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Der Zoo Augsburg veranstaltete vom 9. bis 12.Juni 2005 ein »African
Village«. Das Modell einer Savannenlandschaft diente als Kulisse für Kunsthandwerker,
afrikanisches Essen und »Informationen über die afrikanische Kultur.« Das hört sich
interessant an. Es hagelte aber Proteste. Antifas, antirassistische Organisationen, in Deutschland lebende
Afrikaner und Deutsche mit schwarzer Hautfarbe sprechen von »kolonialen Blickverhältnissen«.
Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland bezeichnet die Veranstaltung als Völkerschau.
Völkerschauen fanden ungefähr zwischen 1870 und 1950 in Europa statt. Sie gingen hervor
aus Kolonialausstellungen den damaligen Expos , in denen die Kolonialmächte ihre
Besitztümer präsentierten. Die Völkerschauen fielen nicht vom Himmel. Die Bourgeoisie hatte
die Menschheit in Völker eingeteilt und damit die Bewohner von Territorien als eigenständige
Einheiten gesetzt im Unterschied zum Adel, der die Einheirat und dynastische Chronik zum Kennzeichen
hatte. Die Menschen aus den Kolonien zeigte man im besten Fall als Exoten, aber auch als Barbaren, Heiden
oder Wilde nicht als vollwertige Menschen. Sie dienten als Material für
»Rassenkundler« und oft als lebendige Museumsstücke.
Ihre Präsentation neben den Tieren
»ihrer Heimat« hatte eine Basis im damaligen biogeografischen Rassismus. Viele Wissenschaftler
des Bürgertums gingen davon aus, dass sich in den Regionen der Welt Menschenrassen entwickelt
hätten, die Unterschiede in Intelligenz, Zivilisationsgrad und Leistungsfähigkeit aufweisen.
Diese Pseudowissenschaft, die aus
Unterschieden in der Morphologie auf biologische Degeneration schließt, ist widerlegt. Es gibt keine
Menschenrassen; der biologische Begriff der Rasse ist nicht auf Menschen anwendbar. Die genetische
Differenz unter Individuen ist größer als zwischen Menschengruppen.
Die Direktorin des Zoo Augsburg, Barbara
Jantschke, sieht das Spektakel hingegen als Zeichen für »Toleranz und
Völkerverständigung«. Dagegen wäre nichts einzuwenden. Sie verneint aber ihre eigene
Aussage. Der Zoo sei der »richtige Ort, um auch die Atmosphäre von Exotik zu vermitteln«.
Exotismus ist aber gerade keine Verständigung zwischen Gleichen. Der Exotismus die tolerante
Arroganz ist die mildeste Form des Rassismus, ist aber Rassismus. Dem Barbaren und dem Wilden wird
kein eigenständiges Existenzrecht eingeräumt. Man darf ihn unterwerfen, missionieren,
beherrschen, ausbeuten.
Der Exot ist das Inventar der
»schönsten Zeit des Jahres«, das Freizeitvergnügen, die Unterhaltung. Der Besucher,
Tourist oder Kolonialreisende steht ihm »positiv« gegenüber. Das »Exotische« ist
aber gerade nicht der »Ernst des Lebens«. Im Unterschied zum Barbaren findet mit dem Exoten ein
Dialog statt. Dieser Dialog ist brüchig, denn der Exot hat dem Bedürfnis nach Unterhaltung zu
entsprechen.
So hagelte es Proteste, als Carl Hagenbeck
Bella Coola von der Nordwestküste Amerikas präsentierte. Das Hamburger Publikum führte sich
an der Nase herumgeführt. Die Männer der Bella Coola trugen Schnurrbärte und Holzpanzer,
aber keinen Federschmuck oder Lederfransenhemden, keine Bögen und keine »Friedenspfeifen«.
Sie entsprachen nicht dem Bild vom »richtigen Indianer« wie es das Publikum von Karl May und den
Groschenromanen kannte.
Die damalige Empörung zeigt, wie
brüchig die »Sympathie« für die Exoten ist. Sie sind nur so lange Farbtupfer in der
Alltagsrealität des Bürgers, wie sie nicht wirklich werden. Exoten, die nicht funktionieren,
können zu Wilden oder Barbaren werden. Der Exotismus ist allerdings von allen Rassismen der einzige,
der ein Potenzial zur Emanzipation beinhaltet. Aus dem Exoten kann ein Freund werden, aus dem Barbaren
niemals. Der Exotismus befindet sich an der Schnittstelle zwischen Rassismus und
Völkerverständigung. Die »exotische Atmosphäre« zeigt allerdings, wo »der
Spaß aufhört«. Die Definitionsmacht liegt bei dem, der das Exotische als exotisch definiert.
»Afrikaner« werden ein »afrikanisches Dorf« nicht exotisch finden. Die Atmosphäre
ist für den weißen europäischen Besucher »exotisch«.
Ist die Präsentation an sich
fragwürdig? Die Welthungerhilfe hält einen Zoo für den denkbar schlechtesten Ort, um
afrikanische Lebenswirklichkeit widerzuspiegeln. Zwischen Affen ginge so etwas nicht. Diese Kritik bewegt
sich im umgekehrten Fahrwasser der Ausstellung in Augsburg. Es ist nicht die Präsentation im Zoo als
solches, sondern Form und Inhalt der Präsentation. Ein Zoo ist eine kulturelle Institution wie ein
Museum. Eine Ausstellung ist aber per se weder fortschrittlich noch reaktionär. Sie ist ein Hybrid
zwischen dem Ausgestellten, der Motivation der Aussteller und der Resonanz der Besucher entwickelt
eine ganz eigene Dynamik. Eine Ausstellung ist nie authentisch, sondern immer künstlich.
Fortschrittliche Zoos arbeiten mit dem
Schwerpunkt Artenschutz. Artenschutz und soziale Emanzipation, die soziale und die ökologische Frage
bedingen einander. Ein Zoo, der sich dem Artenschutz verpflichtet, kann Aufklärung über die
soziale Realität bieten. Er muss es sogar. Eine Ausstellung über die Vernichtung der Wälder
des Kongo und den damit einher gehenden Völkermord ohne die Verbrecher zu benennen, wäre
fahrlässig. Solche Ausstellungen gehören in Zoos, die Anderes sein wollen als Sammlungen
»exotischer Tiere«.
Der Kölner Zoo geht z.B. einen
emanzipatorischeren Weg als der Zoo in Augsburg. Im Regenwaldhaus erfahren die Besucher von der
Zerstörung der Regenwälder in Südostasien durch multinationale Konzerne. Alternativen in
Form von ökologisch und sozial sinnvoller Nutzung der Ressourcen durch die dort lebenden Menschen wird
ebenfalls vorgestellt. Der Zootierpark Erfurt eröffnete die neue Bisonanlage, einen Hektar groß,
ohne Klimbim und Exotismus, dafür mit den Voraussetzungen, dass die Tiere ihr Verhalten ausleben
können. Ein Text des Lakota Lame Deer zeigt den Besuchern die Bedeutung des Bisons für die
Plains-Kulturen und den Zusammenhang zwischen Bison-Massaker und Völkermord an den natives. Ein
befreundeter Blackfoot nahm Erde von der Anlage mit nach Amerika. Er sagte: »Dies ist gute Erde.«
Die Kontakte zwischen Blackfeet und dem Zootierpark sind nach wie vor intensiv. So geht es auch!
Schwarze Deutsche und Afrikaner in Deutschland
und antirassistische Initiativen sehen das African Village als Gegenteil von Völkerverständigung.
Wer »Völkerverständigung« will und Proteste der Betroffenen auslöst, hat etwas
falsch gemacht: Er hat sie nicht als vollwertige Menschen respektiert. Mit einem Exoten kooperiert man
nicht er bleibt Unterhaltung. Rassismus bricht erst dann auf, wenn die »Anderen«
gleichwertige Partner sind, die nicht das Salz in der Suppe kolonialer Sehnsüchte darstellen. Die
Erfahrung »afrikanischer« Lebensrealität ist viel interessanter als »Exoten«. Die
spiegeln nur die Vorurteile der Besucher und infantilisieren die »Anderen«. Die Besucherinnen und
Besucher verkauft man mit »Exotik« für blöd.
Utz Anhalt
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