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Das Ergebnis überraschte die meisten westlichen und iranischen
Beobachter: Bei der Präsidentschaftswahl vom 24.Juni gaben die Wähler Ayatollah Hashemi
Rafsanjani, dem Verfechter einer neoliberalen Wirtschaftspolitik und einer diplomatischen Annäherung
an Washington, eine klare Abfuhr. Stattdessen ging der Teheraner Bürgermeister Mahmoud Ahmadinejad,
ein früherer Angehöriger der Revolutionsgarden, aus dem zweiten Wahlgang als Sieger hervor.
Ahmadinejad erhielt 62% der abgegebenen 22
Millionen Stimmen, was ihm einen Erdrutschsieg über Rafsanjani verschaffte. Dieser ist der reichste
Politiker des Landes, die Nummer 2 der Klerikerhierarchie und der frühere Staatspräsident der
Jahre 1989 bis 1991.
Von den sieben Kandidaten, die der von
muslimischen Geistlichen dominierte Wächterrat zum ersten Wahlgang am 17.Juni zugelassen hatte,
erzielte der 70-jährige Rafsanjani mit 21% der 29 Millionen abgegebenen Stimmen das beste Ergebnis,
wenngleich ihm die meisten Beobachter 40% vorhergesagt hatten. Ahmadinejad kam mit 19,5% überraschend
auf Platz 2. Da keiner der sieben Kandidaten die erforderliche absolute Mehrheit erreicht hatte, wurde eine
Stichwahl die erste in der Geschichte des Iran zwischen Rafsanjani und Ahmadinejad
erforderlich.
Die großen Verlierer des ersten Wahlgangs
waren die sog. Reformer um den scheidenden Präsidenten Mohammad Khatami. Die Reformer waren bestrebt,
die Kontrolle des Klerus über das politische und kulturelle Leben des Iran zu schwächen, die
Privatisierung der weitgehend verstaatlichten Industrie ein Produkt der Revolution von 1979 gegen
das Shahregime voranzutreiben und die diplomatischen und Wirtschaftsbeziehungen zu den USA wieder
aufzunehmen.
Der Kandidat mit dem stärksten Image als
Reformer, Mustafa Mion, erhielt nur 13% der Stimmen und erreichte dadurch nur Platz 5 hinter dem
gemäßigten Reformer und früheren Parlamentssprecher Mehdi Karrubi (17%) und dem
konservativen früheren Polizeichef Mohammad Baqir Qalibaf (14%).
Wenn im August Khatamis Amtszeit endet, werden
die Reformer ihre einzige prominente Position im politischen System des Iran verlieren, da sie bei den
Parlamentswahlen im vergangenen Jahr nur eine kleine Minderheit der Mandate gewinnen konnten.
Nach der ersten Runde der
Präsidentschaftswahlen riefen die meisten politischen Parteien und Medienkommentatoren aus dem Lager
der Reformer ihre Anhänger dazu auf, in der Stichwahl für Rafsanjani zu stimmen. Der Beiruter
Daily Star vom 25.Juni berichtete, dass Rafsanjani »eine Flut an Unterstützung seitens
progressiver Gruppen aus der Geschäftswelt erhalten hat, die bestrebt sind, den Prozess der liberalen
[Wirtschafts-]Reformen seit den späten 90er Jahren zu bewahren … Rafsanjanis Unterstützer
glauben, dass er Khatamis prowestliche Reformen der Wirtschaft und der kulturellen Öffnung
weiterführen wird.«
Während Ahmadinejad seine Unterstützung für das seit 1979 vom Klerus dominierte
bürgerliche politische System bekräftigt, konzentriert sich seine »Liste der
Versprechen« auf »höhere Löhne, umfassendere Unterstützung für die
ländliche Entwicklung, erweiterte Krankenversicherung und mehr Sozialleistungen für Frauen«,
berichtet der Daily Star vom 25.Juni.
Während des Wahlkampfs wies Ahmadinejad
Behauptungen der Reformer zurück, wonach er eine »talibanartige« Regierung mit strikter
Geschlechtertrennung und der Verpflichtung für die Frauen, den Tschador von Kopf bis Fuß zu
tragen, einführen würde. »Die wahren Probleme des Landes sind Arbeitslosigkeit und Wohnung,
nicht was man anziehen muss«, erklärte er am 22.Juni im staatlichen Fernsehen.
In demselben Fernsehinterview behauptete er,
dass der gewaltige Ölreichtum des Landes von einer mächtigen Familie kontrolliert werde
eine Anspielung auf Rafsanjani, der sich durch die Tätigkeit seines Sohnes im Management der
verstaatlichten Ölindustrie des Landes bereichert haben soll. Die Familie Rafsanjani hat auch
Investitionen im Wert von 1 Milliarde US-Dollar im Pistazienanbau, in Immobilien, der Autoindustrie und in
einer privaten Fluggesellschaft getätigt. »Die ganze iranische Wirtschaft ist nur für einige
wenige Privilegierte da«, sagt Ray Takeyh, ein Professor am South Asia Center in Washington.
»Rafsanjani ist der am meisten Privilegierte.«
Die in den USA erscheinende Business Week vom
27.Juni beschreibt Ahmadinejad als einen »islamischen Nationalisten voller Argwohn gegenüber
Außenseitern, Kapitalisten und Technokraten« und berichtet, dass er »Wahlkampf auf einer
populistischen Plattform macht, die das Entstehen von Privatbanken und das sehr maßvolle
Privatisierungsprogramm für die wachsenden Einkommensunterschiede zwischen der Teheraner Elite und den
Armen in den Städten und auf dem Lande verantwortlich macht. Er zeigt auch isolationistische
Tendenzen, kritisiert die Annahme von Weltbankdarlehen seitens des Iran und drängt darauf, sich auf
die eigene Kraft zu stützen. Während Ahmadinejad einigen Elementen an der Spitze des Klerus
nahesteht, war sein Erdrutschsieg zum Teil auch ein Protest gegen die Clique des religiösen
Establishments, das vom würdevollen Rafsanjani verkörpert wird und das den Iran seit der
Revolution von 1979 regiert und weitgehend als korrupt und ineffizient betrachtet wird.«
Rafsanjani, so Business Week,
»bemühte sich hauptsächlich die Unternehmer und die Elite zu fördern, wobei er die
armen und ländlichen Wähler ignorierte, die in ihrer überwiegenden Mehrheit seine Argumente
zurückwiesen, wonach Armut und Arbeitslosigkeit zu 1520% durch beschleunigte Privatisierung und
Förderung ausländischer Investitionen zu lindern seien. Stattdessen glaubten sie Ahmadinejads
Versprechen, die Korruption zu beenden und die Arbeiter und die kleinen Geschäftsleute zu
beschützen.«
Ahmadinejad »war der einzige Kandidat,
der tatsächlich über meine Probleme sprach«, äußerte ein Taxifahrer gegenüber
der UN-Nachrichtenagentur IRIN am Tag nach der Stichwahl. »Demokratie ist ganz gut, aber wie gut ist
sie, wenn man kein Essen auf den Tisch stellen kann?«
Während des Wahlkampfs sprach sich
Ahmadinejad entschieden gegen eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit den USA aus. »Der
Iran benötigt keine auferlegten Verbindungen mit den USA«, zitiert ihn am 21.Juni die Hongkonger
Nachrichtenagentur Asia Times Online. »Als die Welt eine Einheitsfront gegen den Iran bildete
[198088, als die USA Saddam Husseins Krieg gegen den Iran unterstützten], wir unser Öl
nicht auf dem Weltmarkt verkaufen konnten und unsere Wirtschaft gelähmt war, bat unsere Nation nicht
um Hilfe. Jetzt, wo wir es geschafft haben unsere Infrastruktur zur Entwicklung aufzubauen und das Land
Fortschritte gemacht hat, brauchen wir keine auferzwungene Beziehung zu Amerika zu akzeptieren. Die USA
haben ihre Verbindungen zur Islamischen Republik gelöst, um dem iranischen Volk zu schaden, und das
gilt auch für jene [Iraner], die für die Wiederaufnahme der Beziehungen zu den USA
eintreten.«
Schon vor der ersten Runde der iranischen Präsidentschaftswahl wurde sie von US-Präsident Bush
öffentlich denunziert: »Heute wird der Iran von Männern beherrscht, die zu Hause die
Freiheit unterdrücken und den Terror in die Welt hinaus tragen. Die Macht befindet sich in den
Händen weniger, die nicht gewählt wurden und diese Macht durch einen Wahlprozess bewahren, der
elementare Grundlagen der Demokratie ignoriert. Die Präsidentschaftswahlen vom 17.Juni entsprechen
dieser Bilanz.«
Bushs kaum verschleierter Aufruf zum
Wahlboykott ging nach hinten los. Es gab eine Rekordwahlbeteiligung von 62,7%. Damit beteiligten sich 5,6
Millionen Menschen mehr an diesen Wahlen als bei den Parlamentswahlen im Februar 2004. Iranische Offizielle
schwärmten von der hohen Wahlbeteiligung. »Ein politischer Tsunami hat im Iran die Feinde des
Landes überrascht … und die Legitimität der Islamischen Republik Iran zumAusdruck
gebracht«, äußerte General Alireza Afshar, der stellvertretende Chef der Streitkräfte
gegenüber der iranischen Nachrichtenagentur IRNA am 18.Juni.
Bereits zu Jahresbeginn hatte der angesehene
Enthüllungsjournalist Seymour Hersh aufgedeckt, dass Bush dem Pentagon befohlen hatte, die Pläne
für eine Invasion des Iran auf den neuesten Stand zu bringen. »Strategen im Hauptquartier des US
Central Command in Tampa, Florida, wurden aufgefordert, den Kriegsplan des Militärs für eine
maximale Luft- und Bodeninvasion zu revidieren«, berichtete Hersh im Magazin New Yorker am 16.Januar.
Hersh fügte hinzu, dass die Entscheidung,
den Invasionsplan des Pentagon zu revidieren, »Sinn macht, egal ob die Regierung zu handeln
beabsichtigt oder nicht, weil sich die Geopolitik der Region in den letzten drei Jahren dramatisch
geändert hat. Vorher hätte eine amerikanische Invasion des Iran vom Meer aus erfolgen
müssen, über den Persischen Golf oder den Golf von Oman. Jetzt könnten Truppen auf dem
Landweg eindringen, von Afghanistan oder vom Irak aus. Kommandoeinheiten und andere Reserven könnten
über neue Basen in den zentralasiatischen Republiken eingeführt werden.«
Während der Iran zweifellos Washingtons
neues strategisches Ziel für einen »Regimewechsel« wie im Irak ist, würde eine Invasion
des Iran und eine Besetzung des Landes das fast viermal so groß ist und dreimal so viel
Einwohner hat wie der Irak eine weit größere Besatzungsstreitmacht erfordern, als die USA
in den Irak entsenden konnten. Da das US-Militär derzeit im Irak einer Zerreißprobe ausgesetzt
ist, hat Washington aktuell einfach nicht die erforderlichen Bodentruppen. Ahmadinejad drückte es am
9.Juni gegenüber der Agentur IRNA so aus: »Mit diesen Drohungen leben wir schon eine lange Zeit
… Sie unternehmen nichts, weil sie es nicht können.«
Doug Lorimer
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