SoZSozialistische Zeitung |
Das Zentralorgan der maoistischen Communist Party of the Philippines (CPP),
Ang Bayan, veröffentlichte am 7.Dezember 2004 ein »Diagramm« philippinischer
»konterrevolutionärer« Organisationen und Einzelpersonen und ihrer angeblichen
internationalen Verbindungen (http://prwc.superihost.com/angbayan). Unter den genannten fünfzehn
Einzelpersonen befindet sich auch Walden Bello, Direktor der philippinischen NGO Focus on the Global South
und herausragende Figur des Weltsozialforums. Einige der Genannten sind bereits tot; sie wurden im Auftrag
der CPP ermordet.
Focus on the Global South hat daraufhin eine
Alarmmeldung herausgegeben; auf dem Weltsozialforum in Porto Alegre unterzeichneten zahlreiche
Persönlichkeiten eine Erklärung, die sich grundsätzlich gegen den Gebrauch von Gewalt als
Mittel der innerlinken politischen Auseinandersetzung wendet.
Der frühere Mitarbeiter der EP-Fraktion
GUE/NGL, PIERRE ROUSSET*, hat in einem ausführlichen Brief dargelegt, was hinter der
Veröffentlichung dieser Listen steckt. Wir geben ihn stark gekürzt wieder.
Diese Ankündigung muss sehr ernst
genommen werden. Seit über zehn Jahren »verurteilt« die CPP Kader anderer
revolutionärer und fortschrittlicher philippinischer Organisationen zu Tode und tötet sie auch.
Im Verlauf des Jahres 2004 hat die Zahl politischer legal arbeitender Aktivisten und Organisatoren von
Massenbewegungen, die getötet oder mit dem Tod bedroht wurden, zugenommen. In einer anderen Situation
oder in einem anderen Land könnte man eine solche Veröffentlichung als den üblichen Ausdruck
extremen Sektierertums mit eingeschränkten Folgen abtun. Leider ist dies hier nicht der Fall. Die
Veröffentlichung kündet eine neue Etappe in der Droh- und Mordpolitik der CPP an.
Das Diagramm umfasst alle fortschrittlichen politischen Gruppen auf den Philippinen, die nicht dem sog.
Pro-CPP-Block angehören. Viele genannten Organisationen wurden auch früher schon als
konterrevolutionär bezeichnet, aber zum ersten Mal wurden jetzt alle Gruppen der philippinischen
Linken, die nicht zum Umfeld der CPP gehören, gemeinsam auf einer »Liste der Klassenfeinde«
aufgeführt; einige von ihnen sind bisher nie offiziell genannt worden.
Das Diagramm stellt systematisch einen Bezug
zwischen jeder einzelnen Organisation und internationalen Gegenstücken her: Sozialdemokraten oder
Trotzkisten. In einigen Fällen gibt es solche Verbindungen, in anderen sind sie konstruiert oder grob
vereinfacht. Zum Beispiel hat die MLPP nie Mitglieder nach Amsterdam zum International Institute for
Research and Education (IIRE) geschickt, viele andere philippinische Gruppen hingegen schon. Die RMP-P
unterhält keine Beziehungen zur SWP der USA (die im Übrigen schon lange keine Sektion der
IV.Internationale mehr ist). Es ist auch eine grobe Vereinfachung, Akbayans internationale Beziehungen auf
die Sozialistische Internationale zu reduzieren.
Die CPP ist zu gut informiert, als dass ihr da
Fehler unterlaufen wären. Ihr geht es darum, das Bild einer breit angelegten, zusammenhängenden
Verschwörung durch philippinische und internationale »Konterrevolutionäre« zu zeichnen.
Das Diagramm listet zum erstenmal neben
Organisationen auch Individuen auf solche die international für ihr fortschrittliches
Engagement in der Antikriegsbewegung, in der antikapitalistischen Globalisierung oder in Kampagnen gegen
die Schulden bekannt sind, und solche, die vorwiegend auf den Philippinen eine Rolle spielen.
Mit der Veröffentlichung des Diagramms in Ang Bayan sind zwei unheilvolle Folgen verbunden:
1. Die CPP vervollständigt damit ihr
Bild von der Einteilung der Linken in »Revolutionäre vs. Konterrevolutionäre«. Es
bildet den ideologischen Hintergrund für ihre Droh- und Mordpolitik gegen andere Linke. Demnach
stellen die CPP und die von ihr angeführten Kräfte (der Block der »Beteuerer«) die
einzige revolutionäre Strömung dar, während die anderen notwendig konterrevolutionär
sind.
Dieses Schema wurde zunächst auf Gruppen
angewandt, die aus der CPP ausgeschlossen worden waren bzw. sich 1992 von ihr abgespalten hatten (sie
wurden die »Ablehner« genannt). Es wurde sodann auf eine spätere Abspaltung angewandt, aus
der die MLPP hervorging. Das Diagramm in Ang Bayan beginnt denn auch mit den regionalen und landesweiten
CPP-Strukturen, die sich damals von der CPP abgesetzt haben. Die Liste zeugt somit von der Tragweite der
damaligen Krise der CPP.
Viele Jahre hindurch waren solche ehemaligen
Kader der CPP Zielscheibe von Todesdrohungen und Morden, die in revolutionären
Untergrundorganisationen aktiv waren. Im Januar 2003 jedoch wurde auf offener Straße in Manila Romulo
Kintanar ermordet, ehemals Chef der New Peoples Army (NPA) der CPP. Kintanar war inzwischen
führendes Mitglied einer legalen Organisation geworden. Die Botschaft seiner Ermordung war: Niemand
ist mehr sicher. Legalität bedeutet keinen Schutz mehr. Auch Vertreter legaler Massenbewegungen wie
der Bauernbewegung auf der Halbinsel Bondoc wurden 2003 und 2004 getötet.
2. Neu am Diagramm in Ang Bayan ist, dass
jetzt auch Organisationen genannt werden, die nicht von der CPP kommen. Das gilt vor allem für mehrere
Strömungen in Akbayan: Bisig (bei deren Gründung christliche Sozialisten eine große Rolle
spielten), Pandayan (die aus der linken Sozialdemokratie kommt), und linke Sozialdemokraten. Noch wurden
davon keine Namen von Einzelpersonen veröffentlicht. Aber die Warnung ist deutlich: Wenn die
Organisation als »konterrevolutionär« gelistet ist, werden über kurz oder lang auch
ihre führenden Vertreter genannt werden wenn sie sich nicht »korrekt« verhalten. Das
Schema »Revolutionär vs. Konterrevolutionär« umfasst jetzt alle, die gesamte
philippinische Linke, nicht nur die abgespaltenen Organisationen.
Die Krise der CPP 1992 hatte auch für
fortschrittliche internationale Bewegungen Konsequenzen, weil davon Massenorganisationen der CPP betroffen
waren, die im Ausland eine bedeutende Rolle spielten das gilt in hohem Maß z.B. für die
Implosion der Philippinischen Bauernbewegung (KMP), die erhebliche Auswirkungen auf Vía Campesina
hatte. Dennoch konzentrierte die CPP lange Jahre ihre Angriffe zunächst auf Gruppen der
philippinischen Linken.
Das hat sich geändert, wie wir auf dem
Weltsozialforum in Mumbai im Januar 2004 erstmals erleben durften. Die Nennung von Walden Bello (und Lidy
Nacpil) bestätigt, dass nun das Schema »Revolutionär vs. Konterrevolutionär« auch
international durchgesetzt werden soll. Es mag auch ein Weg sein, CPP-nahen Aktivisten zu erklären,
warum die Partei in den weltweiten Netzwerken so stark an Einfluss verloren hat das kann nur Folge
einer Verschwörung sein, dazu gehören Verschwörer.
José Maria Sison, der Vorsitzende der
CPP, ist jetzt Chef der Internationalen Liga des Kampfes der Völker (ILPS).
In einem polemischen Artikel gegen Walden Bello behauptet Sison: »Nichts in dem Diagramm beweist
oder deutet darauf hin, dass irgendeiner von denen auf der Liste von irgendjemandem oder einer Organisation
umgebracht werden wird.« Wirklich? Zwei von der Liste sind bereits tot: Popoy Lagman aus Manila-Rizal
die NPA wird oft verdächtigt, aber die CPP weist jede Verantwortung von sich. Und Arturo Tabara
aus Visayas die CPP-NPA bekennt sich zu dem Mord.
Verschiedene andere, die im Diagramm von Ang
Bayan auftauchen, sind in der Reihenfolge ihrer Verfolgung durch die NPA aufgelistet und werden derzeit
gejagt. Sie können jederzeit getötet werden. Das gilt für Ric Reyes, derzeit Vorsitzender
von Akbayan. Sison hat dies faktisch zugegeben. Nachdem er Reyes beschuldigt hat, ein
»Krimineller« zu sein, fügt er hinzu: »Ich weiß nicht, was der genaue Stand der
Ermittlungen gegen Reyes ist.« Als Vorsitzender der CPP kennt Sison natürlich den
»Stand«: da er nicht dementiert, dass er auf der Abschussliste der NPA steht, kommt dies einer
Bestätigung gleich.
In Zentral-Mindanao suchen NPA-Einheiten nach
Ike de los Reyes; eine seiner Gefährtinnen wurde ermordet. Dasselbe gilt für Tito de la Cruz und
Caridad Pascual in Zentral-Luzon. In Manila-Rizal könnte es Nilo de la Cruz betreffen.
Die meisten linken Aktivisten, die auf der
Abschussliste der CPP-NPA stehen, sind im Diagramm von Ang Bayan nicht aufgeführt. Die dort
aufgeführt sind, stehen nicht notwendig bereits auf der Abschussliste. Aber einige der dort Genannten
wurden bereits ermordet oder werden derzeit verfolgt. Es ist eine sehr ernste Sache, auf dem Diagramm von
Ang Bayan zu stehen.
Laut CPP kommen nur »Kriminelle«
(niemals ideologische Gegner) vor die »revolutionäre Justiz« und die
»Volksgerichtshöfe«, es gebe ein formales Rechtssystem. In Wirklichkeit gibt es keine
unabhängigen Volksgerichte. Die Entscheidung über Anklage, Urteil und Vollstreckung werden von
den Führungsgremien der CPP gefällt. Ob die CPP jemanden als ideologischen Gegner, als
Konterrevolutionär, Agenten, Klassenfeind oder als Kriminellen bezeichnet, ist einzig eine Frage der
Opportunität.
Es geht nicht darum, ob die genannten Personen
sich individuelle »Verbrechen« haben zuschulden kommen lassen. Die Entscheidung ist immer
politisch motiviert. Sie kann eine Warnung sein (»Verhalte dich anders oder…«); sie kann
ein Signal sein, auf welche Kreise die Drohung bereits übergegriffen hat. Sie kann auch ein Mittel
sein, um den politischen Boden für den Mord vorzubereiten.
In einer Stellungnahme zur Erklärung von
Focus on the Global South versucht José Maria Sison die Vorstellung weit von sich zu weisen, es
müsse sich irgendjemand, vor allem Walden, durch die einfache Veröffentlichung des Diagramms
bedroht fühlen. Das Diagramm »konterrevolutionärer« Organisationen sei nicht mehr als
eine den Tatsachen entsprechende Beschreibung der politischen Szene; es gehe allein um die ideologische
Auseinandersetzung. In derselben Stellungnahme wird Walden Bello jedoch vorgeworfen, er sei ein
»Agent«, »hoch bezahlt« von »imperialistischen Geldinstituten«.
Zusammen mit anderen »bekannten
Führern von Akbayan« wird er gebrandmarkt als einer der »antikommunistischen Spezialagenten
der USA und der lokalen philippinischen Reaktionäre«, deren Ziel nichts weniger als »die
Zerstörung der CPP und der gesamten revolutionären Bewegung des Volkes« sei. Walden Bello
und Etta Rosales »sind offensichtlich involviert in einer Operation psychologischer Kriegführung.
Sie steht in Zusammenhang mit ähnlichen Operationen der militärischen Propagandamühle.«
Solche Anschuldigungen legen keine Grundlage für ideologische Debatten, sondern für
»Volksgerichtshöfe«, »revolutionäre Justiz« und summarische Exekutionen.
Auf den Philippinen ist in den 80er und 90er
Jahren eine pluralistische Linke entstanden mit einer Vielzahl von Bewegungen und Massenorganisationen.
Genau das ist es, was die derzeitige CPP-Führung nicht akzeptieren kann. Ihr letztendliches Ziel ist,
ihre Kontrolle über die gesamte Bewegung durchzusetzen. Um dieses Ziel zu erreichen, überzieht
sie die unabhängige Linke mit Terror, dabei stützt sie sich auf ihren militärischen Arm, dem
keine andere Gruppe auch aus dem revolutionären Untergrund etwas entgegenzusetzen hat.
Diese Linie kann dem Kampf der Massen nur in hohem Maße schaden. Menschen leben in Angst. Auf der
Halbinsel Bondoc wurden in den vergangenen Jahren mehrere führende Vertreter der Bauernorganisationen
ermordet und gejagt und zwar sowohl von den Schergen der Großgrundbesitzer als auch von der
NPA. Andere müssen sich versteckt halten.
Veteranen im Kampf gegen die Diktatur, die
für gewöhnlich Mitglieder der CPP waren und jetzt der Gruppe First Quarter Storm Foundation
(FQSF) angehören, haben Alarm geschlagen: »Es erreichen uns Berichte, dass etwa 30 Menschen in
den letzten vier Jahren von ihren Genossen oder ehemaligen Genossen umgebracht wurden … All diese
Vorgänge sind die Folge der großen Spaltungen, die die CPP/NPA/ NDF seit 1992 erschüttert
hat. Ohne Zweifel ist die Initiative zu diesen Morden von dem Teil der Bewegung ausgegangen, der unter dem
Namen Reaffirm Group bekannt ist; diese Gruppe hat den Laden übernommen und nach den Spaltungen den
Namen CPP/NPA/ NDF weitergeführt.«
Auf dem Spiel stehen die Sicherheit und das
Leben vieler Aktivistinnen und Aktivisten, die um ihr Leben fürchten müssen, die Zukunft der
gesamten philippinischen Linken, aber auch die Dynamik der internationalen Bewegungen, in denen wir
arbeiten. All dies erlaubt uns nicht, diese Vorgänge als ein »lokales Problem« zu behandeln.
Die Morde müssen aufhören. Die
Führung der CPP muss öffentlich bekannt geben, dass sie die »Todesurteile« aufhebt und
nicht mehr zu Drohungen und physischer Gewalt gegen andere fortschrittliche Organisationen greift.
Pierre Rousset
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04