit doch ziemlich klare Mehrheit für ein Nein der CGT
zur EU-Verfassung.
Dieser Beschluss wurde gegen den Willen der
aktuellen CGT-Führung gefaßt, die sich eindeutig dafür ausgesprochen hatte, dass der
Gewerkschaftsverband keine Stimmempfehlung bei der Volksabstimmung über den EU-Verfassungsvertrag
abgeben solle. Generalsekretär Bernard Thibault wollte eine »nuancierte Stellungnahme«, die
Artikel für Artikel abwägen sollte.
Durch ihre seit 1999 bestehende
Zugehörigkeit zum Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) in Brüssel und ihre seit drei Jahren
vorankommende Annäherung an die französische Sozialdemokratie ist die CGT immer stärker in
den Sog einer Befürwortung des EU-Verfassungsvertrags geraten. Das Näherrücken an die
Sozialdemokratie drückte sich unter anderem darin aus, dass die SP im Wahlkampf zu den letzten
Präsidentschaftswahlen 2001/02 der CGT anbot, an der Ausarbeitung der Wahlplattform für den
»sozialistischen« Kandidaten Lionel Jospin teilzunehmen. CGT-Generalsekretär Thibault trat
im Mai 2003 auf dem letzten Parteikongress der französischen »Sozialisten« in Dijon auf,
just zu dem Zeitpunkt, wo die in der Opposition stehende Sozialdemokratie mitten im Konflikt um die
Renten»reform« ein sozial progressives Image brauchte.
Die CGT-Vertreter beim EGB haben dort in den
letzten Monaten recht eindeutig Position zugunsten des EU-Verfassungsvertrags ergriffen. Im Juli 2004
sprach sich der CGT-Vertreter für »ein positives Herangehen« aus, weil der
Verfassungsvertrag erlaube, »die soziale Dimension [der EU] voran zu bringen«.
Nunmehr hat die CGT-Führung eine
Niederlage erlitten, wie einer der profilierten »Reformer« des Gewerkschaftsverbands, Jean-
Christophe Le Duigou, öffentlich einräumt. Le Duigou zählt zur Seilschaft des früheren
französischen KP-Chefökonomen Philippe Herzog, der früher ein Keynesianer mit marxistisch
klingendem Vokabular gewesen war. Heute ist er Gründer und Präsident eines Clubs namens
»Confrontations«, in dem hochrangige Arbeitgebervertreter mit Politikern und
»aufgeschlossenen« Gewerkschaftern über »unorthodoxe« Vorschläge zur
Krisenbewältigung reden.
Sein Mitstreiter Le Duigou, ebenfalls
Vorstandsmitglied in diesem Club, ist einer der Prediger einer notwendigen »Modernisierung« des
Gewerkschaftspolitik bei der CGT. Er dachte in der Vergangenheit über private Rentenfonds nach: sie
seien doch gar nicht so schlecht, wenn sie in den Verwaltungsräten von Gewerkschaftsvertretern
kontrolliert würden.
Nach ersten Analysen ist der Abstimmungserfolg
der Gegner des EU-Verfassungsvertrags vor allem auf die traditionell oppositionellen Sektionen innerhalb
der CGT zurückzuführen. Dazu werden etwa der Post- und der Metallsektor gezählt.
Die in der Abstimmung unterlegene CGT-
Führung will sich mit ihrer Niederlage nicht abfinden und attackiert öffentlich die
»undemokratische« Entscheidung. Gewerkschaftschef Bernard Thibault wurde in Radio France Info mit
den Worten zitiert, die Gewerkschaft sei mit diesem Beschluss »aus ihrer Rolle geschlüpft«
und habe sich »auf einer politischen Ebene angesiedelt«, auf der sie sich nicht zu positionieren
habe. Demokratisch wäre es einzig gewesen, die Gewerkschaftsmitglieder ohne Stimmempfehlung
individuell entscheiden zu lassen. Eine offiziell neutrale Haltung der CGT hätte aber faktisch
bedeutet, dass sich nur die Befürworter des Verfassungsvertrags in der CGT öffentlich
äußern können nämlich Le Digou und sein Club , nicht die Gegner. Diese
Rechnung ist nun nicht aufgegangen.
Die in Solidaires zusammengeschlossenen
Basisgewerkschaften rufen alle, bis auf die Gewerkschaft der Journalisten, zum Nein auf. In der
Lehrergewerkschaft FSU gibt es eine Mehrheit von 70% gegen den Verfassungsvertrag, das reicht aber nicht
aus, um dies als Position des Gesamtverbands zu deklarieren. Der proneoliberale Gewerkschaftsverband CFDT
ruft ohne Abstriche zum Ja auf.
Zustimmung signalisiert noch ein ganz anderer:
Der ehemalige operaistische Vordenker Toni Negri, der zur Zeit in Paris unterrichtet. Er plädiert
für ein »Ja« zum Verfassungsvertrag, da die fortschreitende EU-Integration dem
transnationalen »Empire« zum Durchbruch verhelfe.
Bernhard Schmid, Paris
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