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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2005, Seite 20

›African Village‹

Buschtrommeln im Zoo Augsburg

Der Zoo Augsburg veranstaltete vom 9. bis 12.Juni 2005 ein »African Village«. Das Modell einer Savannenlandschaft diente als Kulisse für Kunsthandwerker, afrikanisches Essen und »Informationen über die afrikanische Kultur.« Das hört sich interessant an. Es hagelte aber Proteste. Antifas, antirassistische Organisationen, in Deutschland lebende Afrikaner und Deutsche mit schwarzer Hautfarbe sprechen von »kolonialen Blickverhältnissen«. Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland bezeichnet die Veranstaltung als Völkerschau.

Völkerschauen fanden ungefähr zwischen 1870 und 1950 in Europa statt. Sie gingen hervor aus Kolonialausstellungen — den damaligen Expos —, in denen die Kolonialmächte ihre Besitztümer präsentierten. Die Völkerschauen fielen nicht vom Himmel. Die Bourgeoisie hatte die Menschheit in Völker eingeteilt und damit die Bewohner von Territorien als eigenständige Einheiten gesetzt — im Unterschied zum Adel, der die Einheirat und dynastische Chronik zum Kennzeichen hatte. Die Menschen aus den Kolonien zeigte man im besten Fall als Exoten, aber auch als Barbaren, Heiden oder Wilde — nicht als vollwertige Menschen. Sie dienten als Material für »Rassenkundler« und oft als lebendige Museumsstücke.
Ihre Präsentation neben den Tieren »ihrer Heimat« hatte eine Basis im damaligen biogeografischen Rassismus. Viele Wissenschaftler des Bürgertums gingen davon aus, dass sich in den Regionen der Welt Menschenrassen entwickelt hätten, die Unterschiede in Intelligenz, Zivilisationsgrad und Leistungsfähigkeit aufweisen.
Diese Pseudowissenschaft, die aus Unterschieden in der Morphologie auf biologische Degeneration schließt, ist widerlegt. Es gibt keine Menschenrassen; der biologische Begriff der Rasse ist nicht auf Menschen anwendbar. Die genetische Differenz unter Individuen ist größer als zwischen Menschengruppen.
Die Direktorin des Zoo Augsburg, Barbara Jantschke, sieht das Spektakel hingegen als Zeichen für »Toleranz und Völkerverständigung«. Dagegen wäre nichts einzuwenden. Sie verneint aber ihre eigene Aussage. Der Zoo sei der »richtige Ort, um auch die Atmosphäre von Exotik zu vermitteln«. Exotismus ist aber gerade keine Verständigung zwischen Gleichen. Der Exotismus — die tolerante Arroganz — ist die mildeste Form des Rassismus, ist aber Rassismus. Dem Barbaren und dem Wilden wird kein eigenständiges Existenzrecht eingeräumt. Man darf ihn unterwerfen, missionieren, beherrschen, ausbeuten.
Der Exot ist das Inventar der »schönsten Zeit des Jahres«, das Freizeitvergnügen, die Unterhaltung. Der Besucher, Tourist oder Kolonialreisende steht ihm »positiv« gegenüber. Das »Exotische« ist aber gerade nicht der »Ernst des Lebens«. Im Unterschied zum Barbaren findet mit dem Exoten ein Dialog statt. Dieser Dialog ist brüchig, denn der Exot hat dem Bedürfnis nach Unterhaltung zu entsprechen.
So hagelte es Proteste, als Carl Hagenbeck Bella Coola von der Nordwestküste Amerikas präsentierte. Das Hamburger Publikum führte sich an der Nase herumgeführt. Die Männer der Bella Coola trugen Schnurrbärte und Holzpanzer, aber keinen Federschmuck oder Lederfransenhemden, keine Bögen und keine »Friedenspfeifen«. Sie entsprachen nicht dem Bild vom »richtigen Indianer« wie es das Publikum von Karl May und den Groschenromanen kannte.
Die damalige Empörung zeigt, wie brüchig die »Sympathie« für die Exoten ist. Sie sind nur so lange Farbtupfer in der Alltagsrealität des Bürgers, wie sie nicht wirklich werden. Exoten, die nicht funktionieren, können zu Wilden oder Barbaren werden. Der Exotismus ist allerdings von allen Rassismen der einzige, der ein Potenzial zur Emanzipation beinhaltet. Aus dem Exoten kann ein Freund werden, aus dem Barbaren niemals. Der Exotismus befindet sich an der Schnittstelle zwischen Rassismus und Völkerverständigung. Die »exotische Atmosphäre« zeigt allerdings, wo »der Spaß aufhört«. Die Definitionsmacht liegt bei dem, der das Exotische als exotisch definiert. »Afrikaner« werden ein »afrikanisches Dorf« nicht exotisch finden. Die Atmosphäre ist für den weißen europäischen Besucher »exotisch«.
Ist die Präsentation an sich fragwürdig? Die Welthungerhilfe hält einen Zoo für den denkbar schlechtesten Ort, um afrikanische Lebenswirklichkeit widerzuspiegeln. Zwischen Affen ginge so etwas nicht. Diese Kritik bewegt sich im umgekehrten Fahrwasser der Ausstellung in Augsburg. Es ist nicht die Präsentation im Zoo als solches, sondern Form und Inhalt der Präsentation. Ein Zoo ist eine kulturelle Institution wie ein Museum. Eine Ausstellung ist aber per se weder fortschrittlich noch reaktionär. Sie ist ein Hybrid zwischen dem Ausgestellten, der Motivation der Aussteller und der Resonanz der Besucher — entwickelt eine ganz eigene Dynamik. Eine Ausstellung ist nie authentisch, sondern immer künstlich.
Fortschrittliche Zoos arbeiten mit dem Schwerpunkt Artenschutz. Artenschutz und soziale Emanzipation, die soziale und die ökologische Frage bedingen einander. Ein Zoo, der sich dem Artenschutz verpflichtet, kann Aufklärung über die soziale Realität bieten. Er muss es sogar. Eine Ausstellung über die Vernichtung der Wälder des Kongo und den damit einher gehenden Völkermord ohne die Verbrecher zu benennen, wäre fahrlässig. Solche Ausstellungen gehören in Zoos, die Anderes sein wollen als Sammlungen »exotischer Tiere«.
Der Kölner Zoo geht z.B. einen emanzipatorischeren Weg als der Zoo in Augsburg. Im Regenwaldhaus erfahren die Besucher von der Zerstörung der Regenwälder in Südostasien durch multinationale Konzerne. Alternativen in Form von ökologisch und sozial sinnvoller Nutzung der Ressourcen durch die dort lebenden Menschen wird ebenfalls vorgestellt. Der Zootierpark Erfurt eröffnete die neue Bisonanlage, einen Hektar groß, ohne Klimbim und Exotismus, dafür mit den Voraussetzungen, dass die Tiere ihr Verhalten ausleben können. Ein Text des Lakota Lame Deer zeigt den Besuchern die Bedeutung des Bisons für die Plains-Kulturen und den Zusammenhang zwischen Bison-Massaker und Völkermord an den natives. Ein befreundeter Blackfoot nahm Erde von der Anlage mit nach Amerika. Er sagte: »Dies ist gute Erde.« Die Kontakte zwischen Blackfeet und dem Zootierpark sind nach wie vor intensiv. So geht es auch!
Schwarze Deutsche und Afrikaner in Deutschland und antirassistische Initiativen sehen das African Village als Gegenteil von Völkerverständigung. Wer »Völkerverständigung« will und Proteste der Betroffenen auslöst, hat etwas falsch gemacht: Er hat sie nicht als vollwertige Menschen respektiert. Mit einem Exoten kooperiert man nicht — er bleibt Unterhaltung. Rassismus bricht erst dann auf, wenn die »Anderen« gleichwertige Partner sind, die nicht das Salz in der Suppe kolonialer Sehnsüchte darstellen. Die Erfahrung »afrikanischer« Lebensrealität ist viel interessanter als »Exoten«. Die spiegeln nur die Vorurteile der Besucher und infantilisieren die »Anderen«. Die Besucherinnen und Besucher verkauft man mit »Exotik« für blöd.

Utz Anhalt

Utz Anhalt ist Redakteur von www.sopos.org.



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