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Der konstituierende Parteitag des Berliner Landesverbands der WASG hat die
Herausforderung der vorgezogenen Bundestagswahl angenommen: Die Chance für einen antineoliberalen
Block der Gegner und Verlierer des neoliberalen Gesellschaftsumbaus eine parlamentarische Repräsentanz
zu bekommen, soll genutzt werden, allerdings in der Art, dass die WASG dabei einen eigenständigen
Wahlkampf führt.
»Der Landesverband Berlin akzeptiert die
Zusammenarbeit mit der PDS auf Bundesebene zur Bundestagswahl 2005. Nach den öffentlichen Diskussionen
und den nichtöffentlichen Verhandlungen besteht keine andere realistische Möglichkeit mehr, eine
Opposition gegen die herrschende neoliberale Politik im Bundestag deutlich zu machen. Erwartungen und
Hoffnungen von Wählerinnen und Bürgern sind an dieses Projekt geknüpft«, heißt es
in dem Antrag zur Bundestagswahl, der mit 60 zu 45 Stimmen bei 17 Enthaltungen angenommen wurde.
Gleichzeitig wiesen Rednerinnen und Redner auf
dem Parteitag auf die Risiken hin, die die Dynamik der politische Diskussion über ein Zusammengehen
mit der PDS birgt.
Einerseits sind die Hoffnungen auf einen
antineoliberalen Block groß, der die Chance hat, mit 8% der Stimmen und mehr in den Bundestag
einzuziehen eventuell sogar dritte Kraft zu werden; diese Chance muss genutzt werden. Andererseits
sehen viele die Gefahr, dass die WASG dabei ihre Identität und Glaubwürdigkeit verliert.
In Verantwortung für die Linke in
Deutschland ist die WASG in fast allen relevanten Fragen der PDS entgegengekommen. Wenn ihre Kandidatinnen
und Kandidaten unter welchem Namen auch immer auf offenen Listen der PDS antreten, erinnert dies an das
2003 von Michael Brie entwickelte Konzept einer »PDS Plus«. Weil allein PDS-Strukturen über
die Aufstellung der Kandidaten entscheiden können, tritt im Kern kein neues Linksbündnis mit zwei
gleichberechtigten Komponenten an.
In dem Antrag heißt es deshalb weiter:
»Sollen die Chancen, die mit der Neugründung der WASG verbunden sind, nicht verspielt werden,
kann über einen organisatorischen Anschluss an die PDS erst in der Diskussion nach der Bundestagswahl
und nach der Entwicklung arbeitsfähiger und handlungsfähiger demokratischer Strukturen in der
WASG entschieden werden.«
Die WASG wird daher aufgefordert, zu den
Bundestagswahlen einen eigenständigen Wahlkampf zu führen: u.a. mit den Themen
Arbeitszeitverlängerung in Bund und Land; Erhalt der Flächentarife auf allen Ebenen; Kampf gegen
die Hartz IIV sowie Widerstand gegen die Umsetzung der Agenda 2010 auf Bundes- und Landesebene; keine
Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen.
Für Berlin stellt das Zusammengehen von
WASG und PDS ein besonderes Problem für das politische Profil und die Eigenständigkeit der WASG
dar. Der »rot-rote« Berliner Senat steht für eine besonders rabiate Politik der
Sozialkürzungen, des Tarifbruchs (Austritt aus dem kommunalen Arbeitgeberverband) und der
Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge und öffentlichen Eigentums. Obwohl jeder sechste
Berliner unter der Armutsgrenze lebt, kürzt der Senat weiter bei Sozialhilfebeziehenden und
Behinderten. Lang gewachsene soziale Projekte werden zerschlagen, die städtische Infrastruktur wird
zunehmend zerstört, Stellen werden abgebaut und teilweise durch 1-Euro-Jobs »ersetzt«,
Löhne werden gekürzt, Arbeitszeiten verlängert. Pragmatische PDS-Genossen im Berliner Senat
»sanieren« Seite an Seite mit Sozialdemokraten wie Wowereit und Sarrazin die Berliner Finanzen:
der Haushalt 2005/06 sieht eine weitere Kürzungsorgie vor und vernachlässigt völlig die
Einnahmeseite. Auch der Bundesvorstand der WASG erkennt in der Regierungsbeteiligung der PDS in der
Bundeshauptstadt ein gewaltiges Konfliktpotenzial.
Der Parteitag beschloss deshalb ein
unterschiedliches Vorgehen in Bund und Land: »Die WASG Berlin tritt im Oktober 2006 eigenständig
zu den Berliner Abgeordnetenhauswahlen an mit dem Ziel, eine starke Opposition gegen die neoliberale
Politik des SPD/PDS-Senats zu bilden.«
Dieser Beschluss wurde ergänzt durch die
Verabschiedung einer landespolitischen Erklärung, die u.a. die Rücknahme der Kürzungen im
Sozial-, Bildungs- und Kulturbereich, den Stopp der Privatisierungsvorhaben bei den landeseigenen
Betrieben, die Rücknahme der Risikoabschirmung für die Bankgesellschaft, die Rücknahme von
Arbeitszeitverlängerungen und Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst sowie die Rückkehr
Berlins in den kommunalen Arbeitgeberverband fordert.
In den Diskussionen auf dem Parteitag wurde
vor allem betont, dass der Hauptgegner die neoliberalen Blockparteien SPD-CDU-Grüne und FDP seien. In
den Gesprächen und Diskussionen mit der PDS sei es für die Identität und
Glaubwürdigkeit der WASG aber von zentraler Bedeutung, dass die WASG neoliberale Politik auf Bundes-,
Landes- und kommunaler Ebene gleichermaßen bekämpft.
Roland Klautke
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