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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2005, Seite 4

Kolumne von Jakob Moneta

Terroristische Barbaren gegen »unsere Zivilisation«?

Die Sprecher der beim G8-Gipfel in Gleneagles (Schottland) versammelten Staaten erklärten, in London hätten terroristische Barbaren »unsere Zivilisation« angegriffen. Keiner von ihnen machte sich die Mühe, den Ursachen für den Terrorismus nachzugehen. Niemand von ihnen kam auf die Idee, sie in den US-Kriegen in Afghanistan und Irak zu suchen, obwohl im Bekennerschreiben der Attentäter der Irak ausdrücklich genannt wurde.
Der Bürgermeister von London, Ken Livingstone, den der britische Premierminister Tony Blair aus der Labour Party ausgeschlossen hat, hatte Blair gewarnt, den Krieg im Irak nicht zu unterstützen. London, erklärte er, sei eine der großen Städte der Welt, die bei einem Krieg viel zu verlieren habe. Durch die Unterstützung von Frieden und internationaler Zusammenarbeit hingegen könne London viel gewinnen.
In der Bundesrepublik war es der Chef des BND, August Henning, der aufgrund seiner »Geheimdienst«-Kenntnisse die Ursachen des Terrors klar benannte: »Die Entwicklung ist von uns nur begrenzt beeinflussbar.« Aber 40% der Menschen in der arabischen Welt seien jünger als 15 Jahre. Und für sie müsste man »ökonomische und gesellschaftliche Antworten finden«. Es nicht nicht schwierig zu Ende zu denken: dass sie zum Rekrutierungsfeld für Selbstmordattentätern heranwachsen, wenn wir diese Antworten nicht zu finden versuchen. Der Terror rückt näher und er wird früher oder später auch Deutschland erreichen, wenn nicht die Ursachen benannt und gemildert werden, meint August Henning.
Offenbar aber glauben viele deutsche Politiker lieber US-Präsident Bush, der immer noch verkündet, der Irakkrieg habe die Welt gegen den Terror sicherer gemacht. Der Union fällt zur Bekämpfung von Terrorismus nicht mehr ein als eine Verschärfung des Ausländerrechts. Politiker von CDU und CSU nahmen die Anschläge in London zum Anlass, um »rot- grüne« Antiterrorgesetze als »unzureichend« einzustufen. CSU-Chef Edmund Stoiber verkündete, der Staat brauche »alles Erforderliche, um die Menschen gegen die Gefahr des internationalen Terrorismus zu schützen«. Dieter Wiefelpütz (SPD) warf der FDP, die den Großen Lauschangriff abschaffen will, vor, »ein Risiko für Deutschland« zu sein. Es wird vorgeschlagen, ein Netz von Videokameras in U-Bahnen und auf öffentlichen Straßen anzulegen — aber niemand sagt, dass London hierdurch nicht geschützt werden konnte.
In den Nachrichten ist immer wieder von »islamischem Terror« die Rede. In Großbritannien aber betont man, führende Islamisten verurteilten den Terror. Als die Attentäter von Scotland Yard identifiziert wurden, sprach der Chef der Antiterrorabteilung lediglich von »Kriminellen« und »Extremisten«. Er vermied, sie islamische Terorristen zu nennen.
Der FR-Korrespondent Peter Nonnenmacher schrieb: »Zentrale Fragen bleiben fürs erste zu klären. Wieviele andere zornesblinde junge Männer gibt es noch, die etwas ähnliches planen? Scotland Yard lag richtig, die Spur führte zu den vertrauten vernachlässigten moslemischen Wohngebieten.« Sollten wir nicht wenigstens auch die Schuldzuweisung »islamischer Terror« unterlassen, um zu vermeiden, dass es zu Pogromen gegen Islamisten kommt?

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