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»Ich will eine Bank, die schnell reagiert, wenn nachts um drei etwas in Hongkong passiert« (Anzeige der Dresdner
Bank). »Mehrere internationale Finanzriesen, darunter die Deutsche Bank, haben für ihre Kunden Aktien eines Unternehmens gekauft und verkauft,
dessen Produkte von Zwangsarbeitern hergestellt werden«(Frankfurter Rundschau). Dabei geht es um Aktien des Perückenherstellers Henan
Rebecca, der in China in mindestens zwei Umerziehungslagern (Lao Gai) für den Weltmarkt produzieren lässt. Nach Schätzungen des China
Labour Bulletin sitzen heute 250000300000 Chinesen ohne Anklage und Gerichtsverhandlung in solchen Lagern, die ohne Entlohnung bis zu 16 Stunden
täglich arbeiten müssen, ständig in Angst vor Misshandlungen und Verlängerung der Zwangsarbeit.
In John Burdetts Roman Die letzten Tage von Hongkong ist General Xian einer der Profiteure
dieser Arbeitslager. Kurz vor der Übergabe Hongkongs an die Volksrepublik bemüht er sich darum, die Millionengewinne in die Kronkolonie
einzuschmuggeln und das Geld am Immobilienmarkt zu waschen. Als alter Mann des neue chinesischen Zeitalters zeigt er genauso dringendes Interesse an der
Aufklärung eines brutalen Dreifachmords wie der britische Spitzenbeamte Cuthbert, der in den letzen beiden Monaten angelsächsischer Herrschaft
mit allen Varianten kolonialer Diplomatie alles vermeiden will, was den Übergabeprozess behindern könnte vor allem Unruhe in der
Bevölkerung, die ein Eingreifen der Volksarmee provozieren könnte. In diesem Gewirr politischer und wirtschaftlicher Intrigen versucht
Chefinspektor Chan, den Fall zu lösen.
Drachenaugen von Andy Oakes spielt wenige Jahre später in Shanghai, und dieser
exzellente Thriller wirkt in seiner Anlage und in vielen Details wie eine Kopie des Romans von John Burdett: Wieder werden grausam zugerichtete Leichen
gefunden, wieder sind unter ihnen »Gweilos«-Nichtasiaten. Wieder ist der Inspektor von seiner Frau verlassen worden, wieder taucht aus den USA
die Mutter eines der Opfer auf und spielt eine dubiose Rolle und wieder ist Drogenhandel die falsche Fährte, um auf die Ursache des Verbrechens zu
stoßen. Trotz dieser Häufung von Parallelen ist Drachenaugen ein eigenständiger Roman und führt noch tiefer in die Konflikte, die sich
aus dem chinesischen Aufbruch, den brutalen Varianten der ursprünglichen Akkumulation und den grausamen Exzessen der Globalisierung ergeben. Hier
sind es nicht sich verselbstständigende Militärs sondern zentrale Regierungskreise, neben deren »Körperpolitik« die
Perückenmacherei in Zwangsarbeitsverhältnissen seltsam harmlos wirkt. Aber es ist der gleiche Weltmarkt, der die Bedürfnisbefriedigung der
Nomenklatura und der Reichen mit perversen Methoden organisiert. Die Geschäfte der Triaden und der Mafia sind in beiden Romanen ein Nichts dagegen,
und beide Inspektoren kommen wie Don Quijote daher: Bei dieser Kategorie von Verbrechen scheitert Polizeiarbeit. Und man wundert sich, wie man solche
Verhältnisse überleben kann. Dass die Realität vielschichtiger ist und der schriftstellerische Blick von außen durch eine gewisse
Wehmut am Untergang des kolonialen britischen Paternalismus getrübt ist, reicht als Trost nicht aus.
Udo Bonn
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