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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2005, Seite 6

Stühlerücken im Karstadt-Vorstand

Beschäftigte sollen schneller raus

Anfang April erklärte der Vorstandsvorsitzende von Karstadt-Quelle, Achenbach, seinen Rücktritt als er die Auseinandersetzungen mit dem Aufsichtsratvorsitzenden Middelhoff leid war. In der Presse war vorher zu lesen gewesen, die Krise des Konzerns habe sich verschärft, Achenbach wäre deshalb nicht mehr tragbar.
Der eigentliche Grund wird allerdings sein, dass Middelhoff seinen Einfluss auf die Firmenpolitik ausweiten will. Middelhoff ist Teilhaber eines Finanzfonds und möchte über eine Beteiligung des Fonds an Karstadt-Quelle Geld in die eigene Tasche schaufeln. Der neue Vorstandsvorsitzende, so lies der Aufsichtsrat verlauten, werde international ausgeschrieben. Es wäre aber sehr verwunderlich, wenn der Neue nicht aus dem Umfeld des Fonds käme.
Dabei hat auch Middelhoff nie behauptet, Achenbach habe seinen Job schlecht gemacht. Er hat die beschlossenen Maßnahmen — Ausgliederungen, Verkäufe etc. — wie vorgesehen umgesetzt. Die Logistik wurde von DHL übernommen, die 75 kleinen Häuser in die Karstadt-Kompakt ausgegliedert, die Versandhändler Quelle und Neckermann neu positioniert und die Lebensmittelabteilungen von Karstadt an die Rewe-Gruppe verhökert. Die ersten drei Filialen von Sinn-Leffers sollen noch im ersten Halbjahr geschlossen werden. Karstadt-Kompakt wird noch in diesem Jahr für 220 Millionen Euro an einen »Finanzinvestor« verkauft.
Achenbach wird aber vorgeworfen, er habe die Umstrukturierungen und den Personalabbau zu langsam vorangetrieben. Für Beschleunigung soll der nun als Koordinator im Vorstand eingesetzte Harald Pinger sorgen. Der ursprünglich bis 2007 geplante Abbau von 5700 Beschäftigten soll nach Möglichkeit schon in diesem Jahr abgeschlossen sein. Allein im ersten Quartal diesen Jahres haben 1800 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verloren. Die möglichen Auswirkungen der Verkäufe von Unternehmensteilen sind da noch nicht mitgerechnet. Die Veräußerung von Karstadt-Kompakt und Sinn-Leffers/Wehmeyer wird nochmals mit einem erheblichen Verlust an Arbeitsplätzen einhergehen.
Leider ist nicht zu erwarten, dass Ver.di und die Betriebsräte nennenswerten Widerstand gegen diese Entwicklung entfalten. Einzelne Betriebsräte mit kämpferischer Tradition sind eher eine kleine Minderheit. Und die Betriebsräte der im Konzern verbleibenden Häuser sind der Auffassung, dass der Kelch an ihnen vorüber gegangen ist, und deswegen sei alles geregelt.
Eine Alternative zur Akzeptierung des Restrukturierungsprogramms ist weit und breit nicht in Sicht. Sie müsste die Verfügungsgewalt der Kapitalseite in Frage stellen. Aber mit dem Sanierungstarifvertag vom letzten Jahr hat Ver.di das Programm abgesegnet. Dass die Kapitalseite jetzt das Tempo verschärft, ist nur logisch.

Helmut Born

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