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In seinen zwischen 1850 (Die Abendröte im Westen) und 1950 (Verlorene)
angesiedelte Romanen hat sich Cormac McCarthy mit den Menschen beschäftigt, die sozial, räumlich
und auch zeitlich am Rande der amerikanischen Gesellschaft lebten. Nur anhand bestimmter technischer
Errungenschaften oder manchmal versteckter historischer Bezugnahmen wird klar, in welchem
Jahrhundert die jeweilige Geschichte spielt, so archaisch wirken Verhaltensweisen und Beziehungen, so dicht
liegen Schilderungen über bezaubernde Landschaften neben denen über den Kampf ums Überleben,
vor dem niemand verschont bleibt.
In dieser jungen Tradition hat Tom Franklin
seinen Roman Die Gefürchteten geschrieben, ein Western, eine Kriminal- und Sozialgeschichte.
Hintergrund ist der »Mitcham War« 1897/98 im Clarke County, Alabama, in dessen Verlauf sich
Stadt- und Landbewohner bekämpften und es zu mehreren Morden kam.
Franklin lässt die Geschichte beginnen
mit dem unglücklichen Überfall auf einen kleinen Ladenbesitzer durch zwei Jugendliche, die ihm
Geld für einen Puffbesuch abknöpfen wollen. Ein Schuss löst sich, der Mann wird tödlich
verletzt. Der Schwager übernimmt den Dorfladen und schart eine Gruppe von Männern um sich, um
Widerstand gegen die Städter zu organisieren, denn sie sollen es gewesen sein, die den Mord begangen
haben.
Die Bande, die sich »Hell at the
Breech« nennt, zieht sich alte Mehlsäcke über den Kopf, vertreibt die Schwarzen aus der
Gegend, betreibt Schutzgelderpressung an den kleinen Farmern und terrorisiert diejenigen, die nicht
mitmachen wollen. Und füllt sich in immer höheren Dosen mit Whisky ab.
Gründlich wird hier aufgeräumt mit
allen Gründungsmythen der US-amerikanischen Gesellschaft. Es ist kein Land der Freien Frauen
und Kinder werden wie Leibeigene von den Männern/Vätern gehalten. Ihnen selbst gehört schon
das Land nicht mehr, auf dem sie die Baumwollen anbauen. Für kleine Kredite mussten sie es an die
lokalen Händler verpfänden, jede neue Ernte ermöglicht vielleicht das Überleben
für ein Jahr. Denn ständig droht die Gefahr, vom Land und aus der Gemeinde vertrieben zu werden.
Gesetz und Ordnung ermöglichen dies. Und auch jenseits der Gesetze wird das Landproletariat übers
Ohr gehauen und hier beginnt die nächste Stufe der Eskalation des Hasses und des Tötens.
Abgesehen von dem 60-jährigen Sheriff,
der seine Arbeit nur im wohldosierten Suff ertragen kann und eine emotionalere Beziehung zu seinem Pferd
hat als zu seiner Frau, und dem Jungen, der mit seinem Schuss die folgenden Ereignisse ins Rollen brachte,
wird allen anderen Personen nicht die geringste Sympathie entgegengebracht und doch zeigt Franklin
in Rückblenden, dass auch sie alle Opfer gewesen sind.
Der Roman ist atemberaubend und verwirrend in
der kalten Grausamkeit der Handlung. Und er ist auch als Parabel lesbar: Wie Terror entsteht und mit
Vernichtungskrieg bekämpft wird.
Udo Bonn
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