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Schön, dass es in diesem Wahlkampf einmal nicht um Flüchtlinge ging. Nicht um Kinder oder Inder, nicht um
Doppelpässe oder Menschenfluten. Schön also, dass die Wahlkämpfer keine geifernde Meute auf der Jagd nach Stimmen herbeigerufen
haben. Allerdings dürfte solch politisch verabredete Zurückhaltung den eigentlich Betroffenen wenig geholfen haben. Das raue Klima besonders in
Beamtenstuben und Gerichtssälen hat sich trotz des öffentlichen Stillschweigens zum Reizthema nicht gemildert.
Der am Amtsgericht Schöneberg tätige Richter Dietrich Lexer lässt sich unwidersprochen vor gut einem Jahr von der Berliner Zeitung
folgendermaßen zitieren: »Die Mongolen lügen aus Spaß, Zentralafrikaner treten eher anmaßend auf, bei einem Araber kommt
man nie zu einem Ergebnis, weil unendlich palavert wird, Zigeunerinnen können auf Knopfdruck hyperventilieren.«
So weit, so eindeutig. Der Mann in der Robe weiß es, er greift zurück auf einen
reichen Erfahrungsschatz als langjährig tätiger Haftrichter im Abschiebegewahrsam. Seine konkrete Tätigkeit besteht darin, Ausländer
zu Abschiebehäftlingen zu machen, indem er Haftbeschlüsse fasst oder sie womöglich freizugeben, indem er das Gegenteil tut:
Haftbeschlüsse aufhebt. Er kennt also seine Pappenheimer, die Zigeuner, Afrikaner, Araber und Mongolen. Die Antirassistische Initiative Berlin
bezweifelt dennoch die Fach- und Sachkraft der Aussage des Richters Dietrich Lexer und stellt Strafanzeige wegen Volksverhetzung.
Die Anzeige wird von der Staatsanwaltschaft ein gutes Jahr später niedergeschlagen. Die
Beschwerde wird am 26.Juli unwiderruflich abgewiesen. Man erkennt staatsanwaltschaftlicherseits, dass der Richter Lexer als unabhängiger Denker das
Recht hat, sich auch mal daneben zu benehmen. Das findet ebenso der Dienstherr und verfolgt die eingereichte Dienstaufsichtsbeschwerde nicht. Ach ja,
kritikabel schien Vorgesetzen wie Staatsanwaltschaft auch nicht, dass Richter Lexer über eine Nigerianerin sagte, weil sie bei ihrer Abschiebung
Widerstand geleistet hatte: »Ich finde, man könnte dieser Frau im Linienflugzeug nur mal das Klebeband zeigen.« Was nicht geht, weil diese
Knebelungsmethode wegen bedauerlicher Todesfälle schon seit einiger Zeit verboten ist. Weshalb sich natürlich auch verbot, den Richter wegen
dieser unrealisierbaren Anregung zu belangen.
In Köln begründet die Ausländerbehörde am 18.Juli 2005, warum sie
den Bleiberechtsantrag eines somalischen Ehepaares ablehnt. Ganz einfach. Im Zweifel nämlich gegen die Antragsteller. Und Zweifel gibt es.
Welcher Art die waren? Das Paar hatte zum Beweis seiner Identität immerhin Geburts-
und Heiratsurkunden vorgelegt und außerdem eidesstattliche Erklärungen von Freunden beigebracht. Konnte allerdings keine Passpapiere des
somalischen Staates vorweisen. Den es aber auch bekanntlich nicht so richtig gibt. Weshalb selbst die Ausländerbehörde zu der Feststellung gelangt,
»der Nachweis der somalischen Staatsangehörigkeit sei derzeit unmöglich«.
Was also jetzt? Die Behörde greift zum bekannten Instrument der
»Inaugenscheinnahme«. So heißt das, wenn dort nach der Erkenntnis gehandelt wird »eine Rose ist eine Rose ist eine Rose«.
Aber eine Somalierin ist eben keine Rose. Und deshalb erwägt die Ausländerbehörde, »dass die Möglichkeit einer indischen
Staatszugehörigkeit in Betracht gezogen wird, da insbesondere die Ehefrau des Klägers keine afrikanischen Gesichtszüge hat.« Und
weil die Kölner Behörde so erwägt, kommen ihr Zweifel in die Glaubwürdigkeit des somalischen Paares. Also muss sie ja den
Bleiberechtsantrag ablehnen.
Die dortige Ausländerbehörde verweigert dem in Deutschland geborenen Kind eines kosovarischen Ehepaares, das vor Jahren schon Asyl
beantragt hatte, über das noch nicht abschließend entschieden ist, die Staatsbürgerschaft. Obwohl das Kind alle Voraussetzungen des
Staatsbürgerschaftsgesetzes erfüllt. Mindestens eines seiner Elternteile nämlich hält sich zum Zeitpunkt der Geburt länger als 8
Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Pfiffig und über den Einzelfall hinausblickend was ja immer Lob verdient
die Begründung der Göttinger Ablehnung: Wenn dieses Kind Deutscher würde, dann könnten seine Eltern ja nicht mehr
abgeschoben werden. Und wenn das jeder Asylbewerber machen würde: Nach acht Jahren Kinder kriegen und sich dann ins Fäustchen lachen. Nein.
Nicht mit der Göttinger Ausländerbehörde! Erst ein deutliches Urteil des zuständigen Verwaltungsgerichtes am 1.September hat die
Behörde gezwungen, ihre Entscheidung zu revidieren. Mit Sicherheit gegen ihre innerste Überzeugung.
Verstreut übers deutsche Land entziehen die zuständigen Versorgungsämter schwerbehinderten Flüchtlingen die
Schwerbehindertenausweise.
Mit den Ausweisen bekamen sie, wie andere Schwerbehinderte auch, zum Beispiel einen
Rollstuhl. Oder eine Fahrtbegleitung. Weil ja die Würde des Menschen unantastbar ist, wie im Grundgesetz steht, und die Behinderten deshalb besonderen
Schutz genießen. Aber wenn der Mensch kein deutscher, nicht mal ein migrantischer, sondern nur ein flüchtiger Mensch ist!? Dann erkennen die
Versorgungsämter seit neuestem, dass die ihren gewöhnlichen Aufenthalt gar nicht im Bundesgebiet haben. Gewöhnlich heißt in
diesem Falle, dass jedenfalls die Versorgungsämter, die auf ihre Kasse aufpassen, sich nicht daran gewöhnen wollen, dass behinderte
Flüchtlinge hier sind.
Und das ist es auch schon. Ungewöhnliche Beispiele? Fragen Sie Ihr Versorgungsamt.
Albrecht Kieser
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