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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2005, Seite 1

Der Zocker

So einen hätte die Union gerne. Einen SPD-Strauß. Der kommt aus kleinen Verhältnissen, der kann kämpfen — wenn schon nicht für ein Programm, so doch für seine Person —, dem ist egal, wer unter ihm Kanzler ist. Der spielt mit hohem Risiko, ohne Netz und doppelten Boden, aber mit ausgeprägtem Gespür für das was geht, vor allem für die Schwächen der Gegenseite.
Schröder kann den Machiavell machen, weil er seine Partei zu einem Kanzlerwahlverein degradiert hat. Im Spagat zwischen neoliberaler »Realpolitik« und sozialdemokratischer Anhängerschaft ist die SPD ohne autoritären Führer, der sich über seine Partei hinwegsetzt, sie aber an die Regierung bringt, heute nichts. Angela Merkel hat drei Sitze mehr als Schröder, aber sie ist von einem Dutzend Landesfürsten belagert, von denen jeder sein eigenes Süppchen kocht.
In deren Konkurrenzkampf kann Merkel nur mithalten, wenn sie Kanzlerin wird.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (20.9.) hat dies scharfsinnig erkannt. Die Möglichkeiten einer Regierungsbildung durchspielend, bleibt sie an zweien hängen. Erstens Jamaika: Das wäre ein »nächster Sprung in der Evolution der Grünen«, den die FAZ für eine »Meisterleistung der politischen Strategie« hielte, für den es aber wahrscheinlich noch zu früh ist. Bleibt zweitens die große Koalition. Undenkbar, dass Angela Merkel sich dem Anspruch Schröders beugt. Aber was dann? Dann könnte Schröder »abwarten, ob seine Konkurrentin [bei der Kanzlerwahl] scheitert und sich dann im Bundestag zur Wahl stellen; woher die nötigen Stimmen kämen, könnte ihm egal sein…« Die so abgewatschte Merkel wäre am Ende, die Union nochmals geschwächt.
Wie auch immer: Die Erosion der SPD wird sich durch diese Machtspielchen fortsetzen. Die Aufgabe der Linkspartei ist deshalb nicht, Arzt an ihrem Krankenbett zu spielen, sondern eine deutliche Alternative in scharfer Opposition gegen Schröders Politik anzubieten. Dazu hat das Wahlergebnis sehr gute Bedingungen geschaffen, weil die neoliberalen Kräfte geschwächt wurden. Die Chance muss jetzt genutzt werden.

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