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Und wieder einmal bleibt alles anders in dieser unserer Republik. Wie jedoch endlich alles anders wird, das mögen sich
auch weiterhin der eine oder die andere fragen vielleicht ja jetzt erst recht. Eine bemerkenswerte Anregung, über diese Frage nachzudenken, liegt
seit einiger Zeit mit einem kleinen Büchlein vor, das eine bisher kaum bekannte Autorin geschrieben hat.
Kommunismus für Kinder titelt die Autorin auf Veranstaltungen und in der Tat macht es
den besonderen Reiz dieses Büchleins aus, dass es im ersten Teil einer politischen Pädagogik frönt, die wirklich überzeugend leicht
daher kommt, ohne Tiefe vermissen zu lassen. In einfachen Worten wird erklärt was Kapitalismus ist die Herrschaft des Kapitals in Form weniger
einer Herrschaft von Menschen als von Dingen und was Kommunismus sein soll: eine »Gesellschaft, die alle Übel abschafft, unter denen die
Menschen im Kapitalismus leiden« wobei die Betonung eindeutig auf dem letzten Satzteil liegt.
Wir erfahren am Beispiel einer Bügeleisenfabrik, nach welcher ökonomischen
Logik Fabriken funktionieren: »Das Einzige, wofür sich die Fabrik interessiert, ist, dass möglichst viel hergestellt und verkauft wird.
Deswegen will die Fabrik nur, dass die Menschen glücklich sind, wenn dadurch mehr verkauft wird. Dann aber müssen die Menschen
glücklich sein, auch wenn sie gar nicht glücklich sind.« Wir erfahren, wie ein kapitalistischer Markt (der Zwang zur Konkurrenz) funktioniert
oder eine kapitalistische Krise (eine Überproduktion, die zur Arbeits- und Geldlosigkeit führt: »Obwohl gar nichts Schlimmes passiert ist
kein Erdbeben, kein Krieg, kein Papstbesuch sitzen die Leute auf einmal alle so rum, haben Hunger und langweilen sich«). Und am
Beispiel des Gläserrückens wird uns das Geheimnis kapitalistischer Entfremdung erklärt: »Beim Gläserrücken sitzt eine
Gruppe von Menschen um einen Kreis mit Buchstaben herum, in dessen Mitte ein Glas steht. Alle Menschen legen ihre Hand oder einen Finger ihrer Hand auf
das Glas, und weil alle ein kleines bisschen zittern, beginnt sich das Glas wie durch eine unsichtbare Hand gezogen langsam von einem Buchstaben zum anderen
zu bewegen. Die Menschen, die sich nicht erklären können, dass sie es selbst waren, die das Glas bewegt haben weil sie alleine nie durch ihr
Zittern ein Glas bewegen könnten , denken, dass es ein Geist war, der ihnen dadurch geheime Botschaften zukommen lassen wollte.«
Aus dem Unmut der von der Krise/Misere Betroffenen leitet Adamczak schließlich die
Feldversuche kommunistischer Alternativen ab. Die Menschen wollen sich von den Dingen nicht mehr beherrschen lassen, doch niemand hat eine rechte
Vorstellung von dem, was Kommunismus eigentlich genau ist, bzw. viele haben unterschiedliche Vorstellungen. Also probieren sie verschiedene Varianten
einfach aus: Die Umverteilung von Geld über einen gemeinsamen Topf (erweiterter Sozialstaat), doch die doofe Arbeit ist als solche immer noch dieselbe
wie zuvor, bloß auf alle verteilt; Formen selbstverwalteter, selbstorganisierter Arbeit, doch über den Markt und den Konkurrenzzwang kommen die
Imperative entfremdeter Arbeit wieder. Eine voll entfaltete Planwirtschaft scheitert an der Vielzahl der Wünsche/Bedürfnisse und daran, dass sich
manche gleicher machen als gleich, dass die Planer zu neuen Herren werden. Auch der Versuch, die Arbeit vollkommen an Maschinen zu delegieren, wird den
Menschen schnell langweilig, und sie merken, dass es die Arbeit war, die Kollektivität und Sinn stiftete. Als die Menschen die sie beherrschenden Dinge
einfach zerstören, sind sie plötzlich wieder arm. Und als sie abermals nachdenken, wie man es besser machen könnte, rufen sie der Autorin
zu: »Hör auf, uns hier unsere Geschichte vorzuschreiben. Wir entscheiden alleine, wie es weiter geht. Denn das ist unsere Geschichte und
die machen wir jetzt selbst.«
Es lassen sich durchaus ernsthafte Einwände gegen die theoretische Konstruktion des
Buches vorbringen. Dass sich Adamczak nicht entscheiden kann, ob es den Kapitalismus erst 200 oder schon 500 Jahre gibt, verweist darauf, dass sie sich nicht
entscheiden kann, im Kapitalismus eine Logik unpersönlicher Marktwirtschaft oder die Logik einer Klassenherrschaft zu sehen. Dass sie zur ersten
Variante neigt, verdeutlicht sich im Fehlen des Klassenkampfes als der Logik des Übergangs und darin, dass sie im zweiten Teil einer mehr
theoretischeren Abhandlung über die Fallstricke der vorherrschenden Kapitalismuskritiken (Zirkulationskritik, Produktionskritik, Konsumtionskritik)
ausführt, dass sich jede Kapitalismuskritik als falsch erweise, die »vom Standpunkt des Kapitalismus« aus argumentiert. Die Autorin
schwimmt hier eindeutig im linksradikalen Fahrwasser, wo der Kommunismus eben nicht mehr als die Bewegung betrachtet wird, die aus dem Bestehenden
heraus das Bestehende aufhebt, sondern als das ganz Andere. Damit stellt sich der Autorin das so genannte Normativitäts- und Standpunktproblem, von
dem aus man seine Kritik übt. Sie rekurriert entsprechend auf Adornos Standpunkt der Erlösung als Paradoxon: »dass der
Außenstandpunkt nicht eingenommen werden kann, aber eingenommen werden muss … Die Konzeption des kommunistischen Standpunkts als
Unerreichbaren soll ihn davor beschützen, auf dem Boden kapitalistischer Tatsachen stehen zu bleiben.«
So unbefriedigend dieser Schritt auch ist er bleibt in der unbestimmten Negation
stecken , Adamczak zieht immerhin keine »adornistischen«, sprich: zynisch-nihilistischen Konsequenzen aus ihm. Sie stellt die richtigen
Fragen und hält sie in der Schwebe: »Wenn der ›Kommunismus die wirkliche Bewegung [ist], welche den jetzigen Zustand aufhebt‹
(Marx), was könnte er dann unter Bedingung der Abwesenheit einer solchen Bewegung sein? Und was macht die Bewegung der kommunistischen Kritik,
wenn sich keine ihr angemessene kommunistische Bewegung findet?« Gegen die »übelgelaunte Negation« setzt sie die Diskussion um
neue Bedürfnisse, um ein neues kommunistisches Begehren. Denn bevor noch der Kommunismus als machbar ausgewiesen wird, »muss er deshalb
als denkbar, mehr noch als vorstellbar dargestellt werden: um wünschbar zu sein«, und »je weniger die Menschen machen können, was
sie wollen, umso weniger wollen sie wollen (sich ernsthaft etwas wünschen). Und wie sollen die Menschen machen, was sie wollen, wenn sie gar nicht
wissen (wollen), was sie wollen. Wenn der Rahmen des Machbaren auch das Wünschbare begrenzt, dann wäre das Wünschen schon
wünschenswert. Es muss erfunden, es muss gewollt werden. Das Begehren begehren. Kommunistisches Begehren: dass endlich alles anders wird.«
Die pädagogische Frische und Leichtigkeit, mit der es Adamczak gelingt, Kapitalismus
und Kommunismus zu erklären, und die Tatsache, dass sie die darüber hinaus weisenden richtigen, die zentralen Fragen stellt, machen das kleine
Werk nicht nur ausgesprochen verdienstvoll und anregend. Sie führen auch dazu, dass wir es jedem, der die SoZ bis Ende Oktober für ein Jahr
abonniert als Geschenk zukommen lassen. Siehe nebenstehendes Formular.
Christoph Jünke
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