SoZSozialistische Zeitung |
Köln erholt sich: Das Mega-Ereignis des Jahres 2005 der
katholische Weltjugendtag ist vorbei. Alles in allem haben rund eine Million junger und etwas
weniger junger Menschen die Metropole am Rhein für mehrere Tage in den Ausnahmezustand versetzt. Die
Kölner, die dank Karneval einigermaßen abgebrüht sind, haben es locker genommen. Ein noch
ziemlich neuer Papst und die jubelnden Massen haben ein wohliges Gefühl hinterlassen: Die Welt ist
voller Morden aber in Köln wurde alles gut. »Ich bin froh, seid ihr es auch!«, sollen
ja die letzten, auf ein Stück Papier gekritzelten Worte des alten Papstes, Johannes Paul II., gewesen
sein. Dieser Satz stand wie ein Programm am Himmel über Köln. Denn froh waren sie irgendwie
(fast) alle, die am Weltjugendtag teilnahmen. Und Benedikt XVI. war es auch. Wo immer er auftrat, jauchzten
ihm die Menschen entgegen. Was er genau sagte, war dabei gar nicht so wichtig, Hauptsache, er war da.
Recht an den Rand gedrängt fristeten die
kirchlichen Reformgruppen und politischen Denker ihr Dasein. Eine internationale Jugendkoalition
»World Youth Day 4 all« forderte bspw. vom Papst, das römische Kondomverbot aufzuheben und
»durch Verhütung, Aufklärung und Fürsorge für Menschen, die dem Risiko von
HIV/Aids ausgeliefert sind, eine Kultur des Lebens aufzubauen«. Mit dabei: Die »Wir-sind-Kirche-
Jugend« aus Deutschland. Indes: Die Forderung wurde zwar von den Medien aufgenommen, von der Mehrheit
der jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Weltjugendtag aber als irgendwie langweilig
gebranntmarkt und unbeachtet gelassen. Bloß keine moralinsauren Appelle unterstützen! Und
bloß nicht zu viel Strukturanalyse des »Systems Kirche«! Dafür schien den meisten der
Weltjugendtag nicht da zu sein. So wurden auch die päpstlichen Begegnungen mit Juden und Muslimen auf
dem diplomatischen Parkett zwar medial abgebildet und intellektuell seziert, von der Masse der
Teilnehmenden am Weltjugendtag aber nicht als politisch-prägend für das Gesamtereignis
verstanden.
Das Kölner Kirchenhappening erwies sich
so als ein postmoderner Event eigener Art: Er lebte von einer theologiefreien Volksfrömmigkeit, die
ihre Identifikationsfigur in Benedikt XVI. fand. Von ihm wurde nicht mehr gefordert, als authentisch zu
sein. Dass die meisten Jugendlichen, die ihm zujubelten, wohl kaum seine Theologie kennen und ganz sicher
nicht seine Moral teilen, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Aber, was
solls? In der Postmoderne arbeitet man sich nicht an inhaltlichen Gegensätzen ab, sondern
goutiert die größtmögliche Wahrhaftigkeit eines Menschen. Ein Papst, der glaubwürdig er
selbst ist auch und gerade, wenn er gegen den Zeitgeist lebt und redet und möglicherweise gar
das krasse Gegenteil dessen vertritt, was man selber denkt wird für diese Glaubwürdigkeit
verehrt. Der Papst in der Postmoderne ist ein Star und er wird als solcher behandelt: Die
Jugendzeitschrift Bravo widmete ihm ihr aktuelles Megaposter; Bild brachte einen Sticker unters Volk, der
die jubelnde Headline »Wir sind Papst!« trug. Und auch sonst ging es zu wie bei einem Popkonzert:
Die Organisation des Mega-Ereignisses war nahezu perfekt und der Star zumeist so weit weg vom Volk
auf Bühnen, Schiffen oder Feldherrenhügel platziert, dass auch die Sicherheitskräfte
zufrieden waren. So konnte man den Star ordentlich absichern!
Das allgemeine Umjubeln
größtmöglicher Authentizität erlaubte es Benedikt XVI. sogar, zum Ende der
mehrtägigen Veranstaltung hin doch noch ein wenig Tacheles zu reden: Er verurteilte eine
»merkwürdige Gottvergessenheit«, die in großen Teilen der Welt herrsche. Geradezu die
Kehrseite dieser Abwendung von Gott sei »jener Boom des Religiösen«, in dem der Glaube
»zum Marktprodukt« verkomme. Jeder suche sich heraus, was ihm gefalle und lasse sich »auf
Privatwege« irreleiten. Das, so der Papst, sei von Übel. Die Massen dankten ihm auch dieses
Tacheles-Reden mit Zustimmung. Warum? Ein Papst hat eben Narrenfreiheit und darf alles sagen, sofern er
damit die Entscheidungen seiner Zuhörer nicht allzu direkt beeinflusst. Und so wird auch diese Predigt
wohl niemanden davon abhalten, daheim weiter selbst auf Suche zu gehen: nach der individuell passenden
Religiösität, nach den Bausteinen, die für das eigene Leben verwendbar sind. Macht gar
nichts, dass Benedikt XVI. anderer Meinung ist: Jeder darf in der Postmoderne doch laut sagen, was er so
individuell denkt. Ein Papst allemal.
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch.
Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04