SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2005, Seite 9

Lohndebatte

Müntes jüngste Sau

von ROLF EULER

Die Sozialdemokratie pfeift im dunklen Keller — anders kann man wohl kaum die in den Junitagen losgetretene sog.«Lohndebatte« nennen. Franz Müntefering meint, dass in gut verdienenden Branchen nun auch mal Lohnsteigerungen dran wären. In die gleiche Kerbe schlugen — so wurde der Anschein erweckt — auch Finanzminister Eichel und Wirtschaftsminister Clement. Das Ganze im zeitlichen Zusammenhang mit der Gründung einer Wahlalternative auf der Linken und nach desaströsen Wählerumfragen, die die SPD deutlich unter 30% sehen.
Nun sind zweifellos die schwachen Lohnerhöhungen ein großes Problem — für die betroffenen Beschäftigten ebenso wie für die Arbeitslosen und Rentner, deren Bezüge von den Einkommen der Beschäftigten abgeleitet werden. Aber diese Regierung hat jahrelang eine Position der Senkung der Lohn- und Lohnnebenkosten vertreten, angeblich um den Standort Deutschland wettbewerbsfähig zu halten. Bei Lohnrunden gab es immer den Hinweis auf die gesamtwirtschaftliche Verantwortung der Gewerkschaften. Die sozialpolitischen Maßnahmen der Regierung führten zu ständigen Rückgängen bei Rentnern und Arbeitslosen, während andererseits die Steuern auf Vermögen, Kapital und hohe Einkommen gesenkt wurden. Wenn alternative Wirtschaftswissenschaftler die Binnennachfrage erhöht sehen wollten, waren Clement und Eichel die ersten Bremser.
Jetzt — alle SPDler starren Richtung Opposition — erklärt Kanzler Schröder Lohnerhöhungen für »wünschenswert«, und der Wahlk(r)ampf lässt grüßen, bevor Neuwahlen noch klar sind. Clement berichtigt umgehend eventuelle Fehlinterpretationen: es gäbe keinen Schwenk, es ginge um »Einmalzahlungen« in florierenden Unternehmen — genau das, was die Unternehmen schon immer zur Vermeidung von tariflichen Lohnerhöhungen zugestehen wollten. Agenda 2010 bleibt — die Sozialdemokratie geht mit Schröder zusammen mit fliegenden Fahnen in Richtung Abgrund, sich als Alternative zum Kapitalismus pur der FDP andienernd.
Diese sog. Lohndebatte von Müntes Gnaden ist so schnell wieder von der Bühne gewesen wie sie gekommen ist. Alle wichtigen Branchen hatten bereits langfristige Tarifverträge abgeschlossen, Druck und Chemie folgten auf dem Fuße, ohne dass eine deutliche Lohnerhöhung zu erkennen wäre, im Gegenteil. Die IG BCE hielt sich mit Einmalzahlungen im Bergbau und in der Chemie an Clements Linie.
Allen ins Gedächtnis: Lohnerhöhungen sind Sache von kampfwilligen und -fähigen Belegschaften, und dann von Gewerkschaften, die sich dies auf ihre Fahnen schreiben. So selbstbewusst sollte gerade das Scheitern der rot-grünen Regierung die Beschäftigten wieder machen, dass sie nicht auf Müntefering oder die Wahlkampfparolen egal welcher Partei warten. Die haben gut reden, wenn lang laufende Tarifverträge unter Dach und Fach sind und gerade die Arbeitszeitverlängerung im öffentlichen Dienst allen fortschrittlichen Forderungen Hohn spricht.

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