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Im Wahlkampf wurde es sogar ein paar Mal beantwortet: Wo sind in Deutschland die Millionen? Es gibt 4000 Deutsche, die
mehr als 30 Millionen Euro Nettofinanzvermögen besitzen. 15600 verfügen über 330 Millionen Euro. Zwischen 1,5 und 3 Millionen
Euro können 38700 Personen verpulvern und 755000 Privatpersonen nennen 1 Million Euro ihr Eigentum. Das macht 813300 Reiche und Superreiche
oder grob gerechnet auf je 7 Erwerbslose kommt 1 Millionär. »…und der Reiche sagte bleich, wärst du nicht arm, wär ich
nicht reich.«
Es gibt nur wenige dieser Reichen, vor denen wir Hochachtung haben, vielleicht sogar nur
einen. Der kommt aus Aachen und ist mittlerweile auch nicht mehr reich: Ein Angestellter der Aachener Stadtkasse soll zwischen Januar 2000 und Mitte 2003
insgesamt 1,3 Millionen Euromünzen aus 330 Parkautomaten für sich und ein paar Freunde abgezweigt haben. Eigentlich hätte er sie nur
zählen sollen, aber die Blechlast nach Hause zu schleppen, brachte ihm wohl eine größere Freude. Wir wissen jetzt auch warum. Nicht das
Geld macht glücklich. Dem Schatzbildner, so erläuterte schon der alte Marx, geht es wie dem Länderentdecker mit jedem neuen Land
entdeckt er nur eine neue Grenze.
Nein, glücklich macht es lebe die Differenztheorie gemäß
einer »wissenschaftlichen Langzeitstudie aus Pennsylvania« vor allem das Wissen, mehr zu verdienen als Gleichaltrige. Der Kapitalismus zerfrisst
die Gehirne, was jeder Streetworker, Lehrer oder Bewährungshelfer wahrscheinlich bestätigen wird. Das kleine »Glück«, im
Kampf um die erfolgreichste Akkumulation von Vermögen besser zu sein als der Rest der Gruppe, der Sieg im individuellen Kampf, ist aber in Wahrheit
in Zeiten wie unseren, wo kollektive Kämpfe auf der Tagesordnung stehen, schnell nur großes Unglück.
Die deutschen Millionäre haben derzeit allerdings ein anderes Problem: wer soll sie und
in ihrem Interesse regieren? Die Wählerschaft hat am 18.September ja das beste gemacht, was von ihr zu erwarten war. Sie hat die neoliberale
Einheitspartei in ihren Komponenten so lustig neu verteilt, dass jetzt alle verdutzt aus der Wäsche gucken, wer denn nun den ersten Zugriff auf die
Verteilung der Pöstchen hat. Die neue Regierung wird in jedem Fall eine schwache Regierung sein, und die linke Opposition hat alle Chancen, sich gut in
Szene zu setzen, wenn sie nur zupackt.
Wir haben vor sieben Jahren, vor der Wahl 1998, an dieser Stelle geschrieben: »Ein
Zukunftsprojekt ist diese angeblich ›rot-grüne‹ Regierung aber nicht. Aus bürgerlicher Sicht ist sie nur ein geduldetes Zwischenspiel
zu einer stabileren bürgerlichen Regierung, dann durchaus mit den Grünen als Juniorpartner.« Mit der Stabilität ist das so eine Sache,
aber die Grünen als moderne, ökologisch angehauchte Mehrheitsbeschaffer, das wird ja ernsthaft erörtert. Eine kleine Episode mit der
»Jamaika-Koalition«, dann baldige Neuwahlen oder noch mal SPD und CDU und auch Neuwahlen, zeichnen sich als einzige Möglichkeiten
ab. Die Linke hat mit der LINKSPARTEI eine respektable parlamentarische Vertretung erhalten.
Die kann jetzt mit 54 Abgeordneten und an die 300 Mitarbeitern, von denen neben den gut
bezahlten Abgeordneten nicht wenige mit Gehältern von Regierungsdirektoren, Oberstudienräten oder anderen höheren Beamten nach Hause
gehen, ihr eigenes Millionenspiel beginnen. Damit auch etwas für die Millionen Opfer der neoliberalen Politik, von denen gut 4 Millionen die Stimmen
für die Linke gaben, herauskommt, gibt es nur eine Chance. Nach dem erfolgreichen Wahl-Kampf zur Veränderung der parlamentarischen
Verhältnisse muss ein wirklicher Kampf gegen die Umverteilung von unten nach oben, gegen prekäre Beschäftigung und für
Arbeitszeitverkürzung, gegen Krieg und Abbau der demokratischen Rechte beginnen, damit auch die gesellschaftlichen Verhältnisse sich
ändern. Wer die viele Staatsknete allerdings damit verprasst, als 9%-Opposition Regierung zu spielen und sich für jede Gelegenheit als
salonfähig zu verkleiden, bekommt zur Strafe eine Fischermaske übergestülpt. Lebenslang.
Thies Gleiss
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