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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2005, Seite 22

Frühjahrsratschlag von Attac

Stagnation und Erfolge

Vom 22. bis 24.April fand in Mannheim ein bundesweiter Ratschlag von Attac Deutschland statt, auf dem das globalisierungskritische Netzwerk sein fünfjähriges Bestehen feiern konnte.
Seit geraumer Zeit hält Attac zwei bundesweite Konferenzen ab: im Herbst geht es vor allem um die Neuwahl des Bundes-Koordinierungskreises, den Haushalt des kommenden Jahres und zahlreiche Anträge; im Frühjahr dagegen stehen Erfahrungsaustausch, Aktionen und Kampagnen im Vordergrund. Dem entsprechend tagte der Mannheimer Ratschlag am Samstag und Sonntag viele Stunden lang jeweils in einem guten Dutzend von parallel stattfindenden Arbeitsgruppen.
Seit der Gründung des »Netzwerks für eine demokratische Kontrolle der Finanzmärkte« im Frühjahr 2000, vor allem aber seit »Genua« (Juli 2001) hat Attac eine enorme Entwicklung von einem Bündnis von entwicklungspolitischen und kirchennahen Nichtregierungsorganisationen zu einer Mitgliedsorganisation gemacht, die hauptsächlich von den örtlichen Gruppen und Kampagnenstrukturen geprägt wird. Waren es 2001 etwa 350 Mitglieder, sind es inzwischen etwa 16500; hinzu kommen etwa 160 bundesweite Organisationen, die bei Attac Mitglied sind. 200 örtliche Gruppen existieren, inzwischen auch etliche in Ostdeutschland.
Attac steht allerdings vor dem Problem der Verzettelung, da es allmählich zu viele Schwerpunkte gibt (»Gemischtwarenladen«). Weit verbreitet ist die Stimmung in Attac, man habe eine Schwelle erreicht, es gehe inzwischen nicht mehr ungebrochen weiter aufwärts, von einem Erfolg zum anderen, »Mühen der Ebene« stünden an. Peter Wahl hat dies in einem Artikel (in Sozialismus April 2005, sowie in dem elektronischen Attac-Bulletin Sand im Getriebe) mit der kennzeichnenden Überschrift »Zwischenzeiten« dargestellt und die Begründung in dem zu Ende gegangenen »Bewegungszyklus« der Proteste gegen die »Reformen« von Rot-Grün herausgearbeitet.
Innerhalb von Attac entsteht immer wieder der Eindruck, die öffentliche Wahrnehmung sei viel positiver als die Realität vor Ort, in den Ortsgruppen mit ihrer hohen Fluktuation und ihrer im Verhältnis zur Zahl der eingeschriebenen Mitglieder und zu den Erwartungen aus verschiedenen Richtungen viel zu kleinen Zahl von Aktiven. Da war es nicht unwichtig mitzubekommen, wie sehr Attac zu einem Faktor geworden ist, der in einer großen Öffentlichkeit wahr- und ernst genommen wird. Eine Andeutung davon gaben die zahlreichen anwesenden Gäste — von der Repräsentantin der Rosa-Luxemburg-Stiftung bis zur Fernsehjournalistin Sonia Mikich — und die übermittelten Grußadressen u.a. von Frank Bsirske, Terre des hommes, KAB, Le Monde diplomatique, DGB-Jugend, Naturfreundejugend, Grüne Jugend...
Auf der anderen Seite kommt niemand umhin festzustellen, dass auch Attac (wie die verschiedenen politischen und sozialen Bewegungen in der BRD) damit konfrontiert ist, dass es zwar gelungen ist, »Globalisierungskritik« zum Thema zu machen, aber im Hinblick auf die Verhinderung von Gegenreformen keine Erfolge zu verzeichnen gewesen sind.
Interessant fand ich, dass Thilo Bode, der ehemalige Geschäftsführer von Greenpeace BRD, bei einer Podiumsdiskussion die »Professionalisierung« der Bewegung lobte (gemeint war wohl die Arbeit der Bundesarbeitsgemeinschaften und der Bundesgeschäftsstelle), während innerhalb von Attac vielfach Unerfahrenheit, Handwerkelei und mangelnde Kontinuität beklagt werden. Er äußerte sich positiv darüber, dass Attac sich des Themas »Verteilungsgerechtigkeit« (der sozialen Frage) angenommen habe, was innerhalb von Attac zwar von einer sehr breiten Mehrheit getragen, doch gelegentlich als Irrweg kritisiert wird, weil es zu weit von den »Kernanliegen« Kritik der globalen Finanzspekulationen und Handels- und Finanzinstitutionen sowie der Forderung nach einer Tobinsteuer entfernt sei.
Zwei Themen haben auf diesem Ratschlag eine erstaunliche geringe Rolle gespielt: die »bewaffnete Globalisierung«, also die Fragen Krieg oder Besetzung des Irak sowie, das Sozialforum in Deutschland. Dagegen wurde die Frage der EU-Verfassung in mehreren Arbeitsgruppen, einer Erklärung, einer Pressemitteilung usw. (zwar spät, aber immerhin) breit aufgegriffen; vor allem im Südwesten laufen hierzu auch eine ganze Reihe von Aktivitäten, vielfach gemeinsam mit Attac Frankreich. Die Position von Attac zu diesem Vertragswerk ist kristallklar: ein massives Nein, begründet sowohl mit der Militarisierung wie mit dem Festschreiben von Neoliberalismus und Privatisierungen als auch mit dem undemokratischen Charakter der Verfassung wie der Institutionen der Union.
Fazit: Die Mitarbeit und das Mitstreiten in Attac lohnt sich nach wie vor.

Wilfried Dubois

Infos unter www.attac.de

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