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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2005, Seite 11

Frankreichs CGT sagt Nein zur EU-Verfassung

Revolte in der Führung

Entgegen allen bisherigen Absichten ihrer Führung wird die französische CGT beim Referendum über die EU-Verfassung im Frühsommer nun doch zum Nein aufrufen.

Im Februar hatte das Comité confédéral national (CCN) — das strategische Beschlüsse fassende »Parlament« des Gewerkschaftsverbands — in diesem Sinne entschieden. 78 Teilnehmende stimmten für ein Nein, 18 für den Verzicht auf eine Empfehlung, 17 enthielten sich. Das ergibt eine 82%ige und damit doch ziemlich klare Mehrheit für ein Nein der CGT zur EU-Verfassung.
Dieser Beschluss wurde gegen den Willen der aktuellen CGT-Führung gefaßt, die sich eindeutig dafür ausgesprochen hatte, dass der Gewerkschaftsverband keine Stimmempfehlung bei der Volksabstimmung über den EU-Verfassungsvertrag abgeben solle. Generalsekretär Bernard Thibault wollte eine »nuancierte Stellungnahme«, die Artikel für Artikel abwägen sollte.
Durch ihre seit 1999 bestehende Zugehörigkeit zum Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) in Brüssel und ihre seit drei Jahren vorankommende Annäherung an die französische Sozialdemokratie ist die CGT immer stärker in den Sog einer Befürwortung des EU-Verfassungsvertrags geraten. Das Näherrücken an die Sozialdemokratie drückte sich unter anderem darin aus, dass die SP im Wahlkampf zu den letzten Präsidentschaftswahlen 2001/02 der CGT anbot, an der Ausarbeitung der Wahlplattform für den »sozialistischen« Kandidaten Lionel Jospin teilzunehmen. CGT-Generalsekretär Thibault trat im Mai 2003 auf dem letzten Parteikongress der französischen »Sozialisten« in Dijon auf, just zu dem Zeitpunkt, wo die in der Opposition stehende Sozialdemokratie mitten im Konflikt um die Renten»reform« ein sozial progressives Image brauchte.
Die CGT-Vertreter beim EGB haben dort in den letzten Monaten recht eindeutig Position zugunsten des EU-Verfassungsvertrags ergriffen. Im Juli 2004 sprach sich der CGT-Vertreter für »ein positives Herangehen« aus, weil der Verfassungsvertrag erlaube, »die soziale Dimension [der EU] voran zu bringen«.
Nunmehr hat die CGT-Führung eine Niederlage erlitten, wie einer der profilierten »Reformer« des Gewerkschaftsverbands, Jean- Christophe Le Duigou, öffentlich einräumt. Le Duigou zählt zur Seilschaft des früheren französischen KP-Chefökonomen Philippe Herzog, der früher ein Keynesianer mit marxistisch klingendem Vokabular gewesen war. Heute ist er Gründer und Präsident eines Clubs namens »Confrontations«, in dem hochrangige Arbeitgebervertreter mit Politikern und »aufgeschlossenen« Gewerkschaftern über »unorthodoxe« Vorschläge zur Krisenbewältigung reden.
Sein Mitstreiter Le Duigou, ebenfalls Vorstandsmitglied in diesem Club, ist einer der Prediger einer notwendigen »Modernisierung« des Gewerkschaftspolitik bei der CGT. Er dachte in der Vergangenheit über private Rentenfonds nach: sie seien doch gar nicht so schlecht, wenn sie in den Verwaltungsräten von Gewerkschaftsvertretern kontrolliert würden.
Nach ersten Analysen ist der Abstimmungserfolg der Gegner des EU-Verfassungsvertrags vor allem auf die traditionell oppositionellen Sektionen innerhalb der CGT zurückzuführen. Dazu werden etwa der Post- und der Metallsektor gezählt.
Die in der Abstimmung unterlegene CGT- Führung will sich mit ihrer Niederlage nicht abfinden und attackiert öffentlich die »undemokratische« Entscheidung. Gewerkschaftschef Bernard Thibault wurde in Radio France Info mit den Worten zitiert, die Gewerkschaft sei mit diesem Beschluss »aus ihrer Rolle geschlüpft« und habe sich »auf einer politischen Ebene angesiedelt«, auf der sie sich nicht zu positionieren habe. Demokratisch wäre es einzig gewesen, die Gewerkschaftsmitglieder ohne Stimmempfehlung individuell entscheiden zu lassen. Eine offiziell neutrale Haltung der CGT hätte aber faktisch bedeutet, dass sich nur die Befürworter des Verfassungsvertrags in der CGT öffentlich äußern können — nämlich Le Digou und sein Club —, nicht die Gegner. Diese Rechnung ist nun nicht aufgegangen.
Die in Solidaires zusammengeschlossenen Basisgewerkschaften rufen alle, bis auf die Gewerkschaft der Journalisten, zum Nein auf. In der Lehrergewerkschaft FSU gibt es eine Mehrheit von 70% gegen den Verfassungsvertrag, das reicht aber nicht aus, um dies als Position des Gesamtverbands zu deklarieren. Der proneoliberale Gewerkschaftsverband CFDT ruft ohne Abstriche zum Ja auf.
Zustimmung signalisiert noch ein ganz anderer: Der ehemalige operaistische Vordenker Toni Negri, der zur Zeit in Paris unterrichtet. Er plädiert für ein »Ja« zum Verfassungsvertrag, da die fortschreitende EU-Integration dem transnationalen »Empire« zum Durchbruch verhelfe.

Bernhard Schmid, Paris

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