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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2005, Seite 4

Kolumne von Jakob Moneta

Kubanische Staatstrauer für den Papst

In das Kondolenzbuch, das in der apostolischen Nuntiatur in Havanna auslag, schrieb Fidel Castro: »Dein Abschied tut uns weh, und wir wünschen uns zutiefst, dass dein Beispiel fortdauert.« Fidel Castro nahm sogar in der Kathedrale von Havanna an einer Messe für den Verstorbenen teil. Zum letzten Mal war er dort vor 46 Jahren erschienen.
Drei Tage Staatstrauer ordnete Castro an. Die Nationalflagge wurde auf Halbmast gesetzt. Tausende Kubaner kondolierten in der päpstlichen Nuntiatur. Sowohl für die christliche Doktrin wie auch für das politische System Kubas seien soziale Gerechtigkeit und Altruismus moralische Werte, sagte Castro 1996 in Rom auf dem Welternährungsgipfel. Im entfesselten Kapitalismus sahen beide, der Papst und Castro, eine Gefahr für die Menschheit.
Als Anfang der 60er Jahre die kubanische Revolution Nationalisierungen durchführte, leisteten viele Kleriker, die auf Seiten der Bourgeoisie standen, Widerstand. Daraufhin wurden 130 von 800 Priestern des Landes verwiesen, 470 gingen freiwillig weg. 1991 hat das kubanische Parlament den Atheismus-Paragrafen aus der Verfassung entfernt.
Es war Castro, der die Verleumdung zurückwies, Johannes Paul II. wolle die letzte Bastion des Kommunismus in Kuba aushebeln. »Du erklärtest vor deiner Rückkehr nach Rom«, sagte Castro, »dass die restriktiven Maßnahmen, die uns von außen aufgezwungen werden, ungerecht und ethisch unannehmbar sind. Dafür hast du für immer die Dankbarkeit und die Zuneigung aller Kubaner gewonnen.«
Dass in einigen Sendungen des deutschen Fernsehens immer wieder betont wurde, der Papst sei es gewesen, der den Kommunismus durch das Christentum besiegte, ist eine Lüge, die nicht einmal für Polen zutrifft. Schließlich hat Gomulka acht Jahre in einem stalinistischen Gefängnis gesessen, ehe er durch einen Arbeiteraufstand die Regierung übernahm. Kuron und Modelewski haben lange vor dem Streik der Werften unter Lech Walesa ihre vernichtende Kritik des Stalinismus geschrieben und mussten dafür Jahre ins Gefängnis.
In seinem Testament schrieb der Papst: »Gelobt sei die göttliche Vorsehung dafür, dass die Zeit des sog. Kalten Krieges ohne gewalttätigen nuklearen Konflikt zu Ende gegangen ist.« Wenn viele Tausende Jugendliche in Rom Abschied von Papst nahmen, so, weil der Papst ihre Sprache sprach: Gegen den Krieg und für soziale Gerechtigkeit. Sicherlich wird all das, was uns an Johannes Paul II. missfällt — seine Haltung zum Zölibat, zur Emanzipation der Frauen — von vielen zum Anlass genommen werden, ihn zu verdammen.
Aber sollten wir uns da nicht auf Lenin berufen, der nach dem Tod des russischen anarchistischen Theoretikers Fürst Kropotkin den Anarchisten im Namen der Dritten Internationale kondolieren ließ und — man höre und staune — den Sozialdemokraten Karl Kautsky auf dem Moskauer Urkundenstein für die Vorläufer des Sozialismus anführen ließ. Diese Großmut wird von vielen sich besonders revolutionär dünkenden Linken heute vergessen.

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