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Die Parlamentswahl in Norwegen hat eine rot-grüne Regierungsmehrheit aus sozialdemokratischer Arbeiterpartei (AP),
Sozialistischer Linkspartei (SV) und Zentrumspartei zum Ergebnis. Wahlsiegerin war in erster Linie jedoch die rechtspopulistische Fortschrittspartei (FrP), die
ihr Ergebnis von 14,6 auf 22,1% steigern konnte und so zur stärksten bürgerlichen Partei des Landes wurde. Die AP steigerte sich von 24,3 auf
32,7%. Die Wahlen vor vier Jahren waren jedoch katastrophal für die Sozialdemokraten ausgegangen; von ihrer alten Stärke, d.h. von einem
Ergebnis von über 40%, ist sie noch weit entfernt.
Für die Linke war die Wahl eine Niederlage speziell für die SV, die 2001
ein sehr gutes Ergebnis erzielt hatte. Ihr Anteil sank um 3,7 Prozentpunkte auf 8,8%. Für diesen Rückgang gibt es eine fundamentale Ursache: An
die AP wurden keine politischen Bedingungen gestellt. Nicht nur die Parteiführung, sondern auch große Teile der Partei hielten es nicht für
richtig, im Wahlkampf mit Forderungen an die AP aufzutreten. Dadurch signalisierte sie deutlich die Bereitschaft, die eigene Politik größtenteils
aufzugeben, um die Privilegien der Macht zu genießen. Das Mantra im Wahlkampf lautete: »Von der eigenen Politik absehen, sodass die Wahl
über das Kräfteverhältnis zwischen uns und der AP entscheidet« und damit die rot-grüne Regierungspolitik bestimmt.
Sowohl die Rechte als auch die Linke in der Partei vermieden vor der Wahl die schwierige Debatte über die politischen Bedingungen, die an eine
Regierungsbeteiligung gestellt werden müssen. Sie erweckte auf diese Weise den Eindruck größerer Geschlossenheit.
Ein Beispiel, bei dem die SV hätte Forderungen stellen sollen, war die Rentenfrage. Die Vizepräsidentin der SV war Mitglied der
öffentlichen Kommission, die die »Modernisierung« der staatlichen Altersversorgung vorbereitete. Sie akzeptierte alle neoliberalen
Maßnahmen für Rentenkürzungen und Reformen, die den Weg zur Privatisierung eröffnen nur ihr unsoziales Profil wollte sie
nicht. Die einfachen Parteimitglieder hingegen lehnen diese Maßnahmen ab.
Der Kongress der SV im April hatte in der Rentenfrage eine der Parteiführung
entgegengesetzte Linie beschlossen. Dies war für die Parteilinke ein wichtiger Sieg. Aber sie wagte nicht zu fordern, dass die Parteiführung auf der
Ablehnung von Rentenkürzungen besteht. Sie bestand nicht einmal darauf, dass die Rentenfrage erst nach der Wahl behandelt werden sollte und nicht
schon im Frühjahr 2005. Es ist für Sozialisten elementar zu fordern, dass die Bevölkerung zu so einer wichtigen Reform Stellung beziehen
muss.
Die Rente war kein Thema mehr in der abgelaufenen Wahlkampagne. Im
Gewerkschaftsverband LO hatte die Forderung, die Rentenreform zu verschieben, große Unterstützung. Hätte die SV sich dem angeschlossen,
wäre die Rentenfrage und damit die neoliberale Offensive ein Wahlkampfthema geworden. Dann hätte die SV ihrenUnterschied zur
AP deutlich machen können, denn die AP wollte Kürzungen und Privatisierung des Rentensystems. Die SV hätte damit auch ihren den
Unterschied zur Fortschrittspartei deutlich machen können, die sich für eine niedrige Mindestrente eintrat, ergänzt um private
Versicherungen. Das ist ein sehr unpopulärer Standpunkt, vor allem unter den FrP-Wählern.
Die Rente ist natürlich nicht die einzige Frage, bei der die SV Bedingungen für
eine Teilnahme an der Regierung hätte stellen sollen: Norwegen raus aus dem Irak und Afghanistan; Zustimmung nur zum Bau CO2-freier Gaskraftwerke;
20 Milliarden für den öffentlichen Sektor das sind nur die wichtigsten Forderungen.
Aber die Parteiführung und große Teile der Partei hatten eine andere Strategie
nämlich sich als regierungsfähig zu zeigen, was zu vorhersehbaren Verlusten führte. Die Linke in der SV verfügt in der Sache
über eine große Unterstützung in der Partei, aber sie ist organisatorisch zersplittert.
Für die Rote Wahlallianz (RV, das Wahlbündnis der radikalen Linken) war die Wahl ebenfalls eine Enttäuschung. Die RV erhielt
denselben Stimmenanteil wie 2001. Sie schaffte auch diesmal nicht, Vertreter ins Parlament zu entsenden und aus ihrer Rolle als Kleinpartei herauszukommen.
Die RV war am stärksten in Bergen und Oslo mit 3 bzw. 3,7%. Aber die RV forderte die SV politisch nicht heraus. Im Wahlkampf war die RV für
die Wähler der SV keine Alternative. Die RV hätte in Bergen und Oslo gemeinsame Listen mit der SV mit klaren Bedingungen vorschlagen sollen,
nämlich dass die SV klare Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung an die AP stellt. Einen solchen Vorschlag hätte die SV nur schwer
ablehnen können und dann wäre die RV für die SV-Wähler wichtig geworden. Die RV hätte gezeigt, dass sie an der Einheit
gegen die Rechte wirklich interessiert ist und keine Stimmen »verschwendete«.
Dass die RV eine solche Offensive gegenüber der SV nicht gewagt hat, liegt daran, dass
der stalinistische Flügel der RV fürchtete, der nichtstalinistische Flügel in der RV würde ein Übergewicht bekommen, wenn die
RV als organisierte Linke der SV erfolgreich wäre. Das zwischen beiden Flügeln in der RV bestehende Gleichgewicht, das die Wahlallianz in den
letzten zehn Jahren gelähmt hat, würde sich dadurch verschieben. Es ist eine traurige Tatsache, dass beide Parteien auf der Linken Opfer ihrer
mangelnden strategischen Kühnheit geworden sind. Für die Kommunalwahl 2007 muss daraus eine Lehre gezogen werden, um einen
Rückschlag zu vermeiden.
Anders Ekeland, Oslo
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