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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2005, Seite 15

USA

Die Spaltung der US-Friedensbewegung

Manchmal kommt es wirklich auf die Tat einer Einzelnen an. Cindy Sheehan hat die Verhältnisse in einer Weise verändert, die sie sich niemals erträumt oder auch nur gewollt hätte.

Ihr Sohn Casey ist einer von fast 1900 US-Soldaten, die in Bushs Irakkrieg getötet wurden. Als Sheehan sich einer Gruppe von Angehörigen toter Soldaten anschloss, um mit Bush zu reden, war sie angewidert von dessen offensichtlich geheuchelter Anteilnahme. Sie ersuchte deshalb um ein Treffen unter vier Augen mit dem Präsidenten, um ihn zu fragen, wofür ihr Sohn gestorben sei. Als dies abgelehnt wurde, schlug sie ganz allein ein Lager vor seinem Sommercamp in Texas auf. Dort geschah es: Cindy Sheehan traf mit ihrer Aktion eine breite Stimmung von Abscheu und Zorn, die bisher nur schwachen Widerschein in den Meinungsumfragen gefunden hatte.
Die organisierte Friedensbewegung war bisher unfähig, den Zorn politisch aufzugreifen. Viele ihrer Vertreter hatten sich in der Präsidentschaftskampagne 2004 für die aussichtslose (und zudem den Krieg unterstützende) Kandidatur von John Kerry engagiert; das war ein schwerer Rückschlag. Die Spaltung der Bewegung in zwei widerstreitende Koalitionen wurde dadurch vertieft. Die eine, United for Peace and Justice, sucht die Zusammenarbeit mit der Demokratischen Partei und lehnt sämtliche Forderungen ab, die sie gefährden könnten — vor allem Forderungen nach Unterstützung des palästinensischen Volkes. Die andere, Act Now to Stop War and End Racism — ANSWER, ist bekannt für sektiererische Manipulationen und den Versuch, die »antiimperialistischen« Teile der Bewegung zu hegemonisieren.
Wichtiger als der Streit zwischen den beiden Koalitionen waren in letzter Zeit Basisinitiativen: Kampagnen in Schulen und Stadtteilen gegen die Rekrutierung von Soldaten, kleine Veranstaltungsreihen von Kriegsdienstverweigerern, eine Veranstaltungsreihe von irakischen Gewerkschaftern organisiert von US Labor Against War, um Kontakte zwischen Belegschaften aufzubauen. Die beiden Koalitionen riefen getrennt voneinander zu parallelen Demonstrationen und Kundgebungen am 24.September in Washington auf. Im Juli zirkulierte in der Bewegung jedoch eine breit unterstützte Erklärung, die beiden Bündnisse sollten ihre Kräfte vereinigen. Das zeigte Wirkung, aber nicht genug. In der Provinz war es die Aktion von Cindy Sheehan, die zog. Sympathie-Mahnwachen entstanden in fast 1600 Städten, daran waren etwa 100000 Menschen beteiligt. Dies hatte zur Folge, dass die beiden Koalitionen sich tatsächlich auf eine gemeinsame Mobilisierung zum 24.September einigten.
Die Friedensbewegung steht bei Cindy Sheehan tief in der Schuld. Dabei ist sie keine organisierte Linke. Sie hat sich geweigert, auf Veranstaltungen zu sprechen, auf denen Kriegsdienstverweigerer auftraten, die offen mit dem irakischen Widerstand sympathisieren — das ist ebenfalls ein Streitobjekt in der Friedensbewegung. Wenn der Krieg zu Ende ist, wird sie vielleicht wieder in ihr Privatleben zurückkehren. Aber sie hat Mut und, wie die New York Times schrieb, »absolute moralische Autorität«.

David Finkel

David Finkel schreibt für die sozialistische US-Zeitschrift Against the Current.



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