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Ernst Bloch ist das nicht der linke Philosoph mit der Pfeife und dem
»Prinzip Hoffnung«? Das dürfte jenseits der kleinen, aber eingeschworenen Bloch-
Forscher und -Anhänger, die sich weitgehend abseits von der bürgerlichen Öffentlichkeit
austauschen das erste und wahrscheinlich auch einzige Bild sein, das sich die meisten Menschen
machen, die seinen Namen nicht mit dem erfolgreichen Fernsehkommissar Bloch verwechseln. Auch hier gilt
noch immer das bekannte Diktum Hegels, dass, was bekannt, zumeist noch nicht erkannt ist.
Im Jahre 2005 feiern wir den 120.Geburtstag
des 1977 gestorbenen Ernst Bloch. Zwei erwähnenswerte Bücher haben deswegen jüngst den
Reigen neuer Bloch-Literatur eröffnet.
Arno Münsters politische Biografie sollte
ursprünglich im renommierten Suhrkamp-Verlag erscheinen und schlug heftige Wellen, als es kurz vor der
Veröffentlichung vom Verlag zurückgezogen wurde. Ich weiß schon nicht mehr genau, warum,
irgendwie galt es als unbequem und handwerklich unzureichend. Wer den Autor kannte, wusste schon damals,
dass dies Quatsch ist. Nun kann man sich diesen Eindruck bestätigen, denn was Münster hier
liefert, ist eine solide, locker zu lesende Biografie, die als Einstieg in Bloch gut geeignet ist. Es kommt
zwar nicht an die Dichte und Tiefe der 1987 erschienenen Biografie von Peter Zudeick (Der Hintern des
Teufels) heran und bleibt dort, wo es spannend wird, zumeist an der Oberfläche. Das ist jedoch auch
nicht sein Anspruch. Mit Sympathie zeichnet er den biografischen Weg Blochs vom jungen Wilden, vom
sozialistisch gesinnten radikalen Demokraten zum Parteigänger der kommunistischen Bewegung und
schließlich zum in Ehren ergrauten Dissidenten nach.
Münster beschreibt Blochs philosophischen
Materialismus und wie sich dieser gegen die vulgärmaterialistischen Verflachungen sowohl seiner
(sozialdemokratischen und stalinistischen) Zeit abwendet, zeigt auf, dass und wie sich in Bloch ein
revolutionärer Romantiker zum Parteigänger des rationalistischen Marxismus entwickelt, ohne seine
ursprünglichen Impulse aufzugeben. »Unter keinen Umständen«, schreibt Münster und
markiert damit jenen Punkt, der Bloch wohltuend von vielen anderen zeitgenössischen Marxisten
unterscheidet, »war Bloch bereit, auf diesen militanten Optimismus, auf diesen Glauben an ein
Aufblühen der utopischen Keime im Gesellschaftsprozess und auf die Möglichkeit ihrer
Herausprozessierung zu verzichten, sah er doch darin allein die Möglichkeit zur Humanisierung unserer
inhuman gewordenen Moderne«.
»Docta spes« aktive und
konkrete Hoffnung, die das im real existierenden Heute sich versteckt haltende Mögliche, das in ihm
strukturell angelegte Noch-Nicht thematisiert und damit zu seiner antizipierenden Bewusstwerdung
beiträgt und einen Beitrag zu seiner möglichen Realisierung liefert, dieses blochsche
»Prinzip Hoffnung« hat seine Aktualität alles andere als verloren.
Blochs Aktualität reklamieren auch Ingrid
und Gerhard Zwerenz in ihrem mit erfrischend ingrimmiger Verve geschriebenen Buch. Von Blochs Werk erfahren
wir in diesem Buch bemerkenswert wenig, obwohl Bloch als herausragender, ja geradezu als alles und alle
überstrahlende philosophische Revolutionär des deutschen 20.Jahrhunderts vorgestellt wird. Umso
mehr erfahren wir von Blochs Wirken und Wirkung in der DDR der 50er Jahre, vor allem im Kontext der
ostdeutschen Intellektuellenrevolte von 1956. Detailliert zeichnen die beiden, selbst Zöglinge des
damaligen Leipziger Bloch-Kreises, das damalige Reformklima in der DDR und Blochs entsprechende
Interventionen in und für dasselbe nach. Und sie beschreiben die Intrigen und Kampagnen der
herrschenden Bürokratie und ihrer intellektuellen Lakaien, die sich mit dem Sturz des Bloch-Kreises,
so die zentrale These der beiden, der »ersten und letzten reformatorischen Chance« für die
DDR entledigt haben: »Blochs Opposition zielte nicht auf Reformen, sondern auf revolutionäre
Reformation analog dem Konflikt zwischen Luther und Römischer Kirche.«
In dieser anregenden Deutlichkeit hat meines
Wissens bisher niemand Bloch als Inkarnation der ostdeutschen »56er« Revolte thematisiert. Die
damit verbundenen konzeptionellen Schwierigkeiten überspielen die beiden jedoch mit sehr viel
Wortgeklimper. Bloch als Luther der sozialistischen Bewegung zu denken, beißt sich mit dem ebenso oft
wiederholten zwerenschen Diktum, Bloch sei »der Trotzki der Theorie«.
Betrachtet man die das dicke Buch
durchziehenden diversen Versuche einer theoretisch-begrifflichen Fassung des blochschen Geistes und
Handelns jenseits der blendenden zwerenschen Sprachschranken, fällt die Nichtbewältigung des von
beiden selbst zentral thematisierten Problems Blochs auf: dessen bemerkenswerte Mischung aus subversiver
Philosophie und untertäniger Sklavensprache. Besonders Gerhard Zwerenz artikuliert beredsam sein
Leiden an Bloch, an der Tatsache, dass dieser 1957 nicht, wie einstmals Sokrates, den Giftbecher nahm und
offen Partei ergriff für den Sturz des Status quo, sondern den Kotau vor der Restalinisierung machte,
um offensichtlich die weitere Veröffentlichungsarbeit seines Lebenswerks nicht zu gefährden.
Diese »ewige Taktiererei« (Zwerenz) passt nicht gut zu Luthers »Hier stehe ich, ich kann
nicht anders«.
Im Grunde ist das Zwerenz-Buch bemerkenswert,
gerade weil es mit der einen Hand das wieder zum Einsturz bringt, was es mit der anderen mühsam
aufgebaut hat. 500 Seiten lang fragt man sich irritiert, was den beiden Autoren an Bloch eigentlich das
wirklich Aktuelle und Revolutionäre ist. Trotz verbalem Bekenntnis zur marxschen Tradition, zum
revolutionären Sozialismus und zum späten Bloch (die alle drei an anderen Stellen wieder in ihren
Grundfesten angegriffen werden), ist es letztendlich der junge Bloch, der revolutionäre Demokrat im
Kampf gegen deutschen Militarismus und Autoritarismus, an den Ingrid und Gerhard Zwerenz anknüpfen
(»Man hätte aber endlich so gern mal ein Land, für das zu denken und arbeiten sich
lohnte«).
Bloch als Denker des revolutionären
Kollektivismus (»Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst«) wird auf diesem Weg
zum Sinnbild des renitenten Einzelkämpfers verdreht. Und an die Stelle des klassenbewussten
Proletariers tritt explizit der universalbewusste Intellektuelle und sein radikaler Subjektivismus. Nicht
dass wir diesen Bloch nicht auch gebrauchen könnten, Bloch ist aber mehr. Und die organisierte Rest-
Linke, an die sich Zwerenz explizit richtet, braucht auch mehr.
Nichtsdestotrotz, besser: gerade weil und
dort, wo die beiden polemisch übers Ziel hinausschießen, sind sie anregend und mit großem
Erkenntnisgenuss zu lesen.
Christoph Jünke
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