SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2005, Seite 12

Solidarität mit dem linken französischen Nein

Ein Appell von 200 Europäerinnen und Europäern

Der nachstehende Aufruf wurde von der französischen Koalition für ein Nein zur EU-Verfassung lanciert. Er wird von den europäischen Kräften getragen, die damit dokumentieren, dass die Gegner der EU-Verfassung in Frankreich nicht allein stehen. Die Ablehnung der Verfassung und die Forderung nach einem Volksentscheid in allen EU-Ländern reicht weit über Frankreich hinaus.

Der Prozess der Ratifizierung des europäischen Verfassungsvertrags in den 25 Mitgliedsländern leidet unter einem erschreckenden Mangel an Diskussion, an Demokratie und untersagt es einer großen Zahl an europäischen Bürgerinnen und Bürgern, ihre Meinung in einer Abstimmung zum Ausdruck zu bringen.
Angesichts dieser liberalen Verfassung, die uns von oben aufgezwungen wird, gibt es überall in Europa immer mehr Kritik, Proteste und Suche nach Alternativen.
Damit Europa einen anderen Weg einschlagen kann, den der Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit, der Solidarität, der individuellen Rechte, der Aktion für den Frieden und für einen neues Entwicklungsmodell, haben wir die große Hoffnung, dass das linke französische nein anlässlich des Referendums am 29.Mai die Mehrheit erringen wird.

— In der Folge des »Appells der 200«, der in Frankreich die Entwicklung einer einheitlichen Kampagne und eine sehr starke Dynamik gefördert hat, lancieren wir einen Appell von 200 Europäern.
In Solidarität mit dem linken französischen Nein.
Um in ganz Europa die notwendige Mobilisierung gegen diese Verfassung zu fördern.

Eine Mehrheit für ein linkes Nein mit einer starken antiliberalen Komponente am 29.Mai in Frankreich, würde eine Chance, eine Hoffnung für ganz Europa darstellen.
Es wäre eine große Unterstützung für die ständig notwendigen Mobilisierungen der Bürgerinnen und Bürger der Union. Es würde das derzeit für Arbeitswelt und Kultur, für die Mehrheit der Bevölkerung ungünstige Kräfteverhältnis zum Positiven verändern. Die Neuverhandlungen müssten diese Realitäten berücksichtigen.
Dieses »Nein« würde den Sorgen und Erwartungen aller europäischen Völker entgegenkommen, es würde bedeutende Energien freisetzen, die progressiven und antiliberalen Kräfte ermutigen, ihre Kämpfe und konkreten Forderungen in Verbindung mit der Kritik an dieser Verfassung zu entwickeln.
Ein solches Nein würde ein Signal darstellen, würde die kritische Debatte in den Organisationen, Gewerkschaften, Bewegungen, Institutionen, Medien, in allen unseren Gesellschaften beflügeln. Wie in Frankreich bereits geschehen, würde eine tatsächliche Kenntnis dieser ausgesprochen neoliberalen Verfassung zu deren Ablehnung und zur Forderung nach einer neuen Orientierung des europäischen Aufbaus führen. So könnte eine konstruktive Debatte über den Sinn des europäischen Aufbaus aufkommen, was die einzige Art und Weise wäre, das Unbehagen zu überwinden, das sehr deutlich bei den letzten Europawahlen zum Ausdruck gekommen ist.

Wir teilen die Auffassung der Kräfte des linken Nein in Frankreich, dass dieser Verfassungsvertrag unannehmbar ist für alle, die
ein demokratisches Europa wollen, da der Verfassungsvertrag ein regelrechtes politisches Programm enthält, nämlich das des Neoliberalismus. Da seiner Revision Bedingungen zugrunde gelegt werden, die eine solche praktisch unmöglich machen (vergleiche IV-443 im Vertrag). Da das demokratische Defizit bestehen und die Rolle des Parlaments und der Bürger sehr eingeschränkt bleibt (III-173; III-304; I-40; III 376/377).
ein soziales Europa wollen, da die Gesamtheit des Textes auf der Vorschrift einen »Binnenmarkts mit freiem und unverfälschten Wettbewerb« (I-3; III-177/178) herzustellen beruht. Da politische Ziele wie die Preisstabilität (I-3; I-30; III-177 und 185) und der Stabilitätspakt (III-184) Verfassungsrang bekommen. Da eine Vielzahl von Artikeln Regeln einsetzen, die Standortverlagerungen (III-144), Liberalisierung der Dienstleistungen (III-148), Ausdehnung des Wettbewerbsprinzips auf die ganze Union (III-151/6b) begünstigen. Da diese Verfassung die öffentlichen Dienstleistungen verurteilt und sie nicht mehr, wie noch im Vertrag von Nizza, in den Artikel über die gemeinsamen »Werte« (I-2) aufnimmt, sondern nur noch das eingeschränkte Konzept der »Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse« gelten lässt.
ein rechtsstaatliches Europa wollen, da die in der Charta der Grundrechte (Teil II) erklärten Rechte unzureichend sind oder eingeschränkt werden (»das Recht zu arbeiten« anstelle des »Rechts auf Arbeit«, II-75; das Recht auf eine »soziale Unterstützung« anstelle eines Rechts auf Einkommen, II-94/3), da die Charta kein europäisches Sozialrecht schafft, das geeignet wäre, das Recht des Wettbewerbs aufzuwiegen, und die Umsetzung dieser Rechte zudem noch von den »einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten« abhängig gemacht wird. Weil die Sozialpolitik, die durch europäische Rahmengesetze erlassen werden könnte, »anerkannte Befugnisse« der Mitgliedstaaten nicht berührt und dadurch jede soziale Harmonisierung untergraben wird (III-210). Weil die patriarchalische und liberale Orientierung des Vertrags negative Auswirkungen auf die Rechte der Frauen hat, insbesondere das auf Abtreibung.
ein friedliches Europa wollen, das in Brüderlichkeit mit allen Völkern der Welt lebt und sich für eine andere Welt einsetzt, da der Vertrag die europäische Verfassung an die NATO bindet (I-41/7), die Länder zur Militarisierung und zur Entwicklung ihrer Rüstungskapazitäten verpflichtet (I-41), nicht die Anerkennung der UNO-Charta integriert, die Europäische Union auf die weitere Liberalisierung des Welthandels festlegt (III-314).

Das linke französische Nein wird unser Nein sein!

Damit ein anderes Europa möglich wird.

Kontakt: Elisabeth Gauthier elgauthi@internatif.org, Michel Rousseau rousseau@ras.eu.org.

Liste der Unterzeichneten(unvollständig und vorläufig)



Aus der Politik

Vittorio AGNOLETTO (ehemals Sprecher des Genoa Social Forum, MdEP, Italien), Rosa AGUILAR (Bürgermeisterin von Córdoba, Spanien), Alexandros ALAVANOS (Vorsitzender von Synaspismos, Griechenland), Janne Louise ANDERSON (Jugendorganisation der Sozialistischen Volkspartei, Dänemark), Julio ANGUITA (ehemals Generalkoordinator von Izquierda Unida, Spanien), Walter BAIER (Vorsitzender der KPÖ, Österreich), Randi BENJAMINSEN (Sozialistische Linkspartei, Norwegen), Fausto BERTINOTTI (Generalsekretär von Rifondazione Comunista, Italien, Vorsitzender der Europäischen Linkspartei), Lothar BISKY (Vorsitzender der PDS, Deutschland), Michael BOUTEILLER (Rechtsanwalt, ehemals Bürgermeister von Lübeck, Deutschland), André BRIE (MdEP, Deutschland), Christine BUCHHOLZ (WASG-Bundesvorstand, Deutschland), Johannes BUCHNER (Vorsitzender Europäisches Netzwerk der Demokratischen Jungen Linken, ENDYL, Deutschland), Jaroslava CARDOVA (Frauenverantwortliche der KSCM, Tschechische Republik), Ian DAVIDSON (Abgeordneter Labour-Party, UK), Jean-Maurice DEHOUSSE (ehemals Vize- Präsident der Sozialistischen Fraktion im EP, Belgien), Kostas DIAKOS (Vorstand der Grünen Ökologen, Griechenland), Mats EINARDSSON (Abgeordnete, Vorsitzende der Fraktion der ELP in der Parlamentarierversammlung des Europarats, Schweden), Albert ESCOFET (Generalsekretär der PSUC, Katalonien), Ilda FIGUEIREDO (MdEP, KP Portugals), Francisco FRUTOS (Generalsekretär der KP Spaniens), Paula GARVIN (Erste Stellvertreterin des Bürgermeisters von Sevilla, Spanien), Arda GERKENS (Abgeordnete, Niederlande), Ernest GLINNE (ehemals Vorsitzender der Sozialistischen Fraktion im EP, ehemals Arbeitsminister und Vorsitzender des Europäischen Rats für Soziales, Belgien), Finn HERMANN (Enhedslisten/De Rød-Grønne, Dänemark), Kate HOEY (ehemals Ministerin, Abgeordnete der Labour Party, GB), Siv HOLMA (Abgeordnete, Schweden), Marianne HUGUENIN (Abgeordnete, Partei der Arbeit, Schweiz), Nikos KOSTANTOPOULOS (Abgeordneter, Griechenland), Jürgen KLUTE (WASG, Deutschland), Peter KREISKY (Vorsitzender der Sozialistischen Fraktion in der Arbeiterkammer, Österreich), Hayri KOZANOGLU (Vorsitzender der ÖDP, Türkei), Gaspar LLAMAZARES (Generalkoordinator von Izquierda Unida, Spanien), Sabine LOESING (Bundesvorstand WASG, Deutschland), Catherine LUCAS (MdEP, Grüne, UK), May Lou MCDONALD (MdEP, Sinn Féin, Irland), Georgios-Alexandros MANGAKIS (ehemals Justizminister, PASOK, Griechenland), Jan MARIJNISSEN (Vorsitzender der SP, Niederlande), Helmut MARKOV (MdEP, Deutschland), Luisa MORGANTINI (MdEP, Mitbegründerin der Bewegung »Frauen in Schwarz gegen den Krieg«, Italien), Lars OHLY (Abgeordneter, Vorsitzender der Linkspartei Schweden), Helena PINTO (Feministin, Abgeordnete, Bloco de Esquerda, Portugal), Miguel PORTAS (MdEP, Bloco de Esquerda, Portugal), Tobias PFLÜGER (MdEP, IMI, Deutschland), Miroslav RANSDORF (KSCM, Tschechische Republik), John REES (Nationaler Sekretär von Respect, GB), Richard SCHEDAUER (Vorsitzender des Komitees »Christen für den Sozialismus«, Österreich), Esko SEPPÄNEN (MdEP, Linksbund, Finnland), Tommy SHERIDAN (Abgeordneter, Scottish Socialist Party), Zdenek STEFEK (Vorsitzender der Kommunistischen Jugend, Tschechische Republik), Giannis THEONAS (Sekretariat der Koalition der Radikalen Linken (SYRIZA), ehemals Generalsekretär des griechischen Gewerkschaftsbunds GSEE), Attila VAJNAI (Vizepräsident der Arbeiterpartei, Ungarn), Bernard WESPHAEL (Abgeordneter, Ecolo, Belgien), Sören WIBE (Abgeordneter Sozialdemokratische Partei, Schweden), Frieder Otto WOLF (ehemals MdEP der Grünen, Deutschland), Gaby ZIMMER (MdEP, PDS, Deutschland)…

Aus Initiativen für das Nein und für eine Volksbefragung

Willem BOS (»Grondwet Nee«, Niederlande), Peter GUSTAVSSON (Referendum jetzt!, Schweden), Diosdado TOLEDANO (Landesweite Koordination »Nein zur EU-Verfassung«, Spanien), Alekos VERNARDAKIS (»Nein zur EU-Verfassung«, Griechenland), Brendan YOUNG (»Nein zur EU- Verfassung«, Irland)…

Aus Gewerkschaften

Alfons BECH (Vorstand CCOO Transport und Kommunikation, Katalonien), Guy BIAMONT (Vorsitzender Cgsp-Acod, Belgien), Jane CAROLAN (Vorstand UNISON, GB), Bob CROW (Generalsekretär RMT, GB), Georges DEBUNNE (ehemals Generalsekretär FGTB und Ex-Vorsitzender des EGB, Belgien), Salce ELVIRA (Vorstand CCOO Spanien), Sami EVREN (Vorsitzender KESK, Türkei), Diego FERREIRA (Vorstand der Gewerkschaft der Angestellten, Portugal), Tomas JOHANSSON (Vertrauensmann Volvo, Göteborg, Schweden), Grigoris KALOMORIS (Vorsitzender der Lehrergewerkschaft OLME, Griechenland), Alekos KALYVIS (Vizepräsident GSEE, Griechenland), Dorothee KRAMER (Ver.di, Deutschland), Stefan KRULL (Betriebsrat Volkswagen, Deutschland), Noel MURPHY (Generalsekretär IWU, Irland), Luciano MUHLBAUER (Sprecher SinCobas, Italien), Pierre Yves OPPIKAUFFER (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Schweiz), Klaus PICKSHAUS (IG Metall, Deutschland), Horst SCHMITTHENNER (IG Metall, Deutschland), Despoina SPANOU (Weltfrauenmarsch, Griechenland), Metaxia STEKOULEA (Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten OYE, Griechenland), Marek SZOLC (Solidarnosc, Kohlenmine Budryk, Polen)…

Aus sozialen Bewegungen und Netzwerken
Heinz BIERBAUM (ESF, Deutschland), Marco BERLINGUER (Transform, Italien), Heiko KAUFMANN (Pro Asyl, Aachener Friedenspreis 2001, Deutschland), Angela KLEIN (Euromärsche, Deutschland), Macieg KONIECZNY (Attac Polen), Kristina HARALANOVA (Feministin, Bulgarien), François HOUTART (Vorsitzender Centre Tricontinental, Belgien), Sonia MITRALIA (Weltmarsch der Frauen, Griechenland), Bettina MUSOLEK (Feministin, Deutschland), Paul NICHOLSON (Vía Campesina, Spanien), Alessando PELIZZARI (Attac Schweiz), Peter STRUTYNSKI (Kasseler Friedensratschlag), Ricardo PETRELLA (Katholische Universität Löwen, Belgien), Thomas SCHÖNFELD (Friedensrat, Österreich), Erzsébet SZILAGYI (Bewegung für Demokratie in der Gesellschaft, Ungarn), Endre SIMO (Koordination Ungarisches Sozialforum), Eric TOUSSAINT (Vorsitzender CADTM, Belgien), Piet VAN DER LENDE (Euromärsche, Niederlande), Thomas WALLGREN (Globale Demokratisierung, Finnland)…

Sonstige Persönlichkeiten

Tariq ALI (Schriftsteller, GB), Elmar ALTVATER (Ökonom, Deutschland), Robin BLACKBURN (Redaktion New Left Review), Uli BRAND (Universität Kassel, wissenschaftlicher Beirat Attac, Deutschland), Eva BRENNER (Regisseurin, Österreich), Jean BRICMONT (Physiker, Belgien), Michael BRIE (Rosa-Luxemburg-Stiftung, Deutschland), Luciana CASTELLINA (Il Manifesto, Italien), Bartolomé CLAVERO (Professor für Verfassungsrecht, Spanien), Frank DEPPE (Universität Marburg), Luís GARCIA MONTERO (Dichter, Spanien), Katia GEROU (Schauspielerin, Griechenland), Belen GOPEGUI (Schriftsteller, Spanien), Peter GOWAN (Professor für Internationale Bezieheungen, London), Joachim HIRSCH (Universität Frankfurt), Jörg HUFFSCHMID (Universität Bremen), René KUPPE (Theologe, Österreich), Luis LLACH (Liedermacher, Katalonien), Ken LOACH (Regisseur, GB), Antonis MANITAKIS (Professor für Verfassungsrecht, Griechenland), Lidia MENAPACE (Feministin, Gründungsmitglied von Il Manifesto, Italien), John NEELSEN (Universität Tübingen), Jaime PASTOR (Professor für Politische Wissenschaft, Spanien), Andras ROSZA (Schriftsteller, Ungarn), Ingo SCHMIDT (Ökonom, Deutschland), Herbert SCHUI (Universität Hamburg), Franz SEGBERS (Professor für Sozialethik, Deutschland), Pierluigi SULLO (Direktor der Zeitschrift Carta, Italien), G.M.TAMAS (Philosoph, Ungarn), Mikis THEODORAKIS (Komponist, Griechenland), Claudia von WERLHOFF (Professorin, Österreich), Hilary WAINWRIGHT (Red Pepper, London), Slavoj ZIZEK (Philosoph)…

Die vollständige Liste

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