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Das Wort »Kapitalismus«, so trauert die FAZ, ist nach dem Scheitern
von Werner Sombart »in die Hände der Marxisten« gefallen und wurde in Deutschland ein
»negativ besetzter Begriff«. In diese Kerbe hat jetzt unser rotschaliger Müntefering Franz
gehauen, als er die hemmungslose Macht des Kapitals anprangerte. Welch eine Performance: der vor kurzem
geschasste SPD-Generalsekretär Olaf Scholz hat die Partei mittlerweile überhaupt einen
neuen? wollte aus dem geplanten SPD-Grundsatzprogramm noch den Begriff »demokratischer
Sozialismus« tilgen, und jetzt haut der Parteichef höchstselbst in seiner Rede zu diesem Programm
so auf die Kacke. Und siehe da, die Herren Schröder (!) und Steinbrück (!!) versichern eiligst,
dass dies auch ihre Sicht der Dinge wäre.
Nur der Minister für
Wertschöpfungsgemeinschaft Clement hat wohl auf die Schnelle nicht so viel Rotwein in sich
hineinschütten können, um seinem großen Vorsitzenden beizupflichten. »Franz
Müntefering hat Recht, wenn er die totale Ökonomisierung der Gesellschaft anprangert«,
tönt Steinbrück. Und er hat schnell erkannt, worum es geht: ihm fehlen noch 900000
Wählerstimmen bei der Landtagswahl im Mai, um wieder gewählt zu werden. Und die will er
»großteils bei der klassischen Industriearbeitnehmerschaft« holen. Da muss schon mal die
alte Klassenkampfkeule rausgeholt werden, egal was der Designeranzug dazu sagt.
Für ungefähr 60 Euro könnte der
Franz sich noch viel mehr Erleichterung verschaffen: für diesen Betrag bietet jemand (ob es Clement
ist, konnten wir nicht rauskriegen) im Netz der Netze die Internetadresse
»sozialistischepartei.de« an. Wie wäre es mit einer Umbenennung der SPD in SP.de?
Möglicherweise ginge es sogar noch billiger, denn die Adresse sozialistische-partei.de besitzt ein
Genosse Dröge (keine Namenswitze bitte!) von Erbarmen der SAV. Aber die ist vielleicht
freigiebig. Der SPD-Vorsitzende hätte also die Chance, seinen jüngsten Schwenk zu vollenden. Wir
würden dann auch davon absehen, dass seine neueste Meinungsänderung offensichtlich auch für
ihn völlig überraschend kam. Oder wie ist dieser grammatikalische und sprachliche Murks zu
verstehen: »Unsere Kritik gilt der international wachsenden Macht des Kapitals und der totalen
Ökonomisierung eines kurzatmigen Profithandelns.«
Das dumme Zeugs löste aber die
entsprechenden Reflexe aus: »SPD verschreckt die Wirtschaft« titelt die FAZ am Sonntag. Die
Herren Hundt und Thumann (das ist der neue Rogowski) brauchten keine halbe Stunde, um ihre Sorge
herauszuschreien, dass Deutschland wieder im Sozialismus versinken werde. »Bei Müntefering war
das nicht nur Wahlkampfrhetorik«, diagnostizierte der Dr.med.klassenkampf Thumann.
Ganz den Kopf tätschelnden Onkel spielte
dagegen der sich stets als Kanzlerfreund bezeichnende Boss der Georgsmarienhütte, Jürgen
Großmann: »Der Regierungschef hat die Aufgabe, pragmatisch alles dafür zu tun, den Wohlstand
des Volkes zu mehren. Der Parteichef dagegen kann ideologisch sein. Die Kritik an der wachsenden Macht des
Kapitalismus führt uns zurück zu einer Art Sozialromantik, die uns von einer
wirtschaftsorientierten Politik abbringen könnte. Das wäre aber falsch. An einer
Verwirtschaftlichung dieser Welt führt nichts vorbei.«
Der SPD in Nordrhein-Westfalen wird der neue
Müntefering auch kaum noch helfen. Die neue bei dieser Wahl antretende Generation von SPD-Kadern hatte
sich gerade damit angefreundet, selbstbewusst in alle Mikrofone zu plärren, dass Hartz IV und Agenda
2010 nicht etwa erzwungene Abweichungen von der korrekten Linie wären, sondern vielmehr alternativlose
Umsetzung moderner Sozialpolitik. Kein kleineres Übel also, kein Verhindern von Schlimmeren, sondern
glasklare Umsetzung der SPD-Programmatik. Und nun kommt der Parteiobermufti und pfeift sie schon wieder in
die andere, die alte abgedroschene Sozi-Ecke.
Aus gleicher Verzweiflung ist wohl auch die
tolle Aktion der Sozialdemokraten in Gelsenkirchen entstanden: Sie haben groß und mit viel Presse die
Gründung einer ASG gefeiert der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokraten im Gesundheitswesen. Auch
diesen Ärzten am Krankenbett des Kapitalismus sei versichert: Euren Kanzler Schröder rettet ihr
damit auch nicht davor, auf dem Misthaufen der Geschichte zu landen, das Teil, das euch die Stimmen mopst,
heißt mittlerweile WASG.
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