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Der hochgepriesene Jobgipfel zwischen Regierung und Opposition erweist sich
als bescheidenes Drama in fünf (?) Akten. Ob es zur Tragödie langt, werden die Wahlen in NRW
zeigen. Die Schauspieler sind seit Jahren dieselben, ihre Rolle ändert sich nicht, ihre Leistungen
sind lustlos, ein Ersatz-Reagan ist weit und breit nur in Kalifornien zu sehen…
Das Drama nimmt seinen Lauf unter den Bedingungen der begonnenen Hartz-IV-Reform, von über 5
Millionen Erwerbslosen und der letzten Stufe der Steuerreform, die u.a. den Reichen eine Senkung des
Spitzensteuersatzes beschert. Zur Erinnerung: Die Steuerreformen der »rot-grünen« Regierung
bescherten dem Staat bislang schon einen Einnahmeausfall von 60 Milliarden Euro. Durch Hartz-IV verarmen
Hunderttausende dauerhaft, es gibt Ärger in den Job-Centern, Finanzausfälle bei den Kommunen.
Somit muss »re(a)giert« werden.
Das Drama beginnt mit einem Vorspiel. Der DGB-
Vorsitzende Sommer erklärt den (von ihm) nicht geführten Kampf gegen Hartz IV gegenüber dem
Spiegel für beerdigt und bläst zum Abmarsch die Empörung der Betroffenen prallt an
ihm ab.
Erster Akt: Der Bundeskanzler tritt vor die
Unternehmer und kündigt Maßnahmen an. Eichel und Clement streiten sich, ob eine weitere Senkung
der Unternehmenssteuern gefordert werden darf. Schröder drängt auf Investitionen für
Arbeitsplätze. Clement bezeichnet das Ansteigen der Arbeitslosenzahlen als »Realismus«
die Satire wiederholend, die bisher schon die offiziellen Zahlen der Bundesbehörde für
Arbeitslosigkeit auszeichnete.
Zweiter Akt: Auftreten die Vertreter des
freien Unternehmertums, die in den letzten Jahren unter den Gewerkschaften, den Arbeitslosen, den
Rentenbeziehenden und Kranken so gelitten haben. Sie verkünden, nun müssten endgültig die
Unternehmenssteuern gesenkt und die Renten gekürzt werden, sonst könnte von Arbeit in Deutschland
gar nicht mehr die Rede sein. Steigende Gewinne, Exportüberschüsse, die bisherigen
Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerungen, dazu Nullrunden bei den Renten und einen beispiellos
niedrigen Krankenstand verbuchen sie unter »stille Einlagen« zur Steigerung der
Managergehälter. Im übrigen bauen sie weiter fleißig Personal ab.
Ob und wieviel die Gewerkschaften fordern,
geht aus der Presse nicht hervor ob Sommers Spiegel-Gespräch allen den Mund einfrieren
ließ, ob mangels Interesse nur ihre Presseerklärungen nicht mehr abgedruckt werden, ist nicht
bekannt. Ein Unternehmervertreter jedenfalls, der vor einem »wichtigen« Gipfel so wenig forderte,
wäre nicht mehr lange im Amt.
Dritter Akt: Horst Köhler, der
Präsident aller Bundesbürger, tritt vor die versammelten Unternehmer, das Raunen in der Presse
nimmt zu, die Spannung wird noch einmal angeheizt werden für das Duo Schröder/Merkel. Köhler
präsentiert, was von ihm zu erwarten war: Seine in jahrelanger Tätigkeit als Wissenschaftler und
Staatssekretär in CDU-Regierungen, als Präsident des Sparkassenverbands, als Präsident der
Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und als Geschäftsführender Direktor
des IWF erreichten Erkenntnisse bündelt er in der Forderung: »Vorfahrtsregel für
Arbeit« was »anderen Zielen dient, und seien sie noch so wünschenswert, ist
nachrangig«.
Zur Behebung des von ihm benannten
»Kernproblems, den zu hohen Lohnnebenkosten«, reichen die bisherigen Reformen natürlich
nicht aus. Großer Beifall bei den Unternehmern das Publikum staunt, wie schon eine so schwache
Dramaturgie ausreicht um Hauptforderungen »niedrigere Arbeitskosten, ein flexibler Arbeitsmarkt, ein
vernünftiges Steuersystem und deutlich weniger Bürokratie« als Höhepunkt eines
präsidialen Auftritts durchgehen zu lassen. Alles schon oft und besser gehört, alles schon seit
Jahren auf der Agenda, alles schon »im rot-grünen Bereich«.
Vierter Akt: Frau Merkel und Herr Stoiber
schieben haushohe Kulissen, auf denen steht: »Pakt für Deutschland«. Sie bemühen sich,
den Eindruck zu erwecken, Schröder wäre schon so gut wie von der Bühne. Ihre Sprechblasen
sind mit Köhler koordiniert und zeigen dem Publikum: Wir wollen es können! Sie fordern richtig
tolle Maßnahmen: mehr Arbeitsplätze, weniger Beiträge zur Arbeitslosenversicherung,
längere Arbeitszeiten, Entlohnung 10% unter Tarif, Änderungen beim Kündigungs- und
Jugendschutz, mehr Teilzeit, kostengünstigere betriebliche Mitbestimmung, flexiblere
Arbeitszeiten…
Am Ende rufen Stoiber-Merkel: »Es ist
jetzt an der Bundesregierung, Farbe zu bekennen.« Man weiß nicht, ob sie hoffen oder
befürchten, dass vor dieser Drohung Schröder rot und Fischer grün wird, aber soviel gibt das
Drama wirklich nicht her.
Der fünfte Akt bringt nun endlich den
Gipfel. Alle dürfen zusehen, wie die Beteiligten hinter den Kulissen verschwinden. Die Spekulationen
erhalten frische Nahrung durch neue Horrorzahlen vom Arbeitsmarkt und gute Zahlen von der Gewinnfront.
Der Bundeskanzler gibt sich siegessicher. Alle
treten gut gekämmt und wie vorher gekleidet wieder auf die Bühne und verkünden das Ergebnis:
Die Unternehmenssteuern werden gesenkt, der Staat treibt die Einnahmeausfälle von 7 Milliarden Euro
von den anderen Steuerzahlern ein, die Renten werden erneut brutto nicht erhöht, dafür netto
gesenkt. Arbeitslose dürfen vielleicht etwas mehr zum ALG II verdienen, Unternehmen dürfen ganz
sicher netto mehr verdienen.
Der Vorhang fällt. Auf und hinter der
Bühne klatschschen alle Beteiligten Beifall, im Zuschauerraum regt sich keine Hand.
Als die Zuschauer den Saal verlassen, stehen
draußen Mitglieder des DGB und verteilen ein Flugblatt:
»Im Vorfeld haben DGB und Gewerkschaften
ihre Forderungen und Lösungsansätze der Politik vermittelt. In wichtigen Fragen zeigt sich, dass
Teilerfolge erzielt werden konnten.
Positiv ist, dass auf dem Job-Gipfel eine erste Verständigung erzielt wurde. Ein Scheitern
hätte weiteren Vertrauensverlust in die Politik bedeutet.
Die Ergebnisse dürfen nicht unter Wert verkauft werden, müssen aber auch kritisch
bewertet werden.
Der DGB sieht auf jeden Fall mit Blick auf Wachstum und Beschäftigung deutlichen weiteren
Handlungsbedarf.
Die Steuervorschläge dürfen nicht dazu führen, dass die Handlungsfähigkeit
des Staates weiter eingeschränkt wird. Vielmehr benötigt die öffentliche Hand mehr und nicht
weniger Finanzmittel, um die von den Gewerkschaften geforderten Impulse für eine nachhaltige
Förderung von Wachstum und Beschäftigung zu tätigen.«
Vor dem Theater wird zu dem Drama
tatsächlich Tragödie gespielt die Tragödie des DGB in der Bundesrepublik. Ob eine
andere Zeitung der DGB-Erklärung so viel Raum eingeräumt hat, ist nicht bekannt. Die Wirkung
ebenfalls nicht. Nur der Vizepräsident der Bundesagentur für Arbeit reagiert prompt und fordert,
deutsche Arbeitslose auf Spargel- und Erdbeerfeldern zu beschäftigen. Wir schreiben nicht 1932,
Geschichte wiederholt sich als Farce.
Rolf Euler
Angesichts der anhaltend schwachen Besucherzahlen wird das Stück vorübergehend abgesetzt. Die
Schauspieler sind zerstritten: Stoiber und Merkel wollen die Schlussvorstellung nicht mehr mittragen, weil
sie die Finanzierung allein aus einer Umverteilung der Steuerlasten unseriös finden.
Die schauspielerischen Leistungen der Truppe
um die Bundesregierung werden in der Öffentlichkeit zerrissen. In Schleswig-Holstein ist das
Stück mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Die Wahlen in NRW stehen vor der Tür sie
entscheiden, ob die Truppe überhaupt nochmal antreten kann. Ein sechster Akt wird hinzugefügt
aus dem Drama wird jetzt eine Szenenfolge ohne erkennbaren Schlusspunkt.
Sechster Akt: Auftritt Müntefering. Im
Hintergrund plätschert der Streit um die Finanzierung der Steuerreform auf Kulisse gebannt weiter. Bis
zu den Bundestagswahlen muss sie halten, damit bei Bedarf neue Spannung erzeugt werden kann.
Müntefering bläst die Backen auf und
wackelt dramatisch mit den Augenbrauen: »Unsere Kritik gilt der international wachsenden Macht des
Kapitals und der totalen Ökonomisierung eines kurzatmigen Profithandelns. Die Handlungsfähigkeit
des Staates wird rücksichtslos reduziert.«
Die Vertreter des DGB im Saal klatschen
Beifall seit langem endlich mal wieder. Die Schauspieler der Bundesregierung kommen in Fahrt,
schicken Arbeitsstaatssekretär Andres vor: Gesetzliche Verhinderung der Umgehung des Entsendegesetzes!
Gesetzliche Fixierung eines von den Tarifparteien festgelegten Mindestlohns! Die
Unternehmerverbände rascheln im Hintergrund. Andres korrigiert sogleich: »Wer den
gesetzlichen Mindestlohn nicht will, ist eingeladen, andere Instrumente anzubieten.« Gähnen im
Saal: Die Vorstellung gabs schon einmal, bei der Ausbildungsplatzabgabe, sie wurde ein Rohrkrepierer.
Dieter Hundt vom BdA ist nicht zufrieden und sorgt dafür, dass das Spiel noch eine Weile weitergeht.
Die Bundesregierung ist ihm dankbar…
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