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Das Resultat des niederländischen Referendums zum EU-Verfassungsvertrag
ist ein klares Votum gegen das neoliberale Projekt, nicht jedoch gegen Europa, die europäische
Zusammenarbeit und Integration oder gegen die Europäische Union. Dies bedeutet nicht, dass das Votum
ausschließlich links oder progressiv war. Traditionalistische, christliche, nationalistische und
immigrantenfeindliche Gefühle spielten auch eine Rolle. Doch die Kampagne wurde von ihnen gewiss nicht
dominiert.
Bei einer Beteiligung von 63% stimmten 62% der Stimmberechtigten gegen die europäische
Verfassung. Die Wahlbeteiligung war höher als bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2004 oder
bei den Kommunalwahlen 2002.
Die Klassenbasis des Nein war klar. Je
schlechter ausgebildet die Abstimmenden waren, desto wahrscheinlicher stimmten sie mit Nein. Von den
Personen mit Hochschulabschluss stimmten 51% mit Nein; bei Menschen mit Hauptschulabschluss waren es 82%,
bei Abstimmenden mit höherer Schulbildung, aber ohne Hochschulabschluss 72%. Je geringer das
Einkommen, desto wahrscheinlicher war die Entscheidung für das Nein. Bei den höchsten Einkommen
hatte das Nein eine knappe Mehrheit, während zwei Drittel der Personen mit mittlerem oder niedrigerem
Einkommen mit Nein stimmten. Unter den Frauen war das Nein deutlich stärker vertreten als bei den
Männern.
Im ärmsten Stimmbezirk des Landes,
Reinderland im Osten der Provinz Groningen, stimmten 84,6% mit Nein. Höher war der Anteil der Nein-
Stimmen nur noch im orthodox-protestantischen Fischerdorf Urk, wo 91,6% mit Nein stimmten.
Einer Mehrheit für das Ja gab es nur in
etwa zwanzig kleineren Stimmbezirke mit einer wohlhabenderen Bevölkerung im Zentrum und im Süden
des Landes. Den höchsten Anteil hatte das Ja in Rozendaal mit 62,7%. In den Städten war dieser
Trend auch offensichtlich: je wohlhabender eine Gemeinde, desto mehr Menschen stimmten mit Ja.
Von den Anhängern der
sozialdemokratischen PvdA stimmten 55% gegen die Verfassung. Unter den Unterstützern von Groen-Links
stimmte mit 52% eine knappe Mehrheit für Ja. Auch von den Wählern der sehr EU-freundlichen
liberalen Partei D66 stimmten immerhin 45% mit Nein. Nur bei den Anhängern der regierenden
christdemokratischen CDA gab es mit 80% eine klare Mehrheit für das Ja. Von den Wählern der
rechtsliberalen VVD stimmten fast 40% mit Nein.
Dagegen war bei den Anhängern der
Parteien, die zum Nein aufriefen, die Anzahl der für ein Ja Votierenden äußerst gering. Nur
bei den Unterstützern der orthodox-protestantischen Christlichen Union erreichten die Ja-Stimmen etwas
mehr als 10%.
Das Ergebnis ist umso bemerkenswerter, wenn
man bedenkt, dass die traditionellen Parteien, die sich für das Ja aussprachen die
Regierungsparteien CDA, VVD und D66 sowie die Oppositionsparteien PvdA und Groen-Links über 85%
der Parlamentssitze verfügen. Die einzigen Abgeordneten, die gegen die Verfassung sind,
repräsentieren die Sozialistische Partei (SP, eine Partei maoistischen Ursprungs, die sich in den
letzten Jahren zur größten politischen Kraft links von der Sozialdemokratie entwickelt hat und
über acht Abgeordnete im Parlament verfügt), die zwei kleinen orthodox-protestantischen Parteien,
die Reste der rechten Partei von Pim Fortuyn sowie Geert Wilders, ein rechter Abgeordneter, der sich von
der VVD getrennt hat.
Außerdem unterstützte nahezu die
gesamte »Zivilgesellschaft« den Verfassungsvertrag: die Führungen der Gewerkschaften, die
größten Umweltorganisationen, die kleineren und mittleren Unternehmerverbände, Amnesty
International, Greenpeace und entwicklungspolitische NGOs. Nur eine begrenzte Anzahl kleinerer Umwelt- und
Tierrechtsorganisationen war dagegen.
Das Ergebnis enthüllt nicht nur einen
Abgrund zwischen Bürgern und Politikern, sondern auch eine vertikale Spaltung in faktisch allen
gesellschaftlichen Organisationen. Ihre Führungen unterstützten die Verfassung, während ein
hoher Anteil ihrer Mitglieder sie ablehnte.
Die stärkste Kraft im Lager des Nein war
zweifellos die SP, die sowohl in den Medien als auch auf der Straße eine sehr aktive Kampagne
durchführte. Diese betonte die Notwendigkeit, die Niederlande zu retten, da diese Verfassung Europa in
einen Superstaat und Holland in eine Provinz verwandele.
Selbstverständlich spielten alle
möglichen, sich vermischenden Motive beim Sieg des Nein eine Rolle: eine weitverbreitete Aversion
gegen die neoliberale Regierungspolitik und gegenüber Politikern im Allgemeinen; Opposition gegen
ständige Einmischungen aus Brüssel; Furcht vor dem Verlust nationaler Identität; christliche
und nationalistische Motive; ein intensiver Ärger über die Arroganz des Ja-Lagers. Es ist
schwierig zu beurteilen, welche Elemente letztlich entscheidend waren. Es gibt jedenfalls einen breiten
Konsens darüber, dass die Kampagne nicht antieuropäisch war, sondern sich mehr dagegen richtete,
wie Europa funktioniert. Sicher ist auch, dass der Ex-VVD-Rebell Wilders mit seiner antitürkischen und
antimuslimischen Kampagne keine vorherrschende Rolle gespielt hat.
Generell kann man das Ergebnis als eine
unzweideutige Ablehnung des neoliberalen Projekts interpretieren und feststellen, dass insbesondere die
Linke dieser Kampagne ihren Stempel aufgedrückt hat.
Willem Bos, Rotterdam
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