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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2005, Seite 4

Heuschreckenparadies Deutschland

von ANDREA NOLL

Manche Hedgefonds lesen sich wie das »Who is who?« der internationalen Politprominenz — so z.B. die US-amerikanische Carlyle-Gruppe. Seit 2003 wird sie von Louis V. Gerstner geleitet (zuvor von Frank Carlucci, US-Verteidigungsminister unter Ronald Reagan). Als Chefberater fungierte bis 2003 George Bush senior, sein Außenminister James Baker ist bis heute mit von der Partie. Das Europageschäft der Carlyle Group leitete bis vor wenigen Jahren der britische Ex- Premier John Major, der heute immer noch beratend für das Unternehmen tätig ist. 2002 — ein Jahr vor der US-Invasion im Irak also — schloss die US-Regierung mit Carlyle Rüstungsaufträge über 1,4 Milliarden Dollar ab. Natürlich ist die Carlyle-Gruppe auch einer der größten Profiteure des Irakkriegs — bzw. der Irakbesatzung (die Carlyle-Gruppe lieferte nicht nur die Mittel zur Zerstörung, sondern auch die zum Wiederaufbau). Sie pflegt gute Geschäftsbeziehungen zum Bin-Laden-Clan, der eines der weltweit größten Bauunternehmen besitzt.
Carlyle ist als Investor einer dieser Heuschrecken, die, laut Müntefering, seit geraumer Zeit über Deutschland herfallen. Die Carlyle Group ist — neben Goldman Sachs, J.P.Morgan Partner und Blackstone — einer der größten Private-Equity-Fonds-Betreiber weltweit. Was sind Private-Equity-Firmen? Um den Spiegel zu zitieren: »Private-Equity-Firmen mit ihren institutionellen und privaten Investoren beteiligen sich am Eigenkapital von Unternehmen, oft übernehmen sie diese ganz. Ziel ist es, die Anteile nach einigen Jahren mit deutlichem Gewinn zu verkaufen. Die Übernahmen werden zum großen Teil kreditfinanziert — und diese Kredite aus Mitteln des übernommenen Unternehmens getilgt.« Ein Akt der Piraterie, der das stärkste Unternehmen schwindsüchtig macht. Die »übernommenen« Firmen werden normalerweise zerschlagen, personalverschlankt und gewinnbringend weiterverkauft. Oft werden gesunde Firmen — aus Gründen der Marktbereinigung — ganz aus dem Rennen genommen, ausgeschlachtet (Maschinen, Immobilien, Grundstücke) und liquidiert. Mit den Filetstücken geht die Investorengruppe mitunter selbst an die Börse. Erinnert ein bisschen an die »Treuhand«, den Abbau Ost, stimmt‘s?
In der derzeitigen Heuschreckendebatte ist fast ausschließlich von den Private-Equity-Fonds die Rede. Dabei spekulieren Heckenfonds auf so ziemlich alles — Casino-Kapitalismus pur, der vor nichts Halt macht und internationale Wirtschaftskrisen heraufbeschwört. Anders als herkömmliche Fonds spekulieren Hedgefonds nicht nur auf steigende Kurse sondern auch auf fallende. Hedgefonds sind im Grunde Wettfonds, sie wetten auf alles, was man sich vorstellen kann: Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Devisen. Hedgefonds wetten, und Wetten kann man manipulieren — das zeigt der Fall Holtzer. Internationale Börsenspekulanten manipulieren, indem sie z.B. Devisen aufkaufen, um anschließend auf steigende Kurse zu wetten bzw. auf fallende (sie werfen die zuvor aufgekauften Devisen wie wertloses Stroh auf den Markt und provozieren so einen heftigen Kursverfall). Letztere Vorgehensweise — der Großangriff internationaler Spekulanten auf den thailändischen Baht — löste 1997 die sog. »Asienkrise« aus — eine der verheerendsten internationalen Wirtschaftskrisen, die es je gab, gleichzeitig eine der erfolgreichsten Währungsspekulationen aller Zeiten. US-Geldmanager verdienten Milliarden, während Thailand, Südkorea, Indonesien und beinahe auch Malaysia und Japan in den Abgrund trudelten. In Indonesien brachen bürgerkriegsähnliche Zustände aus. Not und Wut trieben die Menschen auf die Straße, Geschäfte und Kaufhäuser wurde geplündert. Ein Gutes hatte das Ganze: Nach 32 Jahren an der Macht stürzte der indonesische Diktator Suharto. Die Krise breitete sich mit beängstigender Geschwindigkeit über den Erdball aus. Nach Asien geriet 1998 Russland in den Sog, schließlich Lateinamerika. Wenig hätte gefehlt, und die USA und Europa wären mit in den Strudel geraten. Millionen Menschen weltweit haben seit 1973 durch das internationale Spekulantentum ihre Existenz verloren, viele Hunderttausende starben an den Folgen von Hunger und Arbeitslosigkeit.
Die Taktik der SPD ist leicht durchschaubar. Vor einer Wahl wird kräftig im roten Mustopf gerührt. Nach der Wahl ist man wieder der verlässliche »Genosse der Bosse«. Aber die Deutschen durchschauen diese Strategie inzwischen.
Die internationalen Heckenfonds sind der besonders perfide Ausdruck einer pervertierten Weltwirtschafts-Unordnung, in die dringend regulierend eingegriffen werden muss. Eine schmerzhafte Tobinsteuer auf sämtliche Spekulationsgewinne (plus Abschaffung der globalen Steueroasen!) sowie die Schaffung eines neuen Bretton-Woods-Systems wären — international gesehen — dringend erforderlich. Was Münteferings Deutschland angeht, wie wäre es mit einem neuen Investionsgesetz, das Hedgefonds als Anlageform wieder verbietet — wäre doch ein Anfang, oder?

Die Autorin ist Koordinatorin, Übersetzerin und Autorin für die deutsche Internetzeitschrift Znet (www.zmag.de).



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