SoZSozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2005, Seite 4

Brave Linkspartei — immerhin

von GERHARD ZWERENZ

Der 1925 geborene Schriftsteller Gerhard Zwerenz saß für die PDS von 1994 bis 1998 im Bundestag.

Zur PDS und WASG: Unsere Optimisten sehen schon die Einheit der Arbeiterklasse am Horizont aufleuchten. Unsere Pessimisten befürchten den Verlust sozialistischer Rest-Identität. Die nationale, westliche Einheitsfront von SPD/ CDU/CSU/FDP aber reagiert wie Kaiser Wilhelm mit chaotischen Ängsten als folge auf den möglichen Wahl-September der Rote Oktober.
Pustekuchen, Bürger, Genossen, Freunde. Parteien und Wahlgänge leisten längst nicht mehr, was sie versprechen. Offen gestanden sind mir PDS und WASG zu wenig radikal, jedenfalls verglichen mit Büchners Hessischem Landboten, dem Kommunistischen Manifest und der Bergpredigt. Da ich von der nächsten Bundestagswahl weder die Rettung der Welt noch ihrer deutschen Region zwischen Ost- und Bodensee erwarte, genügte es mir, zöge eine ehrliche Linkspartei mit mehr als 5% in den Bundestag ein. Sollten es 7% werden, trinke ich ein Glas Champagner (brut), ab 10% müsste es Krimsekt sein. (Vorsicht: rot!)
Diese Berliner Republik wurde bisher von zwei Stammsitzparteien gesteuert, die sich im Bäumchen-wechsel-dich-Spiel auf Regierung und Opposition verteilten. Jetzt wissen die momentan Oberen nicht mehr weiter, und wenn die andern sich nach oben merkeln, wird es noch übler. Unten aber wollen immer mehr Leute endlich etwas Neues. Soviel Pluralität wirkt in Deutschland schon wie Revolution. Man vereinigte sich doch, damit alles bleibt wie es ist. Selbst vor der Großen Koalition scheuen Schröder-Merkel-Stoiber zurück, denn sie provozierte nur noch mehr Volksoppostion und wäre bald perdu.
Wir werden also neben den von Schröder entsozialdemokratisierten Sozis und der entchristlichten CDU/CSU im Bundestag als dritte Kraft eine brave Linkspartei bekommen. Das ist nicht viel — immerhin mehr als jetzt, wo nur noch Kapitalmagnaten, Medienmogule, Militärs und Politmimen in Parlament, Presse und Fernsehen dominieren. Kein Volk der Welt will sich in Ewigkeit von einer Klasse bornierter Millionäre vorschreiben lassen, wie es den Gürtel enger zu schnallen hat. In ihrer Panik vor dem eventuell gefahrvoll ausbrechenden Pluralismus spucken die Polit-Lamas Richtung neuer Opposition. Gysi kriegt nur die halbe Ladung ab, er hat sein Fegefeuer längst hinter sich und verfügt über die lose Zunge eines eingeborenen West-Profis. Lafontaine wird abgewatscht, »Fremdarbeiter« sei braundeutsch. Das dementierte per Sprachwissenschaftler sogar die heilige FAZ und wird auch im maßgebenden Wörterbuch des Unmenschen von Sternberger, Storz, Süskind nicht so definiert. Dort steht aber die Vokabel »Einsatz« als verheerendes Beispiel hitlerscher Kriegssprache. Das Wort wurde inzwischen wieder zum Militär eingezogen und dient als Amtsdeutsch vom Kosovo bis zum Hindukusch. Wohin sind unsere Lehrer, die das einst wussten und zu sagen wagten?
Peter Sodann, alias Kommissar Ehrlicher, wollte für die PDS-Sachsen zum Bundestag kandidieren, ein linkslastiger Volksschauspieler als MdB? Niemals. Die Laienschauspieler der herrschenden Klasse teilen alle Bühnen zwischen Christiansen und Illner unter sich auf. Und willige Regisseure sorgen für Disziplin, fast wie weiland in der DDR. Aber nein, das war doch eine Einparteiendiktatur. Unisono sondern Minister von Fischer, Joseph und Schönbohm, General, bis hin zum ehemaligen »Dany le Rouge«, Cohn-Bendit Beschimpfungen und Drohungen gegen den Saarländer ab. Wir begreifen, Spitzenkarrieren sind heute Resultat gezielter Negativauslese. Da muss etwas anderes her — plurale Sozialisten.
Die deutsche politische Klasse samt ihren intellektuellen Adepten führte das Volk vom Ersten in den Zweiten Weltkrieg und ab 1945 zur anschließenden Zweiteilung sowie zur fatal falsch inszenierten Vereinigung ab 1989/90. Erwachte Adolf Hitler heute in seinem für 100 Filmszenen ausgeleuchteten Führerbunker, diesem modifizierten Kyffhäuser, dürfte er zur Siegesfete mit Wehrmachtsparade aufrufen: Die Arbeiterklasse abgemeldet, die Kommunisten geschlagen, die Sozis eine mindere Spekulationspartei, der deutsche Soldat aber vom Balkan bis zum Hindukusch auf Wacht.
Von 1914 an, als die deutschen Sozialdemokraten, ihre Friedensschwüre vergessend, den Kriegskrediten zustimmten, geriet die deutsche Linke unter Zugzwänge. Die reformistische Linke verblieb bis heute im Schatten des Verrats von 1914, die radikalen Linken wandelten sich von ursprünglichen Pazifisten zu Spartakisten, endlich Kommunisten, die alsbald unter Stalins Einfluss gerieten, wie schon die Lenin-Trotzki-SU durch Stalin vom Internationalismus zum Nationalismus abgetrieben worden war. Wie also weiter, wenn nicht im Bunde pluraler Sozialisten?

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang