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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2005, Seite 21

Afro Latin Party (Putumayo), Latin Garden (Lola‘s world), Fuerza (Virgin)

Lateinamerika ist musikalisch angesagt und Crossover sowieso. Davon künden erfolgreiche Sampler wie Kaminas Russendisco II der den Ska zur tanztreibenden Musik in der »Russendisco« macht. Daher ist es kein Wunder, dass Radiostationen und Labels, die auf diesem Feld zu Hause sind, Zusammenstellungen veröffentlichen.
Beim Label Putumayo haben die erfolgreichen Produktionen Afro Latino und Congo to Cuba mit Afro Latin Party eine Ergänzung bekommen. Im typischen Putumayo-Design mit umfangreichem Booklet in Spanisch, Englisch und Französisch gibt es unter anderem kroatische Salsa, kubanischen Ska und Mambo aus Portland, USA — ein Lauf durch die verschiedenen lateinamerikanischen Tänze und ihre afrikanischen Wurzeln. Drei Lieder steuert die Gruppe Africando mit unterschiedlichen Gästen bei.
Als Ibrahim 1992 Africando gründete war er einer derjenigen, die den Weg bereiteten für eine musikalische Fusion, die kulturelle Hybridisierungen aus möglichen und unmöglichen Mischungen afrikanischer und lateinamerikanischer Musikstile hervorbrachte, die heute wahrgenommen werden, als hätte es sie schon seit Menschengedenken gegeben.
Von Dakar nach Havanna wird hier ein spannungsgeladenes musikalisches Drunter und Drüber geboten, das unverschnörkelt aus einem Guss daherkommt. Kein experimentelles Album, sondern eine Werkschau, die die klassische musikalische Verbindung zwischen den beiden Kontinenten in jedem Stück neu erschafft.
Zusammengewürfelter ist da Latin Garden, eine Zusammenstellung der Funkhaus-Europa-Moderatorin Gülbahar Kültür. Nach Made in Turkey und Harem‘s secret die dritte Zusammenstellung der genialen DJane. Auf zwei CDs tummeln sich 42 Lieder. Selten nur kommt das Gefühl auf, das Stück schon einmal gehört zu haben. Latinomusik, nicht nur aus Lateinamerika, sondern Ausflüge der Latinorhythmen nach Belgien, Deutschland, England, Griechenland, Indien, Japan, Russland und in die Türkei finden wir auf der Doppel-CD. Überschneidung zur Putumayo-CD gibt es lediglich bei einer Band. Ska Cubano, diese Mischung aus kubanischen, jamaikanischen und britischen Musikern, verliert zu Recht mehr und mehr ihren Geheimtipstatus.
Auch wenn auf dieser Zusammenstellung Popgrößen wie Nusrat Fateh und Angélique Kidjo zu finden sind und das ein oder andere Lied auf Kaufhausbackground zu entschwinden droht, ist hier eine Zusammenstellung gelungen, die kaum die Gefahr anderer Sampler in sich birgt, dass bereits ein Teil der Lieder auf einer anderen CD im heimischen Regal wiederzufinden ist.
Echtes Manko bei dieser CD ist das aufklappbare Cover, das nicht mehr als die Titel und die Künstler und Künstlerinnen preisgibt. Bei einer solchen exotischen Zusammenstellung kann sich Lola‘s world sehr wohl bei Putumayo mit seinem 31-seitigen Booklet eine Scheibe abschneiden. Dennoch für die Liebhaber lateinamerikanischer Tanzmusik sind die beiden Alben unverzichtbar.
Dennoch möchte ich auf einen Sampler hinweisen, der seit fünf Jahren immer mal wieder in meinem CD-Player landet. Unter dem knappen Titel Fuerza veröffentlichte Virgin im August 2000 einen Sampler, auf dem das Label seine globalen Globalisierungsgegner versammelte. Von Nordafrika über Lateinamerika geht es nach Spanien und Frankreich. Zugegeben, die Produktion ist nicht mit dem gleichen Feingefühl abgestimmt wie der Latin Garden und nicht von der homogenen Art wie Afro Latin Party, aber sie gibt einfach mehr die Stimmung wieder, die zur heutigen Beliebtheit des Mestizo-Rock und der Fusion progressiver europäischer Rockmusik mit Latinobewegungsrhythmen geführt hat. Auch wenn Virgin 1992 vom Multi EMI geschluckt wurde, ist es besonders Virgin France, die von Mano Negra bis Asian Dub Foundation viele wichtige Bands in die Plattenläden brachte und auch Musiker wie Stephan Eicher unter Vertrag hat, der in Deutschland sicherlich bei keinem Major-Label unterkäme.
Die CD strotzt nur so von Vitalität und wenn auch das »Hasta Siempre« als Reggae von King Mafundi nicht so überzeugen kann. Dafür gibt es auch auf dieser CD Schätze wie King Changos »Venezuelan in NY«, eine Coverversion von Stings »Englishman in New York«, die Pseudoprobleme eines englischen Teetrinkers in New York in die handfesten Probleme eines illegalen Latinos in der gleichen Stadt transformiert.
Drei Produktionen, die unterschiedliche Facetten der musikalischen Brückenschläge zwischen den Erdteilen mit dem Focus auf Lateinamerika erklingen lassen und die jede für sich eine Bereicherung darstellt, aber den gesamten Reichtum, der durch diese Brücken erschlossen wird, erst zusammen erschließen.

Thomas Schroedter

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