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Auf dem jüngsten Parteikongress der Partei der kommunistischen
Neugründung (Partito della Rifondazione Comunista) vom 3. bis 6.März in Venedig konnte
Generalsekretär Fausto Bertinotti mit einer knappen Mehrheit von 60% seine neue Linie durchsetzen.
Rechtswenden sind häufig Ergebnisse von
Niederlagen, das gilt für Gewerkschaften ebenso wie für (linke) Parteien. Die Rechtswende in
Rifondazione wurde im Juni 2003 eingeläutet, als die Partei gegen den Gesetzesentwurf der Regierung
Berlusconi zur Einschränkung der Arbeiterrechte, insbesondere des Kündigungsschutzes, eine
Volksabstimmung erzwang, die sie knapp verlor.
Für die Mehrheitsströmung um
Bertinotti war dies das Zeichen, dass die Partei sich nicht allein auf die außerparlamentarischen
Bewegungen stützen könne, um die Regierung Berlusconi zu Fall zu bringen. Dafür
benötige sie das institutionelle Arrangement mit den Mitte-Links-Parteien damals im
Bündnis »Ulivenbaum« zusammengeschlossen, das heute »Union« heißt. Die Union
bereitet sich darauf vor, bei den kommenden Parlamentswahlen 2006 mit Hilfe von Rifondazione Berlusconi
abzuwählen und den ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi zum Ministerpräsidenten
zu küren.
Der Parteikongress Anfang März in Venedig
hat die neue Linie Bertinottis nun abgesegnet. Zwei Kontroversen standen dabei im Vordergrund.
Die vier Minderheitsströmungen, die zusammen 40% der Delegierten ausmachten (etwa 25% für die
an der alten PCI der Togliatti-Ära orientierte Strömung um die Zeitschrift LErnesto,
jeweils 6,5% für die beiden revolutionär-marxistischen Tendenzen Erre und Proposta Comunista),
werfen Bertinotti vor, er mache den Bruch der Partei mit der ersten Regierung Prodi 1996
rückgängig und führe Rifondazione zurück in die Existenz einer Partei, die vor allem
aus ihrem institutionellen Gewicht und als linkes Korrektiv des sozialliberale orientieren Mitte-Links-
Bündnisses lebt.
Der Bruch von 1996 ebnete Rifondazione damals
den Weg zur globalisierungskritischen Bewegung, zum Aufbau der Partei in der Welle der Protestbewegungen,
die in Genua 2001 einen Höhepunkt fand, und damit zu einer neuen Generation radikalisierter
Jugendlicher, die die Reihen der Giovani Comunisti füllten. Rifondazione ist in dieser
außerparlamentarischen Bewegung stark und jünger geworden, die Partei hat sich konsolidiert und
wurde für zahlreiche Aktive der Bewegungen von den Disobbedienti bis hin zur Gewerkschaftslinken zu
einem Hoffnungsträger.
Vertreter der Parteimehrheit haben diesem
Vorwurf widersprochen: die Lage im Land sei heute eine ganz andere, heute gebe es eine starke soziale
Bewegung, die in eine dialektische Beziehung zu den politischen Vertretern in den Institutionen treten
könne. Ein Instrument, diese Beziehung herzustellen, sind demnach die neu eingeführten
Vorwahlen«, »primaries« nach US-amerikanischem Vorbild. In den Vorwahlen würde die
abgeschlossene Sphäre der Politik gegenüber der Gesellschaft aufgebrochen. Das aktive
Hineinwirken der Bewegungen in die Ebene der Politik, das auf diesem Weg möglich sei, erlaube heute,
in einer Regierung Prodi eine Reihe von Gesetzen wieder abzuschaffen, die Berlusconi eingeführt hat,
darunter auch das Gesetz über den Kündigungsschutz. »Denn heute haben wir auch die CGIL, die
FIOM und die Belegschaften von Fiat und der Stahlbetriebe Süditaliens auf unserer Seite.«
Demgegenüber besteht Salvatore
Cannavò, Vizedirektor der PRC-Tageszeitung Liberazione und Vertreter der Strömung Erre, darauf
dass es nicht möglich ist, mit dem bestehenden Mitte-Links-Bündnis, unter der Führung von
Prodi, eine Debatte über Schritte hin zu einer anderen Gesellschaft zu eröffnen. Der Charakter
des Bündnisses selbst verhindere das, weil es mehrheitlich immer mehr zu einem Bezugspunkt für
einen Teil der italienischen Bourgeosie wird »zumindest jener Sektoren, die nach Europa schauen
und im globalen Wettbewerb bestehen müssen, um nicht hinweggefegt zu werden« (Inprecor, März
2005).
Dabei sind sie nicht homogen und verfolgen
unterschiedliche Projekte. Die Industrieklubs im Norden stehen Prodi näher, der ihnen ein Garant
für die Orientierung nach Europa scheint, während die großen Banken Mittelitaliens,
angefangen von der Banca dItalia, eher mit Francesco Rutelli von der Margherita zusammen hängen.
Die Linksdemokraten (DS) wiederum unterhalten ein ganzes Netz an wirtschaftlichen Interessen angefangen von
den großen Kooperativen in der Emilia-Romagna bis hin zu kleineren, aber traditionsreichen Banken wie
Monte dei Paschi di Siena oder Finanzinstituten, die in Süditalien investieren. Diese wirtschaftlichen
Interessen stehen den Klasseninteressen der Arbeiterbasis, die die DS zum Teil noch hat, gegenüber.
Das Problem, das Rifondazione auch mit dem
letzten Kongress nicht gelöst hat, ist, wie die Partei sich diese Widersprüche zunutze machen
kann, um mindestens den DS die Hegemonie über große Sektoren der abhängig Beschäftigten
abzulaufen. Dazu bedarf es nicht des Vertrauens in die Mobilisierungsfähigkeit der sozialen
Bewegungen, die einer linksbürgerlichen Regierung soziale Zugeständisse schon abtrotzen werden,
sondern es bedarf einer Bündnispolitik, die auch den Mut zu Konflikten und zu einem hochgradig
eigenständigen Auftreten von Rifondazione hat, wann immer dies erforderlich ist.
Vorwahlen werden das Problem, wie die
außerparlamentarischen Bewegungen zum wichtigsten gesellschaftlichen Subjekt gemacht und welche
Organisationsformen dafür entwickelt werden können, nicht lösen. Die Frage ist: Was kann
Rifondazione an der Regierung dafür tun, dass die außerparlamentarischen Bewegungen nicht nur
ihre Meinung zum politischen Geschehen demonstrieren, sondern es tatsächlich beeinflussen können?
Und widerspricht das nicht diametral den anderen Klasseninteressen, die sich in den Mitte-Links-Parteien
widerspiegeln?
Einen politischen Niederschlag hat die
Rechtswende bereits gebracht: Die Führung von Rifondazione hat sich die Haltung zu eigen gemacht, die
Besatzungsmächte im Irak sollten durch UNO-Blauhelme ersetzt werden. Andere politische Ziele sind
hingegen weiterhin Gemeingut der Partei so die Forderung nach Verstaatlichung von Fiat.
Der zweite Schwerpunkt der Kontroverse auf dem Kongress war gravierender. Es ging um eine
Statutenänderung, die die gesamte Führungsebene der Partei umbaut, und zwar im Sinne der
Stärkung der Apparate und einer relativen Entpolitisierung. Zum einen wurde die Trennung von Amt und
Mandat aufgehoben. Zum anderen wurde dem bisherigen Nationalen Politischen Komitee (eine Art ZK) ein neues
Gremium zugesellt, die sog. Exekutive, der die Hauptamtlichen im nationalen Sekretariat (der Tagesleitung),
die Verantwortlichen für die verschiedenen Arbeitsbereiche und die Bezirkssekretäre
angehören. Hier gibt es keine Vertretung nach politischen Strömungen mehr; Minderheiten sind in
der Exekutive nur vertreten, sofern sie in einem Bezirk die Mehrheit und damit den Bezirkssekretär
stellen.
Das Nationale Politische Komitee wurde
proportional nach der Stärke der Strömungen auf dem Parteikongress zusammengesetzt, gleichzeitig
seine Arbeitsfähigkeit aber herabgesetzt, indem die Zahl der Gewählten von 135 auf 260
heraufgesetzt wurde. Das nationale Sekretariat nimmt daran nicht teil. Es setzt sich aus vier Männern
und vier Frauen zusammen, allesamt aus der Strömung Bertinottis. In der Tagesleitung sind Minderheiten
mithin nicht vertreten.
Die Entscheidung über das Statut wurde
mit einfacher Mehrheit gefällt (351 Ja, 226 Nein) ein Antrag von Franco Grisolia (Proposta
Comunista) auf Zweidrittelmehrheit wurde abgelehnt. In einer gemeinsamen Erklärung stellten die
Minderheitsströmungen anschließend fest: »Die Führung der Partei liegt fast zur
Gänze in der Hand der Exekutive, die aber nur den (überdies knappen) Mehrheitsstandpunkt in der
Partei ausdrückt. Der Kongress hat versäumt das Signal zu geben, dass trotz politischer
Differenzen die Partei von allen getragen wird, im Respekt der Mehrheitslinie. Über die Linie kann man
sich streiten, das Statut muss von allen geteilt werden.« Den Minderheiten wäre nur noch das
»Recht auf eine Tribüne« zuerkannt.
In das Nationale Sekretariat wurde erstmals
auch Gennaro Migliore gewählt. Er gilt als der Kronprinz Bertinottis. Letzterer hat erklärt, dies
sei sein letzter Parteitag als Generalsekretär.
Angela Klein
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