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Die tödlich unangemessene Antwort der US-Administration auf Hurrikan Katrina hat jedem vor Augen geführt,
dass die Katastrophenschutzbehörde FEMA, die in Clintons Amtszeit allseits gelobt wurde, nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Ihr glückloser
Vorsitzender Michael Brown, der die Hilfsarbeit nicht mehr koordiniert, aber immer noch an der Spitze der Behörde steht, ist zum Symbol für
Vetternwirtschaft geworden.
Wonach wir aber wirklich fragen sollten ist, ob der Niedergang und Absturz der FEMA eine
Ausnahme ist oder Teil eines umfassenderen Systems. Welch andere Regierungsfunktionen wurden durch politische Seilschaften, Kumpanei und/oder den
Abgang von erfahrenen Beamten lahm gelegt? Wie viele FEMAs gibt es?
Leider finden sich leicht andere Behörden, die gleichfalls in der einen oder anderen
Weise unter dem FEMA-Syndrom leiden.
Das erste Beispiel kann kaum überraschen: die Umweltschutzbehörde. Ihr kommt
bei den Aufräumarbeiten nach dem Hurrikan eine Schlüsselrolle zu, aber in den letzten Jahren hat sie einen starken Exodus erfahrener Beamter
erlebt. Vor allem Ältere haben die Behörde verlassen aus Protest gegen den Unwillen der Bushregierung, den Umweltgesetzen Geltung zu
verschaffen.
Am 11.September veröffentlichte die britische Tageszeitung The Independent ein
Interview mit Hugh Kaufman über die Umweltfolgen von Katrina. Kaufman ist ein älterer Politikberater im Amt für feste Abfallstoffe und
Krisenreaktion, der im Verdacht steht, sich der Abwanderungswelle anzuschließen. »Der Haushalt wurde gekürzt«, sagt er,
»unfähige Politiker wurden in Schlüsselpositionen gehievt.« Das klingt bekannt, und in Anbetracht dessen, was wir in den letzten
Wochen erfahren durften, gibt es keinen Grund, an seiner Aussage zu zweifeln oder seine Warnung in den Wind zu schlagen, jetzt werde alles getan, um die
Umweltfolgen zu vertuschen.
Wie steht es mit dem Amt für Lebens- und Arnzeimittel? Dessen traute Zusammenarbeit
mit den Pharmakonzernen hat ernste Fragen aufgeworfen; ein hochrangiger Beamter, der mit Frauengesundheit beauftragt ist, ist zurückgetreten, weil die
Freigabe der »Pille danach« immer wieder verzögert wurde; dem Vorstand der Behörde macht er den Vorwurf, aus politischen
Gründen die Fachkräfte zu übergehen.
Dann ist da die öffentliche Rundfunkanstalt. Deren republikanischer Vorsitzender hat
einen Berater eingestellt, der liberale Schlagseiten im Programm aufspüren soll. Offenkundig hat der Berater jeden Anflug von Kritik an der Regierung als
Anzeichen von Liberalismus interpretiert, selbst wenn sie von Konservativen kam.
Man könnte sagen, das alles sind Fälle, in denen die Bush-Administration sich um
den Qualitätsverlust der Arbeit einer Regierungsbehörde keine Gedanken macht, weil sie von deren Auftrag eh nichts hält. Das kann man aber
für die beiden Fälle, von denen nachfolgend die Rede sein wird, nicht sagen.
Selbst eine konservative Regierung braucht ein effizientes Finanzministerium. Doch es ist in
Ungnade gefallen. Öffentliches Symbol dafür ist die Tatsache, dass John Snow, der offenkundig eher seiner Loyalität als seiner
Fähigkeiten wegen ausgesucht wurde, immer noch Finanzminister ist. Viele erfahrene Beamte haben das Ministerium seit 2000 verlassen, eine Reihe von
Schlüsselpositionen sind unbesetzt oder werden nur stellvertretend wahrgenommen. »Es gibt keine Politik«, sagte ein Ökonom, der die
Behörde nach 22 Jahren verlassen hat, gegenüber der Washington Post. Das war 2002. »Wenn es keine Leitungen gibt, wozu braucht man
dann einen Klempner?« So sind die Besten und Klügsten gegangen.
Und wie steht es schließlich mit der Heimatschutzbehörde selbst? Die FEMA war
vernachlässigt worden, sagen einige, weil sie in der größeren neu errichteten Behörde aufgegangen ist, deren Schwerpunkt jedoch die
Terrorismusbekämpfung, nicht der Kampf gegen Naturkatastrophen ist. Aber was tut dieses Amt wirklich, um uns vor Terroristen zu schützen?
2004 vermeldete Reuters einen »ständigen Abgang« von Spezialisten der
Terrorismusbekämpfung, weil sie der Meinung waren, der Krieg im Irak habe die reale terroristische Bedrohung überlagert. Warum sollte dann die
Amtsführung in der Heimatschutzbehörde gut sein? Man soll nicht vergessen, dass die erste Wahl für die Spitze dieser Behörde Bernard
Kerik, ein Spezi von Rudolf Giuliani, vormals Bürgermeister von New York, war. Keriks Nominierung wäre durchgegangen, hätten nicht
einige engagierte Reporter Probleme im Hintergrund entdeckt, die der FBI irgendwie nicht mitbekommen hatte, ebenso wie er die kleinen Probleme in Michael
Browns Lebenslauf nicht mitbekommen hat. Wie viele kleinere Keriks gibt es in anderen Positionen?
Katrina sollte uns wachrütteln, nicht nur in Bezug auf FEMA, sondern in Bezug auf die
gesamte Regierungsarbeit. Alles deutet darauf hin, dass sie in einem bedauernswerten Zustand ist, weil die Regierung das Regieren nicht ernst nimmt.
Paul Krugman
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