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Walden Bello hat zum »Widerstand gegen die neue Weltordnung« aufgefordert und ein Schlagwort zum Buchtitel
gemacht: De-Globalisierung heißt eine Sammlung von Aufsätzen des bekannten philippinischen Globalisierungskritikers, die von Oliver Nachtwey
und Peter Strotmann zusammengestellt und mit einem informativem Vorwort versehen herausgegeben worden sind.
Für einen Wissenschaftler und praktisch politisch Tätigen wie Walden Bello ist es
selbstverständlich, dass sein Blick vom Standpunkt des »Global South« geprägt ist von den Erfahrungen mehrerer hundert
Jahre Kolonialisierung, den Erfahrungen der imperialistischen Politik und Kriege des letzten Jahrhunderts bis hin zum neoliberalen Überfall auf die ganze
Welt unter dem Schlagwort der »Globalisierung« heute.
Seine Aufsätze aus den letzten Jahren beschäftigen sich mit den Folgen der
wirtschaftlichen Überformung der Welt durch die globalen Konzerne, mit dem Krieg im Irak und den strategischen Linien der Bewegungen gegen diese
Art Globalisierung.
Walden Bello, einer der schärfsten Kritiker der Weltbank und der WTO, ausgezeichnet
mit dem alternativen Nobelpreis 2003, schreibt: »Die Ausweitung des Freihandelsmandats, der Macht und der Befugnisse der WTO als mittlerweile
mächtigstes multilaterales Instrument der globalen Konzerne stellt für Entwicklung, soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und Umwelt eine
tödliche Bedrohung dar.« Aufhalten und Umkehrung des von der WTO betriebenen Prozesses ist das mit der weltweiten Bewegung gemeinsame
Ziel, das er in dem Buch ausführt.
Er schildert die verschlechterten Verhältnisse für »den Süden«
durch das Regime der Weltbank und WTO und fordert eine Umkehr der Agenda hin zu einer »De-Globalisierung«, also zu einer Betonung des
regionalen, der Unabhängigkeit von IWF-Zwängen und einer Abkoppelung vom krisenhaften Finanzsystem des Dollars. »Basisorientierte
Ökonomie« ist ein Schlagwort, die den Betroffenen selber die Entscheidungen über Produktion und Wirtschaft zurückverlagern
möchte. Die Irrationalität des Finanzsystems, das zu schlimmen Folgen in vielen Ländern in Südostasien und Südamerika
geführt hat, darf nicht mehr entscheidend sein für die Entwicklung und das Wohlergehen von Milliarden Menschen. Bello schlägt im
Gegensatz zum Wirken des freien Marktes vor, »ein Paket von effektiven Maßnahmen der Kapitalkontrollen, Handelskontrollen und regionaler
kooperativer Abkommen zusammenzustellen, welches einen Prozess der internationalen ökonomischen Transformation eröffnen würde, der
weitestgehend ungestört von äußeren Einflüssen bliebe«, also von Interessen des »Nordens«.
Seine ökonomischen Vorstellungen laufen darauf hinaus, dass nicht
hauptsächlich für den Export produziert würde. »Entwicklung muss sich am Binnenmarkt als Lokomotive des Wachstums
orientieren« und für »ein progressives Steuersystem« zur Finanzierung von Investitionen, »Erhöhung der Nachfrage ...
durch umfassende Programme der Umverteilung von Besitz und Einkommen, einschließlich einer Landreform« dienen, um die Agenda der sozialen
Gerechtigkeit voran zu bringen.
Er betont, dass Wachstum regionale Produzenten begünstigen muss, dass es
ökologisch nachhaltig sein muss, im Gegensatz zu Wachstum für Exportprodukte, und dass das nicht technokratisch von oben eingesetzt, sondern
»im sozialen und politischen Streit erkämpft werden« muss. Dazu müssten »strategische Wirtschaftsentscheidungen nicht dem
Markt überlassen«, sondern »der demokratischen Willensbildung« überantwortet werden sowie der »private Sektor und der
Staat der dauerhaften Kontrolle durch die Zivilgesellschaft« unterstellt werden.
Er verlangt eine Verlagerung der Entscheidungsbefugnisse auf die lokale und nationale Ebene
und spricht sich gegen Versuche aus, ein anderes globales und zentralisiertes Regelsystem an die Stelle des heutigen zu setzen, was das Unvermögen
bedeuten würde, »Diversität zu tolerieren und von ihr zu profitieren«. Soviel zum Versuch, »neoliberale Regeln nur durch
sozialdemokratische Regeln zu ersetzen«.
Aber Walden Bello geht es nicht nur um die Folgen von finanziellen und ökonomischen
Strategien auf die Menschen, sondern auch um die politisch-militärische Herrschaft am Beispiel des Irakkriegs und die Politik des »American
Empire«. Für ihn verbinden sich völlig eindeutig militärische Expansion und wirtschaftliche Herrschaft, die Probleme der
Ölgesellschaft und die Umweltfolgen sowie die Unterminierung der sozialen Gefüge in den betroffenen Ländern. Die Interessen einer kleinen
reichen Schicht vor allem in den USA analysiert er vor allem an den Folgen für die Menschen des »Südens«.
Sein Vergleich des Irak-Feldzugs mit dem Vietnamkrieg mag aus unserer Sicht noch
»übertrieben« erscheinen, aber die Feststellung, dass das imperiale Projekt der Globalisierung in eine Krise geraten ist, und dringend ein
Ausweg nicht im Sinne der Bush-Blair-Politik gesucht werden muss, ist offensichtlich. Hier »endet« das Buch mit den Worten: »Zu Beginn
der zweiten Amtszeit bleibt Bushs Agenda unverändert: Weltherrschaft. Unsere Antwort ist die gleiche: weltweiter Widerstand … militante
Solidarität unter den Völkern der Welt. Diese Solidarität wirklich, machtvoll und siegreich werden zu lassen, das ist die vor uns liegende
Herausforderung.«
Zur Bewältigung dieser Herausforderung ist die Lektüre solcher Bücher wie
das von Bello eine gute Diskussionsgrundlage und ein Ansporn für die Menschen »im Norden«, die Sicht des »Global South«
überhaupt wahrzunehmen.
Rolf Euler
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