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Es hätte durchaus ein schreckliches Ende nehmen können. Bis fast zum Ende des Bundesparteitags der PDS in
Berlin am 17.Juli klappte die Regie, die sich der Parteivorstand ausgedacht hatte. Den Leitantrag der Führung hatten auch alle Landesvorsitzenden
unterzeichnet. Junge Sympathieträger wie die stellvertretende Parteivorsitzende Katja Kipping aus Sachsen warben in warmen Worten um Zustimmung
für die Umbenennung der PDS in »Die Linkspartei«.
Auch Kritiker vom linken Flügel wie die niedersächsischen Landesvorsitzenden
Dorothee Menzner und Dieter Dehm plädierten um Zustimmung bei ihren Gefolgsleuten. Der stets ein wenig schläfrig wirkende Parteivorsitzende
Lothar Bisky schwang sich zu einer für seine Verhältnisse geradezu feurigen Rede auf und wurde mit stehendem Applaus bedacht. Eine
Novität für ihn.
Die notorischen Feindbilder bei weiten Teilen der Basis, die Berliner Verfechter der
Regierungspolitik und die Hauptverantwortlichen der Niederlage bei der Bundestagswahl 2002 wie der damalige Fraktionsvorsitzende Roland Claus
hielten sich tunlichst im Hintergrund. Und Gregor Gysi tat wieder einmal das, was er nun einmal am besten kann: er brillierte rhetorisch, heimste
Ovationen und Zwischenapplaus ein, bauchpinselte das ostdeutsche Gemüt und beschwor die Vision einer breiteren Linken herauf, die parlamentarisch
dem neoliberalen Lager Dampf machen könne.
Es lief also alles wie gewünscht und dann doch fast aus dem Ruder. Dietmar Bartsch, als
Bundesgeschäftsführer der PDS einstmals der allmächtige Strippenzieher hinter den Kulissen und vorübergehend als
Geschäftsführer zum Neuen Deutschland abgeschoben, wähnte sich als künftiger Spitzenkandidat der Partei in Mecklenburg-
Vorpommern wohl schon wieder im Bundestag und reagierte auf ein eigentlich selbstverständliches Begehren zunächst gewohnt selbstherrlich und
ließ sich wenig später im Blitzlichtgewitter der Fotografen auf ein Wortgefecht mit dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten Uwe-Jens Heuer ein.
Heuer wollte nichts anderes als eine Fürrede für den Antrag halten, den die Kommunistische Plattform und einige Mitglieder des Ältestenrats
der PDS eingebracht hatten. Sie sträubten sich nicht gegen die Namenserweiterung, wollten jedoch die obligatorische Beibehaltung der Kennzeichnung als
»Partei des demokratischen Sozialismus«.
Die Stimmung schien vorübergehend zu kippen. Mühsam gekittete Differenzen
zwischen den Flügeln und zwischen einzelnen (Ost-)Landesverbänden drohten aufzubrechen. Der Sturm erwies sich als einer im Wasserglas. Die
Tagungsleitung lenkte ein. Heuer, bekannt als glänzender Redner und einer der scharfsinnigsten marxistischen Denker in der PDS, trat ans Rednerpult und
erwies der Minderheit, die gleich ihm eine weitere Sozialdemokratisierung der PDS durch das entstehende Linksbündnis befürchtet, einen
schlechten Dienst. Ein alter und offensichtlich kranker Mann argumentierte nicht, sondern klagte lediglich. Zu überzeugen wusste er damit nur die ohnehin
bereits Überzeugten. Nicht einmal zwei Dutzend Delegierte mochten dem von ihm vertretenen Antrag folgen.
Knapp 88% der anwesenden und damit rund 75% der gewählten Delegierten folgten dem
Vorstand. Das Logo PDS verschwand von der Bühne im Saal. Stattdessen prangte nun dort das neue Kürzel: »Die Linke. PDS«.
Tosender Applaus, Schlusswort des Vorsitzenden, Absingen der Internationale, Operation gelungen.
Nicht nur Erfolg schafft Erfolg, sondern bereits die Aussicht auf Erfolg steigert die
Erfolgsaussichten. Da niemand am Wahlerfolg zweifelt, wird er wohl eintreten, selbst wenn die derzeitigen Prognosen zu hoch greifen sollten.
Gegenwärtig wird das Bündnis, das aus wahlrechtlichen Gründen nicht Bündnis genannt werden darf, mit 12% gehandelt. Im Osten ist
es stärkste Kraft. Zwei Direktmandate werden von zuverlässigen Instituten als sicher gehandelt, mindestens vier weitere erscheinen als
möglich. Im Westen gilt eine Marke über 5% als realistisch.
Eigentlich also Grund genug zur Zufriedenheit für eine Ostpartei, die immer davon
geträumt hat, zur gesamtdeutschen Formation zu werden. Und doch gärt es teilweise an der Parteibasis. Wo PDS drin sei, müsse auch PDS
draufstehen, heißt es besonders in jenen Landesverbänden, in den auch künftig das Kürzel im Parteinamen präsent sein wird.
Hier klebt man an der Ost-Identität mit der Bunkermentalität jener, die 15 Jahre
gegen alle Anfeindungen und Widerstände trotzig die Idee vertreten haben, dass der Kapitalismus nicht das Ende der Geschichte sein könne. Hier
herrscht die Angst, dass nach den neuen Herren im Lande aus dem Westen nun auch neue Herren aus dem Westen in der Partei das Sagen haben könnten.
Gewerkschaften stehen in diesem Milieu vielfach nicht für sozialen Widerstand, sondern
für aus dem Westen importierte Apparate im Dienste jener neuen Herren. In diesem Milieu träumt man zwar von der Einheit der Arbeiterklasse, ist
man zwar zu jedem realpolitischen Schwenk bereit, doch verachtet man zugleich aus tiefstem Herzen und aus bitterer Erfahrung die Sozialdemokratie. Und
ehemalige Mitglieder der SPD sind es nun einmal, die das Bild der WASG prägen. Das klare Abstimmungsergebnis spiegelt also die Stimmung in der
Partei nur verzerrt wider.
Doch ist es wirklich nur alter Wein in neuen Schläuchen, den die PDS in Berlin ihren
Mitgliedern vorsetzte und dem Wahlvolk vorsetzen will? Diese Operation könnte einigen Funktionären durchaus vorschweben. Doch ob dieses
Manöver gelingen wird, ist fraglich. So scheiterte der ehemalige Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Roland Claus, in Sachsen-Anhalt beim Kampf um
Listenplatz 2 und konnte sich auch für den vierten Platz erst in einer Stichwahl durchsetzen.
Der Niedergang des Berliner Landesverbandes hat diesen immerhin dazu bewogen, den
aussichtsreichen vierten Listenplatz für einen Bewerber der WASG frei zu machen. Doch dieser wird jetzt von links und aus Migrantenkreisen kritisiert.
Bestrebungen in NRW und in Mecklenburg-Vorpommern, Betonlisten mit treuen Befürwortern des Kurses der Parteispitze zu installieren, stoßen
auf Widerstand.
In Sachsen dagegen wurde die propagierte neue Offenheit auch wirklich praktiziert. Nicht nur
der stellvertretende Bundesvorsitzende der WASG, Axel Troost, findet sich auf einem sicheren Listenplatz, sondern auch die aus der SPD ausgetretene DGB-
Regionsvorsitzende Sabine Zimmermann und die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete Monika Knoche sowie das Mitglied des DKP-Parteivorstands
Leo Mayer.
Befürchtungen, so wurde beim Parteitag in Berlin deutlich, der Rechtskurs der Partei
nach dem Sturz des Geraer Parteivorstands könne sich durch die Erweiterung und das angestrebte Bündnis verschärfen, stoßen also auf
die Hoffnung, die Verstärkung um Akteure mit Erfahrung im außerparlamentarischen Widerstand und in den sozialen Bewegungen könne
diesen Trend aufhalten. Die Entwicklungen in Sachsen und die Auseinandersetzungen in Berlin scheinen für diese Annahme zu sprechen.
Erst einmal, so unterstrich selbst Gregor Gysi, ist Opposition angesagt. Ohne Wenn und Aber,
ohne Hintertürchen für eine Rolle als Steigbügelhalter der SPD. Erst einmal. Und dann sehen wir weiter. Bis dahin werden sich neue
Flügel gebildet haben, neue Konstellationen. Das sahen fast alle der Delegierten so. Für sie war es ein Ende ohne Schrecken.
Jean Cremet
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